18.01.2016

Kein Aufbruch für alle

Von Andreas C. Müller

In nur zwei Jahren hat Pfarrer Georges Schwickerath den Pastoralraum «Muri AG und Umgebung» gezimmert. Am 24. Januar 2016 feiert das fünfköpfige Seelsorge-Team mit der Bevölkerung. Kein Anlass zur Freude ist diese Entwicklung für die kirchentreuen Alten. Sie haben ein Stück Beheimatung verloren.

Die Stimmung am Neujahrstag in der frisch renovierten Kirche zu Bünzen ist feierlich: Das ganze Seelsorgeteam samt 14 Ministrierenden zelebriert die Messe: Pater Jerzy Chlopeniuk hat den Lead, Richard Strassmann und der designierte Leiter des künftigen Pastoralraums «Muri AG und Umgebung», Georges Schwickerath, begleiten. Der Neujahrsgottesdienst wird bereits als Pastoralraumgottesdienst gefeiert, zu dem Pastoralassistent Francesco Marra die Menschen aus allen dazugehörigen sechs Pfarreien begrüsst.

Konzentration des Angebots
Man merke schon, dass zu Pastoralraumgottesdiensten mehr Leute in die Kirche kämen, meint Frau M. aus Bünzen nach der Messfeier im Gespräch mit anderen Kirchgängern. «Besonders wenn an Feiertagen nur noch ein oder zwei Gottesdienste im ganzen Pastoralraum stattfinden», ergänzt ein Gottesdienstbesucher. Die Anwesenden haben den Rank gefunden mit den verschiedenen Neuerungen, welche die Restrukturierung des seelsorgerischen Angebots mit sich bringt. Innert zwei Jahren hat Georges Schwickerath den Pastoralraum «Muri AG und Umgebung» aufgebaut. In Bern hatte der ursprünglich aus Luxemburg stammende Seelsorger bereits Pastoralraumprozesse begleitet. In Muri, so der Wunsch von Bischof Felix Gmür, sollte Georges Schwickerath von Beginn weg darauf hinsteuern, die freiämter Pfarreien rund um die berühmte Benediktinerabtei in einem Pastoralraum zusammenzuführen. «Ich begann von Grund auf. Vorgegeben war lediglich die Struktur (Ergänzung der Redaktion: Typ B = Ein Seelsorge-Team kümmert sich um alle Pfarreien), darauf hatte sich mein Vorgänger mit der Bistumsregionalleitung festgelegt», erinnert sich Georges Schwickerath.

Effiziente Umsetzung
Zusammen mit Pater Jerzy Chlopeniuk und drei pastoralen Assistenzmitarbeitenden wird Goerges Schwickerath künftig den Pastoralraum «Muri AG und Umgebung» leiten. Am 24. Januar 2016 wird dieser im Beisein von Bischof Felix feierlich errichtet. Sechs Pfarreien, 11 politische Gemeinden, ungefähr 10 000 Gläubige: Eine Seelsorge-Einheit mittlerer Grösse. Nach Mutschellen, Bremgarten, Lenzburg und Aarau folgt somit mit Muri der fünfte Aargauer Pastoralraum. Zum Vergleich: In Aarau brauchten die Verantwortlichen satte 6 sechs Jahre Vorbereitungszeit – und dies, obschon bedingt durch gewählten «Typ A» den Pfarreien ihre Pfarreileitungen belassen wurden. Dafür umfasst «Region Aarau» allerdings über 20 000 Gläubige. In der deutlich weniger bevölkerungsreichen Region Bremgarten, wo man den Pfarreien ebenfalls ihre Leitungen beliess, dauerte der Reorganisationsprozess zwei Jahre und drei Monate. Schneller als Muri war einzig Lenzburg, das seinen drei Pfarreien umfassenden Seelsorgeverband ohne grössere Einschnitte in einen Pastoralraum überführen konnte. Ergebnis: Feierlicher Projektabschluss nach einem Jahr. Eine derart kurze Anlaufzeit ist allerdings die Ausnahme. Umso mehr überrascht, dass Georges Schwickerath schon nach zwei Jahren die Ergebnisse seiner Arbeit vom Bischof absegnen lassen kann.

Kein demokratischer Prozess
Als Ausgangspunkt fand Georges Schwickerath die Pfarreien Muri, Aristau und Beinwil bereits in einem Seelsorgeverband verknüpft. «Das war mit Sicherheit eine Erleichterung», erinnert sich der gebürtige Luxemburger. Weiter gelang es dem eloquenten Theologen rasch, das Vertrauen seiner wichtigsten Partner, der Kirchenpflegen, zu gewinnen. Unter dem Motto «die Kirche bleibt im Dorf» habe man relativ rasch ein Einvernehmen gefunden, erklärt der designierte Pastoralraumleiter. Auf gross angelegte Hearings und Spurgruppenarbeit hat Georges Schwickerath bei der Umsetzung seines Auftrags verzichtet. «Mir war der effiziente Weg wichtig. In Bern habe ich den demokratischen Weg miterlebt. Eine Entwicklung, die sich über fünf Jahre hingezogen hat», so der ehemalige Banker. Es bestehe die Gefahr, dass irgendwann die Luft draussen sei, wenn sich das Projekt zu lange hinziehe. Und sowieso: «Du kriegst eh nie alle ins Boot.»

Kirchentreue Alte sind die Verlierer
Als Knacknuss erwiesen sich einige «wesentliche Einschnitte», die der designierte Pastoralraumleiter Schwickerath bereits zu Beginn seiner Arbeit in Muri einführte. So gibt es in jeder Pfarrei am Wochenende nur noch einen Gottesdienst – die Zeit variiert. Das Seelsorge-Team wechselt sich in den Pfarreien ab. «Wir haben unterschiedliche Reaktionen erhalten», erklärt Pastoralassistentin Ursula Kloth. «Einerseits haben die meisten Menschen Verständnis und sehen, dass weniger Menschen in die Kirche kommen und wir weniger Seelsorgepersonal haben.» So würden im Pastoralraum auch Chancen im Austausch über mehrere Pfarreien gesehen. Auf der anderen Seite, so die Pastoralassistentin, stünden Senioren, die nicht mehr so flexibel seien und von den Einschnitten stark betroffen sind. In Altersheimen wurden Gottesdienste gestrichen, das Angebot zu den kleinen Hochfesten ebenfalls ausgedünnt. «Das nimmt diesen Menschen ihre Beheimatung und tut weh», weiss Ursula Kloth. Es handle sich zwar bei den Betroffenen um eine Minderheit, doch um Menschen, die sehr kirchentreu seien.

Gegensteuer mit Fahrdienst
Den Kirchgängern am Neujahrstag sind diese Probleme durchaus bewusst. Es gebe noch einige Baustellen, die mit der Übertragung vieler Leitungsaufgaben von den Pfarreien an ein übergeordnetes Pastoralraumteam entstanden seien. So zum Beispiel auch der Bereich Kirchenmusik, wie einer der Anwesenden bemerkt. Dass ältere Menschen im Zuge der Restrukturierung zunehmen keinen Zugang mehr zum aktiv zelebrierten Glaubensleben haben, bewegt auch die Gottesdienstbesucher an jenem Neujahrstag. Sie habe versucht, mit Fahrdiensten in ihrer Pfarrei ein Angebot zu schaffen, so Frau H. Doch Resonanz sei ausgeblieben. Vielleicht müsse man da jetzt einen neuen Anlauf nehmen, glaubt Frau H. Auch Pastoralraumpfarrer Georges Schwickerath ist es ein Anliegen, dass sein betagtes Stammpublikum nicht aussen vor bleibt. Einen Fahrdienst kann auch er sich vorstellen.

 

Gemeinsam feiern – Pastoralraumerrichtung mit Bischof Felix
Geplant ist am Sonntag, 24. Januar 2016 zur feierlichen Errichtung des Pastoralraums «Muri AG und Umgebung» am Morgen ein liturgischer Teil mit Bischof Felix Gmür. Mit von der Partie sind alle Kirchenchöre und Ministranten des Pastoralraums. Die Botschaft: «Wir sind gemeinsam unterwegs.» Anschliessend geht es um Begegnung und Austausch: Im Pfarreisaal Muri wird Risotto für alle aufgetischt.

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