16.05.2016

Konfrontation mit den religiösen Wurzeln

Von Fabrice Müller

An Pfingsten öffnet das Lassalle-Haus in Edlibach ZG nach einer einjährigen Renovation seine Türen. Seit bald einem Jahr arbeitet Elke Casacuberta (49) aus Muri als Bildungsmanagerin für das Bildungszentrum der Jesuiten.

Frau Casacuberta, wie kommt eine langjährige Fachleiterin der Migros Klubschule dazu, Bildungsmanagerin bei den Jesuiten im Lassalle-Haus zu werden?
Elke Casacuberta:
Schon seit Längerem begleitete mich der Wunsch, etwas Neues zu machen. Es sollte aber weiterhin mit Bildung zu tun haben. Sie ist meine grosse Leidenschaft. Ich wünschte mir eine Institution, wo der Mensch noch mehr im Vordergrund steht, weniger die Diplome. Nachdem ich gleich von zwei Seiten auf die ausgeschriebene Stelle als Bildungsmanagerin im Lassalle-Haus angesprochen wurde, war das für mich ein Zeichen. Ich setzte mich mit dieser Institution auseinander und bewarb mich um die Stelle.

Was reizte Sie denn zu diesem Schritt, weg von der grössten Bildungsinstitution der Schweiz hin zum Bildungshaus der Jesuiten?
Zu Beginn wusste ich noch wenig über den Jesuitenorden. Je mehr ich mich mit ihm beschäftigte, umso mehr interessierte er mich. Ich fühlte mich zum Beispiel vom Anspruch der Jesuiten, den armen Seelen zu helfen, angesprochen. Das passt zu meiner sozialen Ader. Ich wollte diese Leute im Lassalle-Haus näher kennen lernen. Als spannend erlebe ich auch die Ausstrahlungskraft über die Landesgrenzen hinaus. Für mich öffnen sich hier neue Türen und Dimensionen.

Sie arbeiten seit dem 1. Juli 2015 als neue Bildungsmanagerin im Lassalle-Haus. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?
Von Beginn an fiel mir auf, dass hier alles etwas ruhiger zu- und hergeht. Dieses Eintauchen in diese ruhige Atmosphäre schätze ich sehr. Zu Beginn von Sitzungen beispielsweise verharren wir stets zwei bis drei Minuten in der Stille. Dann tauschen wir uns kurz aus, bevor wir mit der Sitzung starten. Ich wurde Schritt für Schritt in meine Arbeit eingeführt. Seit zwei Monaten leite ich zudem den Bildungsbereich als Nachfolgerin des Jesuiten Bruno Brantschen, der sich mehr inhaltlich im Lassalle-Haus engagieren möchte.

Haben Sie auch schon selber einen Kurs im Lassalle-Haus besucht?
Ja, erst kürzlich nahm ich am Einführungskurs in die Zen-Meditation teil. Das war für mich ein eindrückliches Erlebnis. Zum einen, weil es mein erster Meditationskurs war; zum andern, weil ich mit dem zweitägigen Schweigeritual Neuland betrat. Bisher stellte ich mir längeres Schweigen als schwierig vor. Doch es entpuppte sich als ein sehr schönes Erlebnis. Am Anfang war das lange Meditieren für mich ebenfalls ungewohnt. Nach 25 Minuten wurde ich kribbelig und unruhig. Gegen Ende des Kurses aber genoss ich diese innere Ruhe, die sich in mir breit machte.

Was sind Ihre Aufgaben als Bildungsmanagerin bei den Jesuiten?
Ich bin für die Organisation und Planung der Kurse und vier Lehrgänge verantwortlich. Drei dieser spirituellen Lehrgänge finden in Zusammenarbeit mit Universitäten statt. Weiter konzipiere ich Kursangebote neu. So bieten wir ab Herbst den Kurs „Auszeit zur rechten Zeit“ an. Zusammen mit den Kursleitern erstelle ich die Konzepte für die Kurse und Lehrgänge. Ich organisiere die internen Abläufe und Strukturen. In der Bildungskommission der Jesuiten nehmen wir die Grobplanung der Kurse vor. Ich kümmere mich anschliessend um die Details.

Was sind die Besonderheiten des Lassalle-Hauses?
Das Lassalle-Haus ist ein Zentrum für Spiritualität, Dialog und Verantwortung. Sie bilden die Basis für die vier spirituellen Übungswege Zen, Exerzitien, Kontemplation und Yoga. Dass die meisten Kurse hauptsächlich im Schweigen stattfinden, ist eine weitere Besonderheit, die uns wohl von anderen Institutionen unterscheidet.

Welchen Stellenwert haben Religion und Glauben in Ihrem Leben?
Ich wurde von meinen Eltern katholisch erzogen. Die Schülermesse am Mittwochmorgen um sieben Uhr und die Sonntagsmesse waren Pflicht. Ich war Mitglied im Kirchenchor. Auch wenn ich mich im Teenageralter aus diesem religiösen Korsett löste, war und ist der Glaube ein fester Bestandteil in meinem Leben. Ich bete jeden Tag und habe meine beiden Söhne (18 und 20) im katholischen Glauben erzogen.

Wie hat sich Ihre Beziehung zum Glauben durch die Arbeit im Lassalle-Haus verändert?
Im Lassalle-Haus werde ich wieder mehr mit dem Glauben und meinen religiösen Wurzeln konfrontiert. Die Kirche ist nach wie vor ein wichtiger Ort, ein spiritueller Rückzugsort für mich. Eine schöne Erfahrung war für mich zum Beispiel ein Sonntagsgottesdienst in der roten Kapelle im Lassalle-Haus, der sehr schlicht und persönlich gestaltet war. Viele Gedanken zu meinem Glauben gingen mir da durch den Kopf.

Das Lassalle-Haus ist ein Haus mit einem grossen Namen, der auch einschüchtern und eine Hemmschwelle für manche Leute bedeuten kann. Sehen Sie das auch so?
Das kann ich gut nachvollziehen. Als ich neu ins Lassalle-Haus kam, war für mich ebenfalls vieles neu und unbekannt. Zum Beispiel die schwarz gekleideten Menschen, die schweigend durch Haus und Garten schreiten. Um mit unseren Kursausschreibungen neue Personen auf das Lassalle-Haus aufmerksam zu machen, arbeite ich unter anderem an der Mitformulierung der Ausschreibungstexte.

 

Das Lassalle-Haus in Kürze

Als katholische Institution, die Christentum, Buddhismus und andere Religionen unter einem Dach vereint und lebt, übernehmen die Jesuiten im Lassalle-Haus in der Schweiz bewusst eine Pionierrolle. Der Jesuit und Zen-Meister Niklaus Brantschen positionierte zusammen mit Pia Gyger die Bildungsstätte Bad Schönbrunn 1993 zu Ehren von Hugo Enomiya Lassalle als Lassalle-Haus und setzte neue Schwerpunkte in den Bereichen Spiritualität, Dialog und Verantwortung. Das heutige Programm greift diese drei Schwerpunkte in gegen 22 000 Kurstagen auf. Als Zentrum für Spiritualität vermittelt es die traditionsreichen Wege der Mystik: Zen, Exerzitien, Kontemplation, Yoga, Sufismus, Kabbala. Neu startet das Lassalle-Haus im September den Lehrgang «Spirtual Care». Dieser richtet sich an Personen aus Berufen wie Medizin, Pflege, Seelsorge, Psychotherapie oder soziale Arbeit. Das Miteinander verschiedener Kulturen und Religionen widerspiegelt sich auch in der Architektur des Gebäudes, das der Zürcher Architekt André M. Studer 1968 anstelle des alten Kurhauses nach der harmonikalen Bauweise in das Quellgebiet hinein komponierte.

www.lassalle-haus.org

 

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