01.04.2014

Kleine Feier mit grosser Wirkung

Von Horizonte Aargau

Einmal im Monat verschwinden im Gemeindegottesdienst in Möhlin kleine Kinder. Schwupps, sind sie fort! Aus der Kirche hinausgeschlüpft landen sie in einer anderen Welt, einer Welt voller Geschichten und Bilder, Musik und Farbe. «Sonntagsfenster» heisst die Feier für Kinder von null bis fünf Jahren.

Nach der allgemeinen Begrüssung und einem Lied begleiten Ministranten die Kinder in einer kleinen Prozession zu einem separaten Raum, wo sie unter Anleitung einer ehrenamtlichen Müttercrew ihre eigene Feier erleben – orientiert am Sonntagsevangelium. Nach dem Kommuniongang holen die Minis die Kinder zurück. Das «Fenster» in Gottes wundersame Welt schliesst sich wieder und die Kleinen feiern den Abschluss des Gottesdienstes gemeinsam mit den Erwachsenen.

Bunte Mischungen
Das Sonntagsfenster in Möhlin ist eines von vielen Angeboten für kleine Kinder im Kirchenaargau. Ein Blick über die Aargauer Pfarreien zeigt eine bunte Mischung aus «Krabbelgottesdiensten», «Chinderfiire» oder «Fiire mit de Chliine», die mal sonntags, mal unter der Woche, in Kirchen, im Wald oder in Pfarreizentren gefeiert werden. «Es gibt viele wunderbare Angebote und es stecken viele Menschen dahinter, die sich mit Herzblut einsetzen», sagt Caroline Küng. Die Religionspädagogin leitet zusammen mit ihrem Mann die Fricktaler Pfarrei Wittnau und engagiert sich seit vielen Jahren für die Kleinkinderfeiern. «Auch für ganz kleine Kinder ist es schön, gemeinsam zu singen und zu beten und zu erfahren, dass eine grössere Kraft existiert und wir Menschen nicht allein sind.» Eine Lebenshilfe soll der Glaube den Kindern sein. Dabei geht es nicht darum, nur in Krisensituationen zu beten, sondern rund ums Jahr zusammen zu sein, zu staunen und zu danken – einfach das Leben in all seinen Facetten zu feiern.
 

Reformierte Unterstützung
Weil bei der reformierten Landeskirche die Kleinkinderfeiern ein Teil des religionspädagogischen Konzepts sind, gibt es auf reformierter Seite ein gutes Angebot an Beratung und Bildung. Jutta Bossard führt die Projektstelle PH1 / KiK (Kinder in der Kirche) im Auftrag der reformierten Landeskirche. Zu ihren Hauptaufgaben gehören Kursangebote und Ideenbörsen für freiwillige Mitarbeitende im Bereich Kinder im Vorschulalter mit ihren Bezugspersonen. Gut ein Drittel der Teilnehmer in ihren Kursen ist jeweils katholisch. Ein Blick in die Pfarreien zeigt, dass etwa drei Viertel aller Gruppen im Aargau das Angebot für die Kleinsten ökumenisch gestalten. Die Katholiken stützen sich auf die Strukturen der reformierten Mitchristen, denn auf katholischer Seite liegt die Verantwortung im Vorschulbereich bei den einzelnen Pfarreien. Ob also Kleinkinderfeiern angeboten werden, ist abhängig vom Interesse und Engagement der Seelsorgenden vor Ort. Die Familienpastoral ist innerhalb der katholischen Kirche im Aargau nicht durch eine Person besetzt. Bei konkreten Gelegenheiten arbeiten die Fachstelle Katechese-Medien und andere Stellen mit den Reformierten auch im Vorschulbereich zusammen und sind dankbar, dass die reformierte Kirche das Angebot «Fiire mit de Chline» für katholische Interessierte offen hält. 

Keine Kontrollinstanz, sondern Begleitung
Caroline Küng gibt Kurse für Frauen – nur selten ist ein Mann dabei – die in der Kinderliturgie mitgestalten und sieht immer wieder, mit wie viel Elan und Ideen die Menschen an der Basis arbeiten. Im Gespräch mit Kursteilnehmerinnen erlebt sie aber auch oft, dass diese Frauengruppen wenig bis gar nicht getragen werden von den Seelsorgeteams oder Kirchgemeinden, dass sie wenig Wertschätzung und finanzielle Unterstützung erfahren und dass diese Arbeit und das Feiern mit den Kleinsten nicht gross gewichtet werden. Caroline Küng ist überzeugt: «Es ist ganz wichtig, dass diese Teams von Seiten der Pfarrei begleitet werden, gerade auch in der Vorbereitung. Pfarrer oder Pastoralassistentinnen sollen dabei keine Kontrollinstanzen sein, sondern Impulse geben und die Verbindung der Kleinkinderfeiern zum sonstigen Pfarreileben schaffen.» 

Fragen stellen
Jutta Bossard gestaltet selber auch Kleinkinderfeiern mit und ist seit 16 Jahren Hauptverantwortliche für das ökumenische Angebot der «Chinderchile» in Erlinsbach. Die ökumenische Zusammenarbeit funktioniere an der Basis sehr gut, sagt sie. Und das Miteinander von katholisch und reformiert im Vorschulbereich sei auch ein Gewinn: «Den Familien mit einem katholischen und einem reformierten Elternteil fällt es so leichter, eine Kleinkinderfeier zu besuchen.» Für manche Eltern ist der Besuch einer solchen Feier der erste Schritt auf dem Weg zurück zur Kirche. Auch Caroline Küng hat diese Erfahrung gemacht: «Oft ist der Auslöser für den Gottesdienstbesuch, dass ein Kind im Alter von drei, vier Jahren beginnt Fragen zu stellen.» Für Jutta Bossard sind Eltern, Grosseltern oder Paten wichtiger Bestandteil der Kleinkinderfeiern. «Es ist uns wichtig, auch die Erwachsenen zu stärken und ihnen – etwa mit einem Liedblatt, einem Gebet, einem Segen – Anregungen für den Umgang mit religiösen Themen auch zu Hause zu geben.» 

Aufbauende Wirkung
Die Feiern für die Kleinsten dauern meistens etwa eine halbe Stunde, fester Bestandteil ist eine Geschichte, meist basteln oder zeichnen die Kinder etwas zum Thema. Jutta Bossard plädiert dafür, dass eine Kleinkinderfeier grundlegend die gleichen liturgischen Bausteine aufweist wie ein Gottesdienst für Erwachsene. «Besuchen die Kinder später einen Gottesdienst, gibt ihnen die bekannte Struktur Sicherheit und Halt.» Die 60-jährige zweifache Mutter und Grossmutter weiss, wie wichtig das Feiern mit den Kleinsten ist: «In diesen Feiern wird der Samen für eine tragfähige Beziehung zu Gott und der Kirche gelegt.» Kleinkinderfeiern haben im besten Sinne aufbauende Wirkung. Oder, wie Jutta Bossard auf einem Flyer formuliert: «Das Fiire mit de Chliine ist ein Gewinn für Kinder, Eltern und Kirchgemeinden.» So erlebt Caroline Küng, selbst vierfache Mutter, dass es immer wieder Mütter gibt, die sich, nachdem die Kinder aus dem Kleinkindalter herausgewachsen sind, in einer anderen kirchlichen Gruppe einsetzen, zum Beispiel im Frauenbund oder im Pfarreirat. 

Verbundenheit
Caroline Küng findet in ihren Kursen neben der Wissensvermittlung vor allem den Austausch wichtig. «In den Kursen erkläre ich, wie eine Kleinkinderfeier aufgebaut sein kann, welche Lieder und Geschichten geeignet sind.» Wertvoll für die Teilnehmerinnen ist der Austausch mit den anderen. Wo und wann feiert ihr? Wie können und dürfen wir Werbung für unsere Feier machen? Wie findet ihr Leute, die bereit sind, sich zu engagieren? Caroline Küng freut sich darüber, dass es immer wieder junge Frauen gibt, die den Kindern ihren Glauben weitergeben wollen. Und es tut gut zu sehen, dass die Botschaft bei den Kleinen ankommt: «Es ist eine Freude, mitzuerleben, dass zusammen mit den Kleinsten im Gebet grosse Verbundenheit mit Gott und den Menschen erfahrbar wird.»

Marie-Christine Andres

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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