10.01.2019

Kinder gehören zum Gottesdienst dazu

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Es gehört zum Wesen der Liturgie, dass alle mitfeiern. Doch ein Gottesdienstbesuch mit kleinen Kindern bedeutet für Eltern oft Stress.
  • Fachstellenmitarbeitende geben Anregungen, was für Kinder und Eltern im Gottesdienst wichtig ist.
  • Aargauer Pfarreien zeigen Lösungen, um entspannter gemeinsam zu feiern.

 

Erstkommunion in den hinteren Reihen. Das Mädchen macht sich gross, streckt den Hals und steht auf die Zehenspitzen. Durch eine Lücke zwischen den dicht gedrängten Leuten versucht es, einen Blick zu erhaschen. Was passiert da vorne? Kurz entschlossen klettert es auf die Sitzfläche der Bank. Endlich! Über die vielen Köpfe hinweg sieht die Kleine ihren Cousin, der im weissen Gewand am Ambo steht. Aufgeregt stupst sie ihren Vater an. Aus der Reihe vor ihm dreht sich jemand um und guckt böse. Auch im Rücken spürt der Vater die missbilligenden Blicke.

Interessen prallen aufeinander

Heute bietet fast jede Pfarrei in irgendeiner Form Gottesdienste für Kinder an. «Fiire mit de Chliine», «Chinderchile» oder Familienfeiern. Doch wollen die Eltern mit kleinen Kindern einen ganz normalen Gemeindegottesdienst besuchen, ist das oft mit Stress verbunden. Den Kleinen wird nach zehn Minuten langweilig, sie sehen nichts, wollen sich bewegen. Andere Gläubige fühlen sich gestört, denn sie suchen in der Kirche besinnliche Stille und wollen die Liturgie in Ruhe mitfeiern.

«Wir gehören auch dazu!»

Dennoch ist es wichtig, dass kleine Kinder neben den Kinderfeiern auch den Gottesdienst der «Grossen» besuchen dürfen. Christiane Burgert arbeitet auf der Fachstelle Katechese–Medien der Aargauer Landeskirche. Es gehöre zum Wesen der Liturgie, dass alle mitfeiern, betont sie. Dies sei auch im neuen Lehrplan Religionsunterricht und Katechese «LeRUKa»festgehalten: «Eine der sechs Kompetenzen des Lehrplans heisst ‚Katholischen Glauben feiern’. Dabei sollen fünf- bis achtjährige Kinder liturgische Feiern als Ausdruck des Glaubens erleben und mitfeiern. Beim Gemeindegottesdienst spüren die Kinder: Wir gehören auch dazu!»

Willkommenskultur pflegen

Peter Michalik, bei der Fachstelle Bildung und Propstei verantwortlich für den Bereich Partnerschaft – Ehe – Familie, hat die Erfahrung gemacht: «Die Menschen dürstet nach Gemeinschaft, nach Zusammensein, sie wollen dazugehören». Natürlich messe sich eine gute Familienpastoral nicht an der Anzahl Kinder in den Gottesdiensten, doch diejenigen, die dort seien, müssten sich willkommen fühlen. Pfarreien müssten sichtbar machen, dass Kinder einen Platz haben. Und gerade an Festen wie einer Erstkommunion, wo viele Leute im Gottesdienst sitzen, die sonst nicht in der Kirche sind, sei es wichtig, den Familien das Gefühl zu geben, dass sie willkommen sind. «Eine liebevoll gestaltete Kinderecke in der Kirche kann ein wichtiges Signal sein».

Kinderecke nach vorne!

In der Pfarrkirche Muri haben kleine Kinder seit 15 Jahren ihren Platz ganz vorne. Kirchenpflegepräsident Thomas Suter erinnert sich an die Diskussionen, die der Kinderecke vorangingen: «Es gab Bedenken, die Kinder könnten während des Gottesdienstes zu laut spielen oder ständig herumlaufen. Auch wollten einige die Kinderecke lieber hinten in der Kirche, aus Angst, die Kleinen könnten vorne stören». Doch die Lösung mit der Kinderecke direkt beim Tabernakel, wo die Kleinen etwas sehen und das Geschehen am Altar mitverfolgen können, habe sich über die Jahre bewährt. In normalen Gottesdiensten nutzen zwei bis acht Kinder die Spielecke. Auf den vier Tischen liegen Ausmalbilder mit Bezug zum Kirchenjahr. Doch Thomas Suter gibt zu bedenken: «Unsere Pfarrkirche in Muri ist mit fast 800 Plätzen so gross, dass eine Ecke für Kinder ohne grossen Aufwand geschaffen werden konnte». Auch andere Pfarreien haben Kinderecken eingerichtet, etwa Kaisten und Stein. In Schöftland steht hinten im Kirchenraum ein Holzschiff, in dem die Kinder während des Gottesdienstes verweilen können.

Auf die Haltung kommt es an

Christiane Burgert weiss: «Kinder haben feine Antennen und nehmen intuitiv wahr, ob sie im Gottesdienst willkommen sind oder nicht.» Bei Gemeindegottesdiensten mit kleinen Kindern gehörten eine gewisse Unruhe und ein erhöhter Geräuschpegel dazu und erforderten Toleranz und Geduld. Bei Dauergeschrei des Kindes sollten die Begleitpersonen jedoch die Möglichkeit haben, mit dem Kind in einen familienfreundlichen Raum auszuweichen.

Videoübertragung in den Nebenraum

Eine solche Ausweichmöglichkeit bietet die Pfarrei Herz Jesu Lenzburg. Seit einigen Monaten werden die Gemeindegottesdienste vom Wochenende auf einen Bildschirm in den Nebenraum der Kirche übertragen. Eltern, die sich mit ihren Kindern zurückziehen möchten, können so den Gottesdienst weiter verfolgen, während die Kinder spielen. Pastoralraumpfarrer Roland Häfliger ist – trotz technischer Herausforderungen – vom Konzept überzeugt: «Wir schreiben Kinderfreundlichkeit gross und ich finde es wichtig, dass Familien sich bei Bedarf zurückziehen können. Gerade die Predigt ist für Kinder nicht so spannend, die Eltern können nun dank der Videoübertragung trotzdem zuhören.»

Keinen Aktionismus

Die Predigt gehört zu den Liturgiepassagen, welche für kleine Kinder eher langweilig sind. Christiane Burgert als Projektleiterin Katechese für Kleinkinder und ihre Familien nennt Ideen, wie sich Kinder während solcher Sequenzen beschäftigen können (Einige Anregungen finden sich im Text rechts; beim Smartphone ganz unten). Beispielsweise könnten den Kindern vor der Predigt Malunterlage, Stifte und eine Bildvorlage gereicht werden, so dass sie während der Predigt zum Sonntagsevangelium malen können. Wer von den Kindern will, darf das gemalte Bild zur Gabenbereitung nach vorne bringen. Christiane Burgert betont aber auch: «Beim Gemeindegottesdienst für Gross und Klein geht es nicht um Aktionismus und aufwändig gestaltete Elemente. Es sind die kleinen Dinge, mit welchen wir unsere Haltung zum Ausdruck bringen: Wir sind froh, über die Kinder, welche da sind!»

Bewegung in den Gottesdienst bringen

Kinder spüren die Überzeugung in Sprechen und Handeln der Feiernden. Je authentischer die Erwachsenen sind, desto einfacher können die Kinder in das Geheimnis der Feier hineingeführt werden. Christiane Burgert plädiert dafür, die Kinder in die liturgischen Handlungen einzubeziehen. Sei es, dass die Kinder die Prozession mit dem Lektionar zum Ambo begleiten oder in einer kleinen Prozession zur Gabenbereitung Blumen vor dem Altar abstellen dürfen. Auch Peter Michalik findet, dass man von starren liturgischen Formen wegkommen müsse, um den Spagat zwischen Kinderfreundlichkeit und Tradition zu schaffen. Allzu viel in einen Gottesdienst zu packen, hält er nicht für sinnvoll. Denn: «Je länger eine Feier dauert, desto stressiger wird’s für Eltern mit kleinen Kindern».

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