29.04.2016

«Kirche hat mit Heimat und Werten zu tun»

Von Regula Pfeiffer, kath.ch

Er liebe die deutsche Kabarettkultur, sagt Luc Humbel (49), seit Januar Präsident der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz RKZ. Deshalb veranstaltet er Kabarett-Abende im Kulturhaus Odeon in Brugg. Kirche bedeutet für ihn Heimat und seine neue Aufgabe als RKZ-Präsident sei bewältigbar beim Gespräch in seinem Anwaltsbüro.

Das Kulturhaus Odeon sei sein Steckenpferd, sagt Luc Humbel und wirft einen Blick durchs Fenster des Sitzungszimmers seines Anwaltsbüros hinüber zum angebauten rötlichen Nachbarhaus, wo sich der Veranstaltungort befindet. Vor bald zwanzig Jahren, als das Kulturhaus sich einen Platz in der Kleinstadt Brugg suchte, leitete Luc Humbel die Kleinkunstbühne, die auf einem Verein von rund 1000 Mitgliedern beruht. Heute führt er drei bis vier Veranstaltungen pro Jahr selber durch, vom Vertrag bis zur Künstlerbetreuung, wie er sagt. Er sorge dafür, dass so ein Abend im wahrsten Sinn des Wortes gut über die Bühne gehe. «Meine Liebe in der Kleinkunst liegt in der deutschen Kabarett-Kultur», sagt Luc Humbel. «Ich mag es scharfzüngig, pointiert, präzis und auch mahnend.»

Später wird er im Kulturhaus eine junge Frau begrüssen, den Schlüsselbund zücken, die Tür zur Bühne aufsperren und – leicht belustigt – für Fotos auf der Bühne posieren. Danach geht’s über hausinterne Türen wieder zurück ins Anwaltsbüro.

Während Luc Humbel erzählt, lehnt er in seinem Stuhl und dreht sich mal hin mal her. Der Sitzungsraum seines Anwaltsbüros zeigt sich in schlichter Eleganz – was sich auch von den elegant-lockeren dunklen Kleidern des Anwalts sagen lässt. Da ein spiegelnder Tisch mit schwarzen Stühlen, dort zeitgenössische Kunst an der Wand. Vor dem Fenster eine Terrasse aus Holz.

Flüchtlinge und glaubwürdiges Christsein

Luc Humbel überlegt, bevor er spricht, seine Antworten treffen die Fragen exakt und sind kurz, so kurz, dass sie ab und zu eine Nachfrage erfordern. Im Gespräch schaut Luc Humbel selten direkt, sondern öfter von der Seite her zum Gegenüber hin. Fühlt er sich falsch verstanden, stellt er die Dinge umgehend klar. So etwa bei der Frage, ob ihn die Migrations- und Flüchtlingsthematik interessiere. «Ich würde es nicht so formulieren», entgegnet der RKZ-Präsident und setzt zu einer Art Plädoyer an: «Wir sind im wahrsten Sinne betroffen. Es kommt nicht darauf an, ob wir uns dafür interessieren; wir sind gefragt.»

Die Flüchtlingsthematik stehe wortwörtlich vor der Tür. «Der Basler Bischof Felix Gmür hat mal etwas Schönes gesagt: ‘Wenn ein Fremder in die Schweiz kommt, woran merkt er, dass da Christen leben?’», erzählt Humbel und antwortet gleich selbst: «Wo soll ich Nächstenliebe leben, wenn nicht gegenüber dem Fremden, der verloren ist und nicht weiss, wie es weitergeht?» Der RKZ-Präsident ist überzeugt: Will sie glaubwürdig sein, muss sich die Kirche in dieser Frage wahrnehmbar engagieren.

Neue Verantwortung für Präsidenten

Im Aargau hat sie die Thematik vergleichsweise früh aufgenommen, wie Luc Humbel erklärt. Er ist seit 2010 auch Präsident der Katholischen Kirche im Kanton Aargau. Bereits 2011 hat seine Körperschaft dazu aufgerufen, leere Liegenschaften für Flüchtlinge und Asylsuchende zu öffnen.

Die Flüchtlingsfrage und die Rolle der Kirche darin diskutierte die RKZ an ihrer ersten Plenarversammlung unter Luc Humbels Leitung im März. Ja, da sei seine neue Verantwortung als RKZ-Präsident an den Tag gekommen, so Luc Humbel, scheint dem aber nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Wichtiger war für ihn, sich mit Kollegen aus den Kantonalkirchen austauschen und tagespolitische Fragen debattieren zu können. Das habe er schon immer als bereichernd empfunden, seit er in der RKZ mitwirke, sagt Luc Humbel.

An Vereinbarungen mit Bischofskonferenz mitgewirkt

Mit seiner neuen Aufgabe als RKZ-Präsident ist er zufrieden. Die Lust an der Tätigkeit an der RKZ-Spitze sei geblieben, zieht Luc Humbel nach rund 100 Tagen Bilanz. Im letzten Jahr hat er als Vizepräsident intensiv bei den neuen Vereinbarungen mit der Bischofskonferenz mitgewirkt. Wenn er sich so stark engagiere, könne er auch das Präsidium übernehmen, erklärte Luc Humbel im letzten November seinen Entscheid gegenüber kath.ch. Dennoch hatte er Respekt vor dem Umfang der Arbeit, die auf ihn zukommen könnte. «Es ist intensiv, aber dank dem herausragenden Generalsekretariat bewältigbar», ist Luc Humbels Erfahrung nun.

Seine Berufserfahrung ist dem Juristen dabei durchaus von Nutzen. Gerade bei der Umsetzung der Zusammenarbeitsvereinbarung mit der Bischofskonferenz gebe es Reglemente zu machen und Abläufe zu definieren. Das sei ihm alles andere als fremd, so Luc Humbel. Der Anwalt versteht sich aber auch als Fürsprecher für Menschen, die ihrem Anliegen kein Gehör verschaffen können, etwa für Flüchtlinge. Diese Haltung setzt er im Rahmen seines kirchlichen Engagements um.

Katholisch sozialisiert

Auf die Frage, weshalb er sich für die Kirche engagiere, verweist der RKZ-Präsident auf seine katholische Sozialisierung. Der in Zurzach aufgewachsene Aargauer war jahrelang engagierter Scharleiter von Jungwacht und Blauring. In der Kirche amtete er als Ministrant. Während seiner Gymnasialzeit habe er sogar als Siegrist ein Taschengeld verdient, fügt er hinzu und wirkt dabei, als ob ihn diese Aussage selbst überraschte. Als prägend bleibt ihm auch der Umritt in Beromünster (Luzern) in Erinnerung, an dem er sich als Bub mit seiner Mutter beteiligte. Eine solche Selbstverständlichkeit, den Glauben öffentlich zu zeigen, gibt es nach seiner Einschätzung heute selten.

In Luc Humbels Leben gab es eine Phase des «weniger intensiven Dialogs mit der Kirche». Dann kam die Taufe seiner Kinder. Die habe ihn emotional stark berührt. Der Entscheid, dem eigenen Kind nicht nur seine Werte mitzugeben, sondern mit der Taufe auch eine besondere Verantwortung zu übernehmen, ging ihm sehr nahe. Als die Kinder später den Religionsunterricht besuchten, merkte Luc Humbel erneut, wie nahe ihm alles noch war.

Beim gemeinsamen Palmenbinden fühlte er sich in der Pfarrei sofort wieder beheimatet. Das Wort Heimat fällt mehrmals, wenn es um die Rolle der Kirche in seinem Leben geht. Die Kirche habe mit Heimat und Werten zu tun, so Luc Humbel. Auch die Familie ist für ihn Heimat. Seinem inzwischen 19-jährigen Sohn und seiner 17-jährigen Tochter will Luc Humbel einen guten Umgang mit der Schöpfung und dem Gegenüber vermitteln. Das habe viel mit dem christlichen Glauben und dessen Werten zu tun. Weitergeben will er aber auch eine «leicht kritische Haltung zu dem, was auf dem freien Markt und in der Politik abgeht».

Blume erinnert an Schöpfung

«Religion ist die Unterbrechung des Normalen», zitierte Luc Humbel unlängst in einem Interview mit kath.ch einen Theologen. Von dieser Aussage fühle er sich stark abgeholt, bestätigt Luc Humbel. Er erlebe religiöse Erfahrung nicht nur im Gottesdienst – wo man ja zur Unterbrechung gezwungen sei –  sondern auch im Alltag. Sehe er eine schöne Blume im Garten und widme sich ihr eine Weile, werde er sich der Schöpfung bewusst, sagt Luc Humbel.

Wenige Gehminuten von der Anwaltskanzlei liegt die Kirche St. Nikolaus. «Das ist jetzt meine Pfarrei», sagt der Anwalt und setzt sich auf eine Bank vor dem Seiteneingang. «Hier haben meine Kinder vor ein paar Jahren ministriert». Das Engagement der Kinder habe ihm den Zugang zur Pfarrei verschafft. Das sei ihm nach dem Umzug nach Brugg eine Hilfe gewesen. Den Gottesdienst besucht er hier, sofern ihn nicht RKZ- oder kantonalkirchliche Aufgaben daran hindern, etwa Sitzungen oder Anlässe, an denen seine Präsenz erwünscht ist.

Erholung beim alpinen Wandern

Wie erholt sich der vielfach Engagierte? «Ich erlebe meine Familie als erholsam – trotz teilweise intensiven Zeiten», sagt Luc Humbel. Dort tanke er Kraft. Eine Berghütte in den Tessiner Alpen hilft ihm, allein oder mit Familie abzuschalten. Die grösste Erholung finde er in den Bergen, beim alpinen Wandern, wie er sagt. Letztes Jahr wanderte Luc Humbel mit einer Gruppe von Zermatt nach Andermatt, alles «oben durch».

 

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