12.05.2014

Kirchengipfel und Friedenshoffnung

Von Horizonte Aargau

Dass der Streik der israelischen Diplomaten die Vorbereitungen der Papstreise monatelang blockierte, dürfte eines der kleineren Probleme bleiben. Bei seinem zweiten Auslandsbesuch vom 24. bis 26. Mai in Jordanien, den Palästinensergebieten und Israel begibt sich Papst Franziskus in eine der politisch heissesten und kirchlich schwierigsten Regionen der Welt. Die Reise verlangt ihm und seinen Beratern höchstes diplomatisches Geschick und ökumenisches sowie interreligiöses Einfühlungsvermögen ab. Zudem will er seinen bedrängten Gläubigen Solidarität und Rückenstärkung vermitteln.

Zum vierten Mal unternimmt ein Papst eine Reise ins Heilige Land. Alle Päpste seit dem Konzil – sieht man vom 33-Tage-Papst Johannes Paul I. ab – haben die irdische Heimat Jesu besucht. Franziskus hat für seine Visite bewusst den 50. Jahrestag der ersten päpstlichen Nahostreise zum Anlass genommen: Anfang 1964 war der Konzilspapst Paul VI. in Jerusalem mit dem orthodoxen Ehrenoberhaupt Athenagoras zu einem sensationellen Gipfel zusammengetroffen und hatte die seit 1054 getrennten Kirchen wieder ins ökumenische Gespräch gebracht.

Komplizierte Lage
Franziskus folgt fast der gleichen Route wie Paul VI: Amman, Bethlehem, Jerusalem. Freilich ist die Lage diesmal komplizierter als bei früheren Reisen. Da sind die Unruhen in Teilen der arabischen Welt, vor allem der Krieg im Nachbarland Syrien. Da ist der israelisch-palästinensische Friedensprozess, an den sich beim Besuch von Johannes Paul II. im Jahr 2000 noch viele Hoffnungen knüpften, und der heute am Boden liegt. Neu ist, dass der Vatikan jetzt von einem «Staat Palästina» spricht; noch Benedikt XVI. betrat 2009 in Bethlehem die «Palästinenser-Gebiete» und wurde vom «PLO-Vorsitzenden» begrüsst. Die neue Situation verlangt auch vom Papst neue Wege: Franziskus fliegt von Amman direkt nach Bethlehem, was ihm viel Zeit – und eine Begegnung mit israelischem Protokoll an der umstrittenen Jordan-Grenze erspart. Und nach Israel reist Franziskus dann protokollarisch korrekt per Hubschrauber über den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv ein.

Wiederbeleben
Im Mittelpunkt der Reise stehen die Treffen von Franziskus mit dem orthodoxen Ehrenoberhaupt Bartholomaios I. in Jerusalem. Wie ihre Vorgänger vor 50 Jahren unterzeichnen sie eine gemeinsame Erklärung und treffen sich in der Grabeskirche zu einer Gebetsfeier. Die Ökumene spielte bei den beiden letzten Papstreisen in der Region eine auffallend untergeordnete Rolle. Der Papst aus Argentinien will den Enthusiasmus der ersten Stunden nun wiederbeleben. Neben der Ökumene geht es bei der bevorstehenden Papstreise auch um den Kontakt mit Muslimen sowie mit Juden. Zwar betritt Franziskus weder eine Moschee noch eine Synagoge, aber bei seiner grossen Begegnung im jordanischen Königspalast sind neben Politikern auch Muslimführer anwesend. In Jerusalem besucht er den muslimischen Tempelplatz und trifft dort den Gross-Imam, bevor er an die jüdische Klagemauer tritt, die beiden Ober-Rabbiner aufsucht und in der Gedenkstätte Yad Vashem der Opfer des Holocaust gedenkt.

Genug Gesprächsstoff
Politische Fragen dürften vor allem bei den offiziellen Staatsterminen zur Sprache kommen. Mit Jordaniens König Abdullah II. werden es die grossen Fragen der Region, der Krieg in Syrien, seine Folgen für die Nachbarstaaten, die Flüchtlingsströme sein. Noch offen ist, ob Franziskus in Bethlehem neben Präsident Mahmud Abbas auch mit Vertretern der Hamas zusammentrifft, zu der dieser gerade den Schulterschluss sucht. In Jerusalem sind Begegnungen mit Israels scheidendem Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres vorgesehen, sowie mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Nur wenig Zeit bleibt bei dem dichten Programm – die Reise dauert drei Tage, die Vorgänger waren doppelt so lange hier – für die Begegnung mit den einheimischen Christen. Frei zugängliche Open-Air-Messen gibt es in Amman und in Bethlehem, nicht in Jerusalem. Dort steht nur ein Gottesdienst mit Klerikern im engen Abendmahlssaal auf dem Programm. Und Reisen nach Nazareth oder an den See Genezareth mit den biblischen Stätten und den Christengemeinden entfallen völlig.

Die richtigen Worte
Dennoch gehen Beobachter davon aus, dass die Heilig-Land-Reise ohne grössere Missklänge verläuft. Franziskus besucht alle wichtigen Orte, hält sich strikt an das politische Protokoll, trifft die entscheidenden Personen. Man kann erwarten, dass er mit seinen Gesten überzeugt und die richtigen Worte wählt: an die Staatsmänner und Politiker für einen dauerhaften und gerechten Frieden; an Muslime und Juden zum interreligiösen Dialog; und an die Christen zur Ökumene und zur Ermutigung in ihrer schwierigen Situation als Minderheit.

Johannes Schidelko / Kipa

Themen Nachrichten
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.