14.02.2019

Jesus Christus - Gott und Mensch

Von Anne Burgmer

  • In der Serie «Zum Beispiel…» vermittelt Horizonte alltagstaugliche Theologie zu verschiedenen Glaubensbegriffen. Im dritten Teil geht es um Jesus, Gott und Mensch.
  • Wir wissen wenig über ihn. Sein Tod und die Auferstehung werden immer wieder angezweifelt und galten schon zu Zeiten der ersten Christen als Unvernunft.

Mit der Person Jesus ist es ein bisschen wie mit einem 3D-Film und der dazu notwendigen Brille. Schaue ich einen 3D-Film im Kino ohne eine solche, sehe ich ein doppeltes Bild: eines mit rötlicher und eines mit bläulich-grünlicher Färbung. Wenn ich eine spezielle Brille auf die Nase setze, ist das Bild vollständig.

Doppelbilder von Jesus

Bei Jesus von Nazareth, den wir Christen als Sohn Gottes bezeichnen, entsteht das Doppelbild durch verschiedene Faktoren. Die innerchristliche Sicht ist – ähnlich wie bei der Trinität (siehe hier)  – im Prinzip starker Tobak: Wir sagen von Jesus, dass er wahrer Gott und wahrer Mensch ist, und dass diese zwei Aspekte die Person Jesus Christus ausmachen. Zudem gibt es immer wieder Überlegungen darüber, was eigentlich dran ist, an den biblischen Geschichten rund um Jesu Leben, Tod und Auferstehung. Diese Fragen stellen sich Historiker, die sich mit der Antike beschäftigen, ebenso wie Theologen, Gläubige oder Nicht- und Andersgläubige.

Fakten, Fakten, Fakten?

Wer etwas über Jesus von Nazareth erfahren will, schaut in die Bibel. Die sogenannte Synoptiker (die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas), die Apostelgeschichte und die Briefe beschreiben darin das Leben und Wirken des Juden Jesu und den Beginn der urchristlichen Gemeinschaft. Die Erzählungen unterscheiden sich zwar voneinander, gelten aber als historisch durchaus zuverlässig, da Namen und Orte sich durch ausserbiblische Quellen gegenprüfen und bestätigen lassen. Gleichzeitig – das wird oft kritisch bemerkt – ist die Bibel Glaubenszeugnis und verfolgt einen bestimmten Zweck, nämlich die Verbreitung der Frohen Botschaft. Die Texte binden die Ereignisse um Jesu Leben, Wirken, Tod und Auferstehung in einen grossen Heilskontext ein.

Die verschiedenen ausserbiblischen, nichtchristlichen Quellen, die Christen erwähnen, entstanden ebenfalls erst nach Jesu Tod und Auferstehung und sagen mehr über die noch kleine, als merkwürdig wahrgenommene Bewegung der Christen aus, als über die Person Jesu. Der «Minimalkonsens Jesus» lautet: Die Existenz einer Person Jesus gilt als gesichert. Gelebt hat dieser Mann vermutlich von 7 vor bis 31 nach Christus. Als Wanderprediger war er die letzten zwei oder drei Jahre seines Lebens tätig, und sein Tod erfolgte durch Hinrichtung unter dem römischen Präfekten Pontius Pilatus.

Auferstanden von den Toten

Die Hinrichtung am Kreuz und die Auferstehung von den Toten offenbaren die Person Jesus von Nazareth aus christlicher Perspektive endgültig als den, der vom Vater gesandt ist. Der Tod hat keine Macht mehr über jemanden, der im vollkommenen Vertrauen auf Gott lebt. Jesus selber sagte, dass er im Auftrag des Vaters verkündet. Damit der Mensch dessen frohe Botschaft glaubend annehmen kann, musste Gott als Vater menschliche Sprache sprechen. Gott wurde in Jesus Mensch; mit allem Drum und Dran: Geburt, Pubertätsverhalten (einmal bleibt Jesus einfach in Jerusalem und versetzt seine Eltern damit in Angst und Schrecken). Er isst, trinkt und schläft. Er diskutiert, streitet und lernt. Er kennt Zorn und Freude, zum Schluss leidet und blutet er und erlebt den Abgrund des Menschseins.

Doch Jesus ist auch der Christus, das heisst der Gesalbte. Seine Mutter hat laut Bibel «keinen Mann erkannt», sein Stammbaum reicht zurück bis zu König David, seine Geburt steht unter einem besonderen Stern, er kennt sich früh in der Schrift aus. Jesus lehrt und wirkt Wunder, er wendet sich immer und vollständig den Menschen zu und seine Jüngerinnen und Jüngern verstehen ihn als den Erlöser und erwarteten Messias.

Eine Torheit für Nichtchristen

Was für die Anhänger Jesu in Tod und Auferstehung eine Bestätigung erfährt, ist für Nichtchristen damals und heute unverständlich. Schon Paulus schrieb, dass Heiden und Juden die christliche Verkündigung für eine Torheit hielten. Jesus als Prophet und Gelehrter – das gestehen ihm auch andere Überzeugungen oder Weltreligionen wie der Islam zu. Gott, der in einem Menschen lebt, stirbt und aufersteht – undenkbar. Das Unverständnis und die Idee, dieses Ereignis zu durchschauen oder zu widerlegen, halten bis heute an. Erst Ende Januar erschien eine Publikation mit dem Titel«Kein Tod auf Golgatha» vom Historiker Johannes Fried, die das Thema Kreuzestod und Auferstehung kritisch und unter medizinischem Blickwinkel betrachtet und folgendes Szenario entwirft: Obwohl der Tod am Kreuz Tage dauere, sei Jesus bereits nach einigen Stunden als tot vom Kreuz genommen worden. Fried erklärt, durch die Folter habe Jesus eine Verletzung am Lungenfell davontragen können. Flüssigkeit im Brustbereich habe die Lungenflügel zusammengequetscht, die reduzierte Atemfähigkeit zu einem Kohlenmonoxidüberschuss und zur Ohnmacht geführt. Doch der Lanzenstich in die Seite, habe die Flüssigkeit abfliessen lassen; Jesus konnte wieder atmen. Wirklich für tot gehalten, sei der Ohnmächtige nach einigen Tagen wieder zu Bewusstsein gekommen; ein Schreck und eine Gefahr für alle Freunde, immerhin war er ein verurteilter Verbrecher.

Glaube als 3D-Brille

Es flirren also unterschiedliche Aspekte rund um die Person Jesus umher und ähnlich wie beim 3D-Film sieht man erst ein klares Bild, wenn man die richtige Brille zur Hand ist. In diesem Fall heisst sie: Glauben. Wenn ich glaube, dass Gott so ist, wie Jesus Christus ihn uns beschrieben hat, wirkt sich das auf mein Leben aus: Ich brauche nicht mehr aus der Angst um mich zu handeln, sondern kann mich den Mitmenschen zuwenden. Diese Botschaft ist nicht abhängig von Fakten, sie verschwindet nicht aus der Welt, solange sie weitergesagt wird.


DENKANSTOSS

Für mich ist Jesus von Nazareth ein radikal denkender Mensch «seiner Zeit und Gesellschaft». Jesus als Christus handelte radikal menschlich und menschenliebend und bietet Befreiung und das wahrhaft Menschsein-Können an. Die Umschreibung als Gottes Sohn ist für mich Ausdruck für die Einzigartigkeit seiner Beziehung zum jüdisch-christlichen Gott. Dies umfasst für mich die Aspekte aus dem Credo «ist Mensch geworden und hat unter uns gelebt» sowie den göttlichen Anspruch der «Glaubwürdigkeit» seines Predigens, Handelns, Lebens und Sterbens. – Diakon, Region Zurzibiet

Für mich ist Jesus von Nazareth und Jesus als Christus dieselbe Person. Jesus ist Gott, der zum Menschen wurde und für unsere Sünden gekreuzigt wurde. Durch ihn sind wir erlöst. Jesus ist ein Geschenk unseres liebenden, gnädigen, allmächtigen Gottes. – Frau, 24 Jahre

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.