23.01.2018

Kloster Fahr feiert 888. Geburtstag

Von Andreas C. Müller

  • Bundesrätin Doris Leuthard lobt das Kloster Fahr als Vorbild und erklärt, was die Schweiz von der Schwesterngemeinschaft lernen kann.
  • Priorin Irene Gassmann kündigte das Erscheinen eines neuen Buches über das Kloster Fahr an: «Ein Zeitzeugnis über ein Leben, das es in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben wird.»

 

Sie sei gern gekommen, erklärte Bundesrätin Doris Leuthard am vergangenen Montagabend vor 280 geladenen Gästen im Kloster Fahr und meinte: «Während bei Unternehmen eine 100-Jahr-Feier bereits eine stattliche Zahl ist, feiern wir beim Kloster Fahr ganze 888 Jahre.» «Ihr konntet ja nicht noch 12 Jahre warten bis zum 900. Jubiläumsjahr», neckte Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln, zu dem das Fahr gehört. Und er hatte in der bis auf den letzten Platz gefüllten Klosterkirche die Lacher auf seiner Seite.

Bundesrätin anstelle einer nicht existierenden Kardinalin

Für einmal vermochten die Anwesenden fast der wunderschönen Barockkirche den Glamour-Faktor streitig zu machen. Neben Bischof Felix Gmür und Abt Urban Federer – unter anderem in Begleitung von alt Abt Martin Werlen, fanden sich unter den geladenen Gästen der Aargauer Regierungsrat Markus Dieth, sein Zürcher Ratskollege Thomas Heiniger, Luc Humbel als Präsident der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau und der Vereinigung der staatskirchlich-rechtlichen Körperschaften RKZ, Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes SKF, Hildegard Aepli, Initiantin des Pilgerprojekts «Für eine Kirche mit den Frauen» sowie die Gemeinderäte von Würenlos und Unterengstringen in Corpore.

Man solle ihr verzeihen, wenn sie nicht alle Anwesenden namentlich begrüssen könne, sondern nur einzelne nenne, betonte Priorin Irene Gassmann in ihrer Eröffnungsrede den illustren Charakter der geladenen Festgemeinschaft und zeigte sich stolz angesichts des breiten Beziehungsnetzes, das rund um das Kloster besteht.

Es sei ihr wichtig gewesen, für die Festansprache eine Frau zu gewinnen, lebten doch seit nunmehr 100 Jahren Frauen hier im Fahr, erklärte die Klostervorsteherin, um dann mit der ihr eigenen charmanten Schärfe anzufügen: «Da es ja in der katholischen Kirche noch keine Bischöfinnen gibt und auch keine weiblichen Kardinäle, sind wir in die Politik gegangen und haben mutig an oberster Stelle angefragt.»

«Eine Oase des einfachen Lebens»

Gefeiert wurde die «besondere Schnapszahl», wie es Priorin Irene Gassmann nannte, im Rahmen einer Vesper – dem kirchlichen Abendgebet. Gesungen wurden Lieder von Silja Walter, dazu Musikstücke vorgetragen von Elisabeth Schöniger an der Blockflöte und Judith Gander-Brem an der Orgel.

In Anlehnung an den verlesenen Kolosserbrief würdigte Abt Urban Federer das Kloster Fahr: «Wie sind nicht hier, weil das Kloster unsere Autorität braucht, obwohl es von Autoritäten viele hier hat. Wir lieben das Kloster und seine Schwesterngemeinschaft als Ort der Bildung, als Oase des einfachen Lebensstils, des rhythmisierten Lebens und der Gottsuche.

Fahr lehrt, warum die Schweiz sich nicht abschotten soll

Sowohl der Abt als auch Priorin Irene Gassmann knüpften in ihren Ansprachen auch die Verbindung zur Acht als der Zahl der Erneuerung. Wie dieser Neuanfang genau aussehen sollte, vermochten indessen beide nicht genauer zu sagen. «Wir wissen nicht, was kommt. Das macht uns aber stark», meinte Priorin Irene lakonisch.

Weshalb das Kloster Fahr über Jahrhunderte hinweg so faszinierend sei, fragte Bundesrätin Doris Leuthard, um gleich selbst mehrere Antworten zu geben und anhand dieser Parallelen zur Politik abzuleiten. Erstens sei es ein Kraftort, wo viele Menschen Stille und Einkehr fänden. Zweitens, weil sich das Kloster – umgeben von Andersartigkeit – besonders behaupten musste. Das Kloster und die Benediktinerinnen hätten sich behauptet, weil sie «mit der Welt zusammengearbeitet» und trotzdem sich selbst treu geblieben seien.

«Politik darf nicht zur Talkshow verkommen»

Was man daraus lernen könne, lautete die zweite rhetorische Frage der Bundesrätin. Erstens: Man könne sich selber treu bleiben, auch wenn man mit anderen zusammenarbeite. Zweitens: .«Sich abschotten lohnt sich nicht. Wir sollten unseren Nachbarn nicht die Türe vor der Nase zuschlagen oder die EU zum Feind der Schweiz hochstilisieren.» Und drittens: «Wir Schweizer ticken vielleicht anders, aber damit sind wir trotzdem zu weltmeisterlichen Höchstleistungen fähig.»

«Wir zelebrieren wortreich den verbalen Kleinkrieg um 70 Franken AHV oder einen Franken pro Tag für Radio und Fernsehen. Vom wirklich Wichtigen lassen wir tunlichst die Finger», gab sich die CVP-Bundesrätin selbstkritisch und ergänzte: «Die Politik darf nicht zur Talkshow verkommen.» Der Glaube – egal welcher – könne dahingehend Leitplanke sein.

Geschenke: Eine Rose und ein neues Buch

Beim anschliessenden Apéro nahm sich die Magistratin Zeit, mit jeder einzelnen Schwester kurz zu sprechen, Als Geschenk mitgebracht hatte Doris Leuthard die nach ihr benannte «Doris-Rose»: Diese sei widerstandsfähig – wie das Kloster, das sich über Jahrhunderte hinweg in reformiertem Gebiet am Rande der lärmigen Stadt behauptet habe. «Und sie hat Dornen. Ich bin sicher, Sie wissen diese am richtigen Ort einzusetzen, meinte die Bundesrätin augenzwinkernd in Richtung Priorin Irene Gassmann.

Sich selbst bereiten die Fahrer Schwestern zum Jubiläum ebenfalls ein Geschenk. «Wir haben unsere Lebens- und Berufungsgeschichten erzählt und aufschreiben lassen und uns von der Fotokamera begleiten lassen», erklärte Priorin Irene Gassmann. Daraus entstanden sei das Buch «Ora et labora». Es erscheint am 1. September 2018. Zudem werde es ab diesem Zeitpunkt im Kloster Fahr eine Plakatausstellung mit den Fotografien aus dem Buch geben. Der gegenwärtige Anlass verwies somit bereits auf einen nächsten. Die geladenen Gäste nahmen die Ankündigung mit Freuden auf und genossen den Apéro: Benediktinisch, einfach und nährend.

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