23.05.2019

Kirchensprache als Herausforderung

Von Anne Burgmer

  • Im Auftrag der Kommission für Kommunikation und Medien der Schweizer Bischöfe wird einmal jährlich eine Kollekte für die Medienarbeit aufgenommen, die zu 90 Prozent an die drei Katholischen Medienzentren in der Schweiz (kath.ch/cath.ch/catt.ch) geht.
  • Horizonte traf sich anlässlich des Mediensonntages am 1. und 2. Juni 2019 mit Sylvia Stam, Redaktionsleiterin von kath.ch, und Laura Jacober, Redaktorin bei Radio Maria Schweiz, zum Gespräch.

 

Ist der Mediensonntag für Ihr Medium relevant und machen sie etwas Spezielles zu diesem Tag?
Laura Jacober:
Zweimal ‚Nein‘. Wir haben die Unterlagen zwar bekommen und der Mediensonntag wird indirekt über unsere Gottesdienstübertragung thematisiert, doch wir erhalten nichts von der aufgenommenen Kollekte.
Sylvia Stam:
Der Mediensonntag ist für uns sehr relevant, weil die Kollekte, die aufgenommen wird, einen Teil unserer Finanzierung ausmacht. Wir sind oft ganz direkt involviert, weil wir Material dafür zusammenstellen. Bis letztes Jahr haben wir beispielsweise die Flyer gestellt. Wir erstellen spezielle Texte zum Mediensonntag und wir waren mit unserem Newsroom auch schon direkt auf dem Plakat sichtbar. Dieses Jahr haben wir einen Fokus gesetzt: Ein Teil der Kollekte geht direkt an das Youtube- Projekt underkath.

Wie viele Menschen arbeiten für Ihre Medien in der Schweiz und wie sind Sie vernetzt?
Laura Jacober:
Wir haben 18 angestellte und 40 ehrenamtliche Mitarbeiter. Innerhalb der Schweiz sind wir mit den Bischöfen, Pfarrämtern und anderen Organisationen aus Landes- oder Freikirchen vernetzt. Regelmässige Zusammenarbeit gibt es auch mit anderen Medien, zum Beispiel der Zeitung «Sonntag», dem Internetportal «Livenet.ch» und Radio «Life Channel». Wir sind Teil des weltweiten Verbandes Radio Maria. Das sind weltweit 78 Radiostudios. Enger vernetzt sind wir im deutschsprachigen Raum, das heisst mit Deutschland, Österreich und Südtirol. Ausserdem mit «Vatican News», von denen wir die täglichen Nachrichten erhalten. Dazu kommt noch EWTN, ein katholisches Fernsehformat, das in den USA gegründet wurde.
Sylvia Stam:
Das Katholische Medienzentrum kath.ch in Zürich ist eines von drei sprachregionalen Zentren – nebst catt.ch Lugano und cath.ch in Lausanne. In Zürich sind insgesamt 16 Personen in unterschiedlichen Pensen und für die gesamte deutschsprachige Schweiz zuständig. International sind wir eng vernetzt mit der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) in Deutschland, Kathpress in Österreich. Diese drei Organisationen haben gemeinsam in Rom ein Büro beauftragt: Das Centrum Informationis Catholicum (CIC) liefert uns alle Nachrichten aus dem Vatikan. Umgekehrt stellen wir den drei Partnern unsere Beiträge zur Verfügung.

Die Kernaufgaben Ihrer Medien sind, soweit man das von aussen sehen kann, durchaus unterschiedliche. Was sind Schwerpunkte Ihrer Berichterstattung?
Sylvia Stam:
Das Medienzentrum leistet mehr als Berichterstattung. Der Medienspiegel beispielsweise ist ein Serviceprodukt. Darüber hinaus führen wir verschiedene Dossiers – zum Beispiel zu den Heiligen der Schweiz. Auch der Radio- und TV-Beauftragte für die Übertragung von Gottesdiensten ist beim katholischen Medienzentrum angestellt, ebenso die Personen, die den Medientipp verfassen.

Das heisst, Berichterstattung ist nur ein kleiner Bereich des Zentrums und der oben genannten Stellen?
Sylvia Stam:
Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben 11 Vollzeitstellen, verteilt auf 16 Personen. Sieben davon arbeiten in der News-Redaktion, sie beanspruchen etwa die Hälfte der Stellenprozente.

Was ist der Kernauftrag von Radio Maria?
Laura Jacober:
Unser Kernauftrag bei Radio Maria ist, die Botschaft der Bibel für die heutige Zeit verständlich zu machen. Es geht also weniger darum, die aktuellsten Kirchennachrichten zu bringen, sondern mehr darum, zu zeigen, wie der Glaube im Alltag helfen kann. Das kann auch mal weniger mit dem Glauben an sich zu tun haben und in Richtung Lebenshilfethemen gehen. Da ist die Bandbreite gross. Gleichzeitig haben wir Gebetssendungen, wo Leute anrufen und ein Gebetsanliegen nennen können Als Nachrichten haben wir zurzeit nur die von «vatican news», die wir zweimal pro Tag übernehmen. Aber wir sind in Verhandlung mit einem Radio, von dem wir weltliche News übernehmen würden.

Interessant ist, dass Radio Maria so viele ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Wie kommen die zum Radio und was für Kompetenzen bringen sie mit?
Laura Jacober:
Wir machen immer wieder Aufrufe. Auch weltweit wird bei Radio Maria der grösste Teil der Arbeit ehrenamtlich gemacht. Freiwillige kommen zum Beispiel aus Berufen, in denen sie mit Finanzen oder Marketing zu tun haben und bei uns entsprechend eingesetzt werden können. Andere lernen wir in verschiedenen Bereichen an. Beispielsweise die Radiomoderatoren: Wir bilden sie aus und dann geht es ab ans Mikrofon.

Wäre das auch ein Modell für das Medienzentrum in Zürich?
Sylvia Stam:
Dass Ehrenamtliche mitarbeiten? Für die News-Redaktion sehe ich das nicht, weil wir von einem journalistischen Ansatz ausgehen. Kernauftrag ist hier die Information über aktuelle Themen in der Religionslandschaft Schweiz. Das erfordert eine journalistisch saubere Recherche. Der Schwerpunkt liegt inhaltlich natürlich auf der katholischen Kirche. Wir berichten aber auch über andere Konfessionen und Religionen. Mit den reformierten Medien pflegen wir eine enge Zusammenarbeit. Sie haben ihre Büroräume auf derselben Etage wie wir. Wir tauschen Artikel aus und sprechen uns bei einzelnen Themen ab, wer jeweils berichtet.

Das heisst, es geht im Newsbereich um die katholische Kirche, aber mit ökumenischer Offenheit?
Sylvia Stam:
Wir sind weit mehr als ökumenisch offen. Aber bei der Auswahl der tagesaktuellen Berichterstattung hat die katholische Kirche für ein katholisches Medienzentrum natürlich Vorrang, dann folgen reformierte, allenfalls noch freikirchliche oder orthodoxe Themen.

Das Medienzentrum macht mehr als Nachrichten. Wo gibt es zum Beispiel Überschneidungen zwischen kath.ch und Radio Maria?
Sylvia Stam:
Vielleicht im Bereich Lebenshilfe, den Laura Jacober eben ansprach.
Laura Jacober: Wir schlagen auch eine Brücke zu rein medizinischen Themen, die erst mal nichts mit dem Glauben zu tun haben und fragen, was hat Gott uns in der Schöpfung geschenkt, was uns helfen könnte.
Sylvia Stam: Da sehe ich mögliche Überschneidungen. Wir könnten zum Beispiel ein Porträt über jemanden machen, der Yoga praktiziert. Allerdings würden wir wohl jemanden mit christlichem Hintergrund wählen, der erklärt, wie er oder sie dazu gekommen ist, und wie man das in die christliche Haltung integrieren kann.

Frau Jacober, sie sprechen von der Übersetzung der der biblischen Botschaft in die heutige Zeit. Wie viel Mission verträgt ein Medium?
Laura Jacober:
Ich finde, man kann Mission auch immer falsch verstehen – wenn es zum Beispiel darum geht, zu sagen, ich rede und mein Gegenüber hat sowieso eine falsche Überzeugung. Im Deutschen ist der Begriff der Mission kaputt, den kann man kaum verwenden. Letztlich hat aber jede Organisation eine Mission im Sinne von Auftrag. Wir machen als spendenbasierte Organisation natürlich Werbung, versuchen aber dezent zu sein. Wir wollen nicht bedrängen, und man kann uns abschalten. Gleichzeitig haben wir – ähnlich wie jemand vom WWF – einen Missionscharakter. Das Herz des WWF-Mitarbeiters brennt vermutlich für den Schutz der Tiere und der Umwelt. Unseres brennt für die biblische Botschaft und Jesus Christus.
Sylvia Stam: Mission im Sinne von Verkündigung liegt ganz klar beim Radio- und Fernsehbeauftragten. Im Bereich der News machen wir keine Verkündigung, da ist unser Hauptauftrag ganz klar Information. Und –da überschneiden wir uns eventuell wieder – Übersetzungsarbeit. Das ist allein schon im Bereich «Kirchensprache» eine grosse Herausforderung. Hier braucht es sehr viel Überlegung, weil wir eine grosse Bandbreite von Usern ansprechen. Wir werden von Theologieprofessoren genauso gelesen wie von einem konfessionslosen Publikum. Wir haben den Anspruch, beiden gerecht zu werden. Einer Unidozentin kann ich nicht einfach etwas Umgangssprachliches vorsetzen – einem Konfessionslosen muss ich verständlich nahebringen, was zum Beispiel ein motu proprio aus Rom ist. Diesen Spagat zu vollziehen ist manchmal eine Zerreissprobe, die wir über die verschiedenen Kanäle zu lösen versuchen. Auf Facebook ist unsere Sprache beispielsweise weniger theologisch.

Wie sieht es mit dem Publikum bei Radio Maria aus?
Laura Jacober:
Es sind etwa drei Viertel katholische Nutzer, das letzte Viertel ist reformiert, freikirchlich oder konfessionslos. Bei den Sendungen ist das Zielpublikum manchmal eindeutig. Wenn es um den Katechismus der katholischen Kirche geht, ist auch der Referent katholisch. Bei den erwähnten Lebenshilfethemen oder Beziehungsthemen spielt die Konfession keine Rolle. Die Referenten stammen dann ausgewogen aus verschiedenen Konfessionen. Und wir haben auch orthodoxe Referenten oder Referenten mit jüdischem Hintergrund.

Wenn ich den Namen Radio Maria höre, habe ich sofort ein sehr römisch-katholisches, eher konservatives Bild im Kopf. Da passt diese Bandbreite erst mal nicht direkt rein.
Laura Jacober:
Radio Maria ist zunächst einmal ein Label. Wir konnten bei dem Namen nicht mitbestimmen. Wir sind einfach in dem Verbund und bis auf wenige Ausnahmen heissen alle Radiostationen des Verbundes so. Das Verständnis von Radio Maria hängt dann davon ab, wen man fragt. In Italien wird es sicher anders verstanden als hier.

Wie werden Ihre Medien in der Schweiz wahrgenommen?
Laura Jacober:
Auch das kommt darauf an, wen man fragt. Für Gewisse sind wir viel zu katholisch oder sogar erzkonservativ. Für andere sind wir viel zu liberal und gar nicht mehr katholisch.
Sylvia Stam: Das ist bei uns auch so. Je nachdem, wen man fragt, werden wir in eine bestimmte Ecke gestellt: Wir seien zu katholisch oder gar nicht katholisch. Die Mehrheit der kritischen Stimmen würde vermutlich sagen, wir seien zu wenig katholisch. Wir stellen allerdings auch fest, dass der Schweizerische Israelitische Gemeindebund oder die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (Fids)thematisch passende Beiträge von kath.ch auf ihrem Facebook-Account teilen. Sie haben wohl weniger Ressourcen für die Berichterstattung über ihre Religion. Wir sind zwar kein interreligiöses Fachportal, werden aber offensichtlich so wahrgenommen. Das finde ich einen schönen Effekt.

Sie nannten die verständliche Sprache und die zeitgemässe Übersetzung als eine Herausforderung. Gibt es weitere Punkte, die schwierig sind?
Laura Jacober:
Die Konflikte in der Kirche, die Missbrauchsthematik – ich höre sogar von meiner Oma, dass sie sagt, sie traue sich kaum mehr zu sagen, dass sie katholisch ist, wenn man schon wieder von einem Missbrauch liest. Wir sind in dem Konflikt drin, es ist sehr schlimm und man wird damit in einen Topf geworfen.
Sylvia Stam: Die Krise setzt einem in doppelter Hinsicht zu. Einmal, weil das Thema einem nahe geht. Und dann die pure Menge an Meldungen. Es gab Tage, da kamen von der KNA im Stundentakt Meldungen zum Thema Missbrauch herein – Kardinal Pell in Australien, Fälle aus Chile, die Berichte aus Deutschland und Pennsylvania … Das ist happig. Ich kann mich an einen Tag erinnern, wo ich im Team erleichtert sagte: Jetzt hatte ich tatsächlich eine Stunde keine Missbrauchsmeldung auf der Startseite. Einerseits stehen wir als Medium in der Pflicht, über das Thema zu berichten, andererseits werden wir genau deswegen angegriffen.

Wie geht es Ihnen als Medienfrauen in einem kirchlichen Medium und persönlich mit der Kirche?
Sylvia Stam:
Einerseits ist die Kirche mein Arbeitgeber. Wir sind kirchensteuerfinanziert. Gleichzeitig ist die Kirche der Hauptgegenstand unserer Berichterstattung. Das heisst, ich brauche eine professionelle Haltung und muss mit einer gewissen Distanz berichterstatten. Persönlich ist das anders. Da ist die Kirche ein Ort der Beheimatung, aber auch ein Ort, an dem ich mich stosse – mir ist es als Redaktorin von kath.ch wichtig, dass ich in der katholischen Kirche verwurzelt bin, auch wenn das keine Voraussetzung für unsere Arbeit ist. Doch mir hilft die katholische Sozialisation einerseits, bestimmte Dinge besser zu verstehen, und andererseits, andere Fragen zu stellen als jemand, der nicht in der Kirche oder im Glauben beheimatet ist.
Laura Jacober: Man erlebt immer wieder hässliche Geschichten und bekommt Feedbacks, in denen sich Leute überhaupt nicht katholisch oder christlich verhalten. Wir sagen, ein bisschen als Witz, dass wir so versuchen Radio zu machen, dass Jesus nicht direkt an der Studiotür wieder kehrt machen und zur Konkurrenz gehen würde. Wenn ein Gast zu uns kommt, ist er willkommen. Das fängt beim reservierten Parkplatz an. Diese Haltung hat Auswirkungen auf unsere Arbeit. Privat habe ich durch die Arbeit eine grössere Offenheit gewonnen, als ich sie vielleicht hätte, wenn ich nur in meiner Kirchgemeinde unterwegs wäre.

Themen Medial Schweiz
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.