17.10.2018

Halloween kann eine Chance sein

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • An Halloween scheiden sich die Geister. Viele Kinder, Jugendliche und zunehmend auch Erwachsene sind fasziniert von diesem Brauch.
  • Anderen ist das gruslige Treiben am Vorabend von Allerheiligen suspekt.
  • Die Kirche muss Halloween weder lieben noch verteufeln, sollte aber die Chance nicht verpassen,  das zentrale Thema von Halloween aufzugreifen.

Wenn an Halloween Kinder bei Monika Thut Birchmeier an der Tür klingeln, öffnet sie jeweils und fragt die kleinen Vampire und Hexen: «Wisst ihr, warum ihr bei mir läutet?». Können die Halloween-Geister die Frage nicht beantworten, erklärt ihnen die Theologin Ursprung und Sinn von Halloween. Erst danach gibt es Süssigkeiten.

Ihre eigenen Kinder fänden das manchmal peinlich. Doch Monika Thut Birchmeier, die auf der Fachstelle Kirchlicher Religionsunterricht der Reformierten Landeskirche Aargau arbeitet, ist überzeugt: «Man darf Halloween feiern. Wichtig ist, dass man weiss, warum man etwas tut.»

«Geben Sie uns auch Süssigkeiten?»

Halloween beschäftigte Monika Thut zuerst einmal privat: «Meine drei Kinder lagen mir jedes Jahr in den Ohren, weil sie sich an Halloween verkleiden und von Tür zu Tür ziehen wollten.» Sie habe das als Stress und Halloween als mühsam empfunden. «Da kam mir der Gedanke, dass Halloween ja eigentlich etwas Religiöses aufgreift und ich froh wäre, die Kirche böte an diesem Abend ein religiös vertretbares Halloweenprogramm für Kinder an.»

Aus diesem Gedanken entstand die Weiterbildung «Süsses oder Saures – Halloween in der Katechese», die Monika Thut diesen August für katechetisch Tätige anbot. Denn auch diese sind mit Halloween konfrontiert, wenn die Schüler etwa fragen: «Heute Abend gehen wir wieder verkleidet von Tür zu Tür. Geben Sie uns dann auch Süssigkeiten?»

Wohl oder übel

Eine, die diese Weiterbildung besuchte, war Christine Hüttner. Sie ist ausgebildete Heil- und Sozialpädagogin, Leiterin von Elternkursen und aktiv in der Pfarrei St. Verena in Bad Zurzach. Es war ihr ein Anliegen, das Gehörte weiterzugeben und Aufklärungsarbeit in Sachen Halloween zu leisten. Deshalb lud Christine Hüttner diese Woche zu einem Informations- und Diskussionsmorgen im Forum in Bad Zurzach ein. Gekommen sind ausnahmslos Mütter, und es wird rasch klar: Mit Kindern wird Halloween wohl oder übel ein Thema. «Kinder sind fasziniert von diesem Brauch», weiss Christine Hüttner.

Zeit, der Verstorbenen zu gedenken

Zum Ursprung von Halloween gibt es verschiedene Theorien (siehe Text rechts). Als relativ sicher gilt, dass die Zeit um den 31. Oktober – zwischen der Tag- und Nachtgleiche und der Wintersonnenwende – schon bei den Kelten vor etwa 2500 Jahren die Jahreszeit des Totengedenkens war. «Man kann nicht sagen, Halloween gehe direkt auf die Kelten zurück, richtig ist jedoch, dass in dieser Nacht Tod und Jenseitsvorstellungen schon seit sehr langer Zeit eine Rolle spielen», fasst Christine Hüttner zusammen. In jedem Fest im Kirchenjahr verdichte sich ein Lebensthema, erklärt sie. So, wie Karfreitag sich auf «Sterben» konzentriere und Weihnachten auf «Geburt», so verdichte sich anfangs November der Themenkreis «Totengedenken und Jenseits».

Kinder sehen keine Toten

Dieses zentrale Thema von Halloween ist jedoch in unserem Alltag in Vergessenheit geraten. Genau da ortet Christine Hüttner das Problem. «Tod und Jenseits sind in unserer Gesellschaft selten Thema. Kaum jemand stirbt noch zu Hause. Die Aufbahrung von Toten ist nicht mehr üblich», führt sie aus. Kinder haben keine Erfahrung mit dem Tod, wissen nicht, wie jemand aussieht, der gestorben ist. Zwei der anwesenden Mütter erinnern sich, dass sie als Kinder – eine im Münstertal, eine in Stans – noch Erfahrungen mit aufgebahrten Toten gemacht hatten. Innert weniger Jahrzehnte ist diese Praxis weitgehend verloren gegangen.

Das sei auch aus religionspädagogischer Sicht schade, sagt Monika Thut Birchmeier: «Die meisten Kinder praktizieren heute kein Totengedenken mehr. Allerheiligen, Allerseelen und der reformierte Ewigkeitssonntag haben an Bedeutung verloren, auch die früher übliche Friedhofsbegehung machen die Eltern mit ihren Kindern kaum mehr mit.»

Gedenkbuch, Kerzen und Grabbesuch

Halloween, findet sie, wäre ein Anlass, diese Bräuche rund ums Totengedenken zu reaktivieren. Sie zählt diverse Möglichkeiten auf, zusammen mit Kindern der verstorbenen Familienmitglieder oder Freunde zu gedenken. Etwa mit einem Gedenkbuch, in das die Kinder Fotos kleben dürfen. Oder indem man mit ihnen auf den Friedhof geht und das Grab schmückt. Auch Zeichnen oder Briefeschreiben oder gemeinsames Kerzenanzünden helfen, das Gedenken an die Toten zu praktizieren.

Der Tod ist «gfürchig»

Halloween könne ein guter Anlass sein, mit Kindern über ihre Vorstellungen vom Tod und Jenseits zu sprechen, findet Christine Hüttner. Den Gruselaspekt würde sie daher nicht ausklammern. Der Tod hat etwas «Gfürchiges», das kommt in den grusligen Verkleidungen zum Ausdruck. Die Vampire, Hexen und Skelette stehen als Symbol für diese Angst vor dem Unbekannten. Damit soll man die Kinder nicht alleine lassen, sondern das Unbehagen thematisieren.

Faszination ausnützen

Die Kirche täte gut daran, diese existenziellen Themen nicht der Unterhaltungsindustrie zu überlassen, sondern etwas Eigenes anzubieten für Kinder und Eltern. Man müsse doch die Faszination, die Halloween auf Kinder ausübt, nützen, findet auch Christine Hüttner. Denn klar ist: Die meisten Kinder kennen Halloween, die wenigsten aber Allerheiligen.

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