01.06.2017

Katholisch in Regenbogenfarben

Von Marie-Christine Andres Schürch

Der Regenbogen ist das Symbol der Lesben- und Schwulenbewegung. Das Bistum Basel hat den Arbeitskreis «Regenbogenpastoral» geschaffen, der will, dass sich auch homo-, trans- und intersexuelle Katholiken in ihrer Kirche aufgehoben fühlen. Dieses offizielle und klare Zeichen des Bistums sei äusserst wichtig, betont Susanne Andrea Birke im Interview.

Horizonte: Susanne Andrea Birke, letztes Jahr hat Bischof Felix Gmür die Arbeitsgruppe «Regenbogenpastoral» ins Leben gerufen. Woher kam die Initiative dazu?
Susanne Andrea Birke: Die kam von mir. Mir ist es schon lange ein Anliegen, innerkirchlich auf eine Öffnung hinzuwirken. Nicht zuletzt deshalb, weil ich sehr nah miterleben musste, was die Positionen von Freikirchen und dem rechten Flügel innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche für Menschen andernorts bedeuten können. Aber während reformierte Homosexuelle und Trans*personen bereits einen Wandel in ihrer Kirche bewirken konnten, ist der Weg für Römisch-Katholikinnen und -Katholiken leider länger.

Wie wurde das Anliegen vom Bistum aufgenommen?
Als ich 2013 mit entsprechenden säkularen und kirchlichen Gruppen in der Schweiz Kontakt aufnahm, stiess ich auch auf den Dahop (Diözesaner Arbeitskreis Homosexuellenpastoral, Anm. d. Red.) in Innsbruck. Das brachte mich auf die Idee, etwas Ähnliches für das Bistum Basel anzuregen. Ich habe mich sehr gefreut, wie offen das Anliegen aufgenommen wurde.

Braucht es denn für homo-, trans- und intersexuelle Menschen besondere Seelsorge?
Es ist wichtig, hier ein offizielles und klares Zeichen zu setzen, dass das Bistum Basel hinter einer wertschätzenden Seelsorge steht. Mit diesem Schritt des Bistums erhoffe ich mir, dass auch solche, die bisher zwar schon offen, aber nach aussen zurückhaltender waren, sich deutlicher zu zeigen wagen. Gleichzeitig machen auch im Bistum Basel LSBTI (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle, Anm. d. Red.), ihre Angehörigen und Freunde noch verletzende und schwierige Erfahrungen. Der Arbeitskreis soll für sie eine Anlaufstelle sein, wenn Seelsorge nicht wertschätzend ist. Langfristig wünscht sich der Arbeitskreis, dass diese Pastoral eine Selbstverständlichkeit wird. Dazu gehört, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger um die spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen wissen. Darum sind wir auch eine Anlaufstelle für kirchliche Mitarbeitende.

Können Sie Beispiele nennen für solche spezifischen Bedürfnisse?
Es gibt Anliegen, die zumindest teilweise mit der abwertenden Haltung innerhalb der Kirchen zu tun haben. So denke ich, braucht es zum Beispiel Wissen, wie ein Coming Out unterstützend begleitet werden kann – für die Betroffenen selbst, aber auch für die Angehörigen, wenn sie ebenfalls mit Abwertungen konfrontiert sind oder sie verinnerlicht haben. Für Trans*personen kann es bereichernd sein, wenn die Geschlechtsangleichung und die damit verbundene Namensänderung mit einem kirchlichen Segen in einem gemeinschaftlichen Rahmen begleitet werden. Und für Intersexuelle (Menschen, die nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können, Anm. d. Red.) und ihre Angehörigen ist es wichtig, nicht in eine vorgegebene Form gepresst zu werden. Dies sind nur einige Beispiele.

Woher kennt der Arbeitskreis diese Anliegen?
Zum einen ist der Arbeitskreis so zusammengesetzt, dass die Minderheiten selbst vertreten sind, zum anderen waren schon bei der Vorbereitung weitere Personen und Organisationen, wie TGNS (Transgender Network Switzerland) einbezogen. So gehört zum Beispiel auch die Trans-Frau Domenica Priore zum Arbeitskreis. Da die verschiedenen Gruppierungen und Einzelpersonen unterschiedliche Positionen und Bedürfnisse haben, ist es wichtig im Gespräch zu bleiben und uns als Gruppe entsprechend fortzubilden.

Eines der Ziele der Arbeitsgruppe ist, Vorurteile und Diskriminierung abzubauen. Betont die  Schaffung einer Art «Spezialseelsorge» nicht gerade die Unterschiede?
Es geht uns ganz sicher nicht darum, ein «Ghetto» zu schaffen, sondern dafür zu sorgen, dass die Anliegen der Regenbogenpastoral in die Pastoral insgesamt integriert werden. Doch ein solcher Prozess bedarf immer auch spezifischer Fachkräfte, die ihn anleiten. Von daher ist das für mich kein Widerspruch. In der jetzigen Situation haben manche Angehörige diskriminierter Minderheiten ein Bedürfnis nach eigenen Räumen. So wie auch Frauen und Männer – nicht nur, aber auch – ein Bedürfnis nach je eigenen Frauen- und Männerräumen haben. Abgesehen davon gibt es alle möglichen Arten spezifischer Seelsorge, von der Jugendseelsorge bis zur Polizeiseelsorge.

In der Selbstbeschreibung des Arbeitskreises Regenbogenpastoral heisst es: «Wir wollen Leben und Spiritualität von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*personen und Intersexuellen aus einer Perspektive der ganzheitlichen Erfüllung verbinden». Was bedeutet das?
Wir sind ganze Menschen mit Leib und Seele und dazu gehören auch Geschlechtsidentität und Sexualität, ohne Menschen darauf zu reduzieren. Seelsorge sollte nicht nur auf das «Seelenheil» abzielen. Als Mensch ganz zu sein oder es immer mehr zu werden, ohne Teile unserer selbst abspalten zu müssen, darum geht es.

Wie geht das?
Je nachdem, was die Einzelnen mitbringen, kann dieser Weg ganz verschieden aussehen. Manche brauchen vielleicht medizinische Hilfe, um in ihrem Körper ganz zu Hause zu sein, wie manche Trans*menschen. Andere wiederum müssen vor ungewollten verletzenden, körperlichen Eingriffen geschützt werden, wie viele Intersexuelle.

Was hat die Arbeitsgruppe seit der Gründung getan?
Bisher ging es vor allem darum, einander kennen zu lernen und erste Schwerpunkte zu setzen. Wir haben uns noch einmal über Dahop und die dort gemachte Arbeit informiert und uns von einer Intersexuellen ganz direkt von ihren Erfahrungen und ihren Anliegen berichten lassen. Da die Arbeit zum grossen Teil freiwillig geleistet wird, sind die Möglichkeiten des Arbeitskreises beschränkt. Aber wir hoffen doch, etwas bewirken zu können.

Welche Arbeiten packt der Arbeitskreis als nächstes an? Gibt es einen «Fahrplan»?
Das ist noch nicht definitiv entschieden. Auf jeden Fall wird es am 15. Oktober 2017 einen gemeinsamen Pilgerweg für LSBTI geben, zu dessen Abschluss wir einen Gottesdienst der LSBK (Lesbisch-Schwule Basiskirche) in Basel besuchen. Dann wollen wir in die Bistumsregionen gehen, um uns persönlich vorzustellen und zu hören, was die Fragen und Anliegen unserer Kolleginnen und Kollegen sind.

Welche Veränderung wird ein gleichgeschlechtlich Liebender oder eine Transsexuelle in ihrer Pfarrei spüren?
Unsere Vision ist, dass sie sich – egal, wo sie sind – in ihrer Pfarrei als die Personen, die sie sind, angenommen und aufgehoben fühlen.

Sie sagen «Vision». Ist das heute noch nicht so?
In manchen Pfarreien ist das heute schon der Fall. Für andere erhoffe ich mir, dass der Arbeitskreis Mut zu weiteren Schritten machen kann. Wir müssen Formen der Seelsorge anbieten können, die offiziell mitgetragen sind, ohne, dass Sanktionen befürchtet werden müssen – wie das bei der Segnung eines lesbischen Paars 2015 in Bürglen der Fall war. Angesichts der weltkirchlichen Situation wird es hier Kompromisse brauchen. Es wird sicher auch Pfarreien und Menschen geben, mit denen wir ins Gespräch kommen und einen Weg suchen müssen, weil sie andere Überzeugungen vertreten. Dennoch zähle ich darauf, dass wir echte Schritte gehen können.

Wo können sich Betroffene oder Interessierte melden?
Bei den Ansprechpersonen Barbara Kückelmann, Bruno Fluder und mir.

Die Ansprechpersonen des Arbeitskreises Regenbogenpastoral:

Barbara Kückelmann, Pastoralverantwortliche Bistum Basel, T 032 625 58 47

Bruno Fluder, Geschäftsführer der Zwitscherbar in Luzern, T 041 227 83 83

Susanne Andrea Birke, Mitarbeiterin bei Bildung und Propstei, Schwerpunkt Frauen und Gender, T 056 438 09 43

Alle Infos zum Arbeitskreis Regenbogenpastoral finden Sie auf der Webseite des Bistums Basel.

Mit Trans*menschen sind Personen gemeint, bei denen das bei der Geburt aufgrund körperlicher Merkmale zugeschriebene Geschlecht nicht mit der Geschlechtsidentität übereinstimmt. Der Stern steht für alle Varianten des Transseins.

Kommentar

Marie-Christine Andres | Foto: Roger Wehrli
Der Arbeitskreis Regenbogenpastoral arbeitet darauf hin, dass homo-, trans und intersexuelle Katholiken sich «egal, wo sie sind – in ihrer Pfarrei als die Personen, die sie sind, angenommen und aufgehoben fühlen.», wie Susanne Andrea Birke im Interview formuliert. Eine «Vision» nennt sie dieses Ziel. Etwas übertrieben, diese Formulierung, könnte man meinen. So weit weg liegt doch dieses Ziel nun auch wieder nicht. Schwule, Lesben und Transsexuelle sind doch nichts Besonderes mehr, unterschiedliche sexuelle Ausrichtungen sind längst akzeptiert. Das mag für grosse Teile der Gesellschaft stimmen.

Doch innerhalb der katholischen Kirche weht gleichgeschlechtlich Liebenden und Transsexuellen ein rauer Wind entgegen. Eine Freundin, von Kindheit an in der katholischen Kirche verwurzelt, fühlte sich als lesbische Frau immer wieder tief getroffen von Verlautbarungen offizieller Kirchenvertreter. Vor zwei Jahren zog sie die Konsequenzen und trat aus. Ein Bekannter hingegen hat den Austrittsbrief seit Längerem fertig getippt in der Schublade. Noch hat er ihn nicht abgeschickt, zu gross sind trotz allem die Verbundenheit und der Wunsch, in der Kirche aufgehoben zu sein.

Die Vorarbeit zu diesem Interview zeigte mir, dass homosexuelle Katholiken sich sehr vorsichtig äussern, wenn es um ihr Verhältnis zur Kirche geht. Seitens einer offiziellen Lesben-Organisation bekam ich den Bescheid, sie wollten sich erst noch genau absprechen, ehe sie Stellung zum Thema nähmen.

Angenommen sein und sich aufgehoben fühlen sind Voraussetzung, sich unbeschwert zu einem Thema zu äussern. Noch ist dies manch einem gleichgeschlechtlich liebenden Katholiken offenbar nicht möglich. Mit der Schaffung des Arbeitskreises Regenbogenpastoral hat das Bistum einen ersten Schritt hin zu einer Öffnung getan. Ich hoffe, dass weitere Schritte folgen.

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