28.10.2021

Jahrestreffen der ersten Teilnehmerinnen der Erfolgsserie «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche»
In der Natur begegnen sie Gott

Von Christian Breitschmid

  • Sie waren die Heldinnen der ersten Staffel «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche», im Herbst 2007.
  • Jedes Jahr treffen sich die Landfrauen der ersten Staffel, zusammen mit ihren Männern und in der Reihenfolge ihres Auftritts in der Sendung, bei einer von ihnen zu Hause, um bei einem feinen Essen die Erinnerung an die gemeinsame Fernsehzeit hochleben zu lassen.
  • Horizonte durfte dieses Jahr bei Antonia Rudin in Ziefen (BL) dabeisein und wollte erfahren, ob der Glaube und der Gottesbezug in der Landwirtschaft heute überhaupt noch eine Rolle spielen.

Einmal im Jahr treffen sich die Teilnehmerinnen der ersten Staffel von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche», akkurat der Reihenfolge ihres Auftritts in der Sendung folgend, bei einer von ihnen zu Hause und feiern sich und den Erfolg dieses televisorischen Dauerbrenners bei einem leckeren Essen zusammen mit ihren Männern.

Horizonteredaktor Christian Breitschmid war 2007 noch als Produzent der Redaktion Volkskultur beim Schweizer Fernsehen dafür verantwortlich, dieses neue Sendeformat zu entwickeln und mit den ersten sieben, mutigen Landfrauen aus der Taufe zu heben. Die Sendung wurde ein nationaler, dann auch internationaler Erfolg. Dieses Jahr geht bereits die 15. Staffel der «Landfrauenküche» über den Sender.

Der Funke springt über

Antonia Rudin führte nach dem Essen ihre Gäste noch durch den Betrieb, den Hof Rosacher in Ziefen. | Foto: Christian Breitschmid
Es gibt sicher viele Gründe, warum das Schweizer Publikum die «Landfrauenküche» liebt. Die Sendung zeigt die landschaftliche Vielfalt dieses Landes in wunderschönen Bildern. In jeder Episode erfahren die Zuschauer Wissenswertes aus der jeweiligen Region und erhalten einen sehr persönlichen Einblick in das alltägliche Leben und Wirken einer Landfrau und ihrer ganzen Familie. Im Zentrum jeder Sendung steht aber das leibliche Wohl. Die Landfrauen zeigen, wo und wie ihre Lebensmittel produziert werden, vor allem aber, wie man sie genussvoll zubereiten kann.

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Diese Volksweisheit wird in der «Landfrauenküche» mit filmischen Mitteln ganz einfach und direkt verständlich gemacht. Das wäre allerdings nicht möglich, wenn die Heldinnen einer jeden neuen Staffel, die Landfrauen, nicht so natürlich, unverkrampft, geradeheraus und echt wären. Der Schreibende hat es immer wieder erlebt, wie schnell der Funke übersprang, angefangen beim Casting der neuen Landfrauen, über die Drehtage auf dem jeweiligen Hof, bis hin zum Wettbewerbsessen und natürlich dem grossen Finale mit der Siegerehrung.

Gewinnerinnen sind und waren sie von der ersten Sendung an alle. Es geht ihnen ja auch nicht primär um den Kochwettbewerb, sondern darum, eine Haltung, eine grundsätzliche Lebenseinstellung zu vermitteln. Da wird nicht einfach ein Landschaftstheater inszeniert für eine nette Fernsehsendung, da geht es um den Respekt vor dem, was die Natur den Menschen schenkt, damit diese leben können.

Arbeit vor Vergnügen

Die enge Verbindung zum Boden, den man bepflanzt, und zu den Tieren, die man züchtet und als wertvolle Nahrungslieferanten entsprechend pflegt, wird auch dann spürbar, wenn keine Fernsehkamera dabei ist. So zum Beispiel beim diesjährigen Treffen der «ersten Landfrauen», wie sie sich mit leicht ironischem Lächeln im Gesicht gerne bezeichnen. An einem strahlenden Herbsttag kamen sie auf dem Hof Rosacher im basellandschaftlichen Ziefen zusammen, wo sie von Antonia Rudin und ihrem Mann, Martin, nach allen Regeln der Kunst verwöhnt wurden: Annelies und Hans Graf aus Walkringen (BE), Lina und Peter Bernhardsgrütter aus Gossau (SG), Käthy und Karl Hüzeler aus Grod (SO) und Silvia und Peter Limacher aus Flühli (LU).

Und auch das ist typisch für den Alltag einer Bauernfamilie: Wenn die Arbeit ruft, dann folgt man, auch wenn man deswegen auf eine schöne Einladung unter Freunden verzichten muss. So konnten Migga und Fredo Falett aus Bergün (GR) und Margrit und Paul Odermatt aus Stans (NW) dieses Mal nicht am Jahrestreff teilnehmen, weil zu Hause zuviel zu tun war.

Landfrauen feiern Erntedank

Bei Annelies Graf in Walkringen wurde 2007 die erste Finalsendung der «Landfrauenküche» gedreht. | Foto: Christian Breitschmid
Im Herbst, wenn die Ernte eingefahren ist, gehört es vielerorts zur Tradition, Erntedankfeiern zu veranstalten. In vielen Kirchen sind es die Landfrauen, die für den entsprechenden Schmuck und üppige Dekorationen verantwortlich zeichnen. Die Frage drängt sich auf, welchen Stellenwert christliches Brauchtum, der Glaube überhaupt und ein wie auch immer gearteter Gottesbezug für die Landfrauen und -männer in dieser Runde hat. Welches Bild haben sie von Gott? Die Emmentalerin Annelies Graf beschreibt es so: «Das Göttliche ist für mich ein Gefühl von Dankbarkeit, Vertrauen und Zufriedenheit.» Und dann zitiert sie, in klingendem Dialekt: «We mir i allem, wo mer gschoue, doch Gottes Vaterliebi gseh u dankbar, froh u voll Vertroue e jede Tag entgäge näh, de wird  is ou i Not u Plag e jede Tag zum gschänkte Tag.»

Käthy Hürzeler geniesst auch 14 Jahre nach dem ersten Zusammentreffen immer wieder den Austausch mit ihren Landfrauenkolleginnen. | Foto: Christian Breitschmid
Auch Käthy Hürzeler spricht von göttlichem Vertrauen: «Wenn ich bete, habe ich das Gefühl, eine höhere Macht schenkt Vertrauen, hört zu, ist da, ich bin nicht allein.» Für Antonia Rudin ist das Göttliche «wie eine Hand, die mich führt und in schwierigen Phasen trägt, aber sonst habe ich kein konkretes Bild im Kopf, etwa von einem Mann mit Bart oder so ähnlich.» Dazu Silvia Limacher: «Beim Beten sehe ich vor meinem inneren Auge häufig Verstorbene, aber auch einfach nichts oder manchmal stelle ich mir Gott vor. Dabei lasse ich mir das kindliche Gottesbild eines Mannes mit langem Bart nicht nehmen. Dazu stehe ich.»

Feste und Rituale

Nach der Ausstrahlung der ersten Staffel «Landfrauenküche», wurde Silvia Limacher zu einer wichtigen Botschafterin der Biosphäre Entlebuch. | Foto: Christian Breitschmid
Kirchenfeste, vor allem die Hochfeste, gehören bei allen Landfrauen fest zum Jahresprogramm. Bei jeder von ihnen mit unterschiedlichen Bräuchen versehen. So bäckt Antonia zu festlichen Anlässen gerne Anisbrötchen: «Das habe ich von meiner Schwiegermutter übernommen.» Bei Annelies gibt es am Bettag traditionell immer Zwetschgenkuchen. Im Hause Hürzeler gilt die strikte Regel, dass es keine Mandarinli vor dem 6. Dezember und keinen Weihnachtsbaum vor dem 24. gibt. Ein wichtiges Ritual ist für Käthy ausserdem das Aufhängen eines geweihten Palmzweigs vom Palmsonntag zum Segen für das Haus. Diesen Brauch pflegt man auch bei Silvia im Entlebuch und ausserdem: «Am Karfreitag gibt es keine Milch und natürlich auch kein Fleisch. Seit Jahren gehe ich mit Vroni, meiner besten Freundin, zur Karfreitagsprozession, und danach gibt’s Eier und ‹ä Schwarze›.» Diese spezielle Entlebucher Kaffeezubereitung hellt auch die düsterste Karfreitagsstimmung im Nullkommanichts auf.

«Es braucht Gottvertrauen»

Lina Bernhardsgrütter und ihr Mann reisten aus St. Gallen an. Aber für das alljährliche Treffen ist auch ihr kein Weg zu weit. | Foto: Christian Breitschmid
Wer bei den Landfrauen frömmlerische Gottesfürchtigkeit erwartet, liegt falsch. Dafür stehen sie und auch ihre Männer zu solide im Hier und Heute. Alle bekennen sich überzeugt zum christlichen Glauben und den darin verankerten Werten, aber deswegen legen sie ihren kritischen Geist nicht vor der Kirchentür ab. Kari Hürzeler fasst es so zusammen: «Als Landwirte haben wir gelernt, dass wir zwar auf vieles Einfluss nehmen können, aber nicht auf alles. Das Wetter müssen wir nehmen, wie es ist. Es braucht immer wieder etwas Gottvertrauen, zum Beispiel, dass es nach einer langen Regenperiode auch wieder trocken wird.»

Gerade die Arbeit draussen, in und mit der Natur, öffnet den Landfrauen immer wieder die Augen für die Grossartigkeit der Schöpfung. Lina bringt es auf den Punkt: «Die Jahreszeiten zeigen uns den Weg. So mit der Natur zu leben, ist wie eine Religion.» Alle nicken zustimmend, als Käthy erzählt, wie für sie das Jäten ein mentaler Akt, eine Art Meditation ist. Kirche ist für Lina da, wo sie guten Menschen begegnet. Aus Dankbarkeit pflegt sie zusammen mit ihrem Peter seit ihrer Trauung ein wichtiges Ritual: «Jeden Abend, vor dem Einschlafen, beten wir zusammen das Vaterunser.»

Das Menu in Kürze

Und für all jene, die seit Jahren die «Landfrauenküche» schauen und sich an den tollen Tellern nicht sattsehen können, sei hier noch das Menu des diesjährigen Landfrauentreffens auf dem Hof Rosacher erwähnt. Antonia Rudin verwöhnte ihre Gäste mit

  • Apéropastetli mit Randen-Knoblauch-Mus und Kürbispasteten aus dem Baselbiät, gefolgt von einem
  • gartenfrischen Herbstsalat, anschliessend
  • Pouletbrüstli aus eigener Produktion, gefüllt mit Kräuterfrischkäse auf Rüebli-Selleriesauce, dazu
  • Kürbisknöpli und pikante Ofen-Tomaten.
  • Zum Dessert dann ein geschichtetes Zwetschgen-Joghurt-Finale und
  • Anisbrötli vom Rosacher zum Kaffee.
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