10.08.2017

Langfinger im Gotteshaus

Von Andreas C. Müller

Diebe machen auch vor Kirchen nicht Halt. Im letzten Jahr wurden 20 Fälle der Polizei gemeldet. Oft sind der damit verbundene Aufwand und Schaden grösser als der Wert des Diebesguts.

Plastikkübel rein, Giesskanne raus. Nicht schlecht staunte man im September vor einem Jahr in der katholischen Kirche in Stein, als ein Dieb eine Ziergiesskanne mitlaufen liess, die als Requisit für den Blumenschmuck diente. Anstatt die darin stehenden Blumen einfach auf den Boden zu legen, nahm der Dieb einen Plastikkübel mit und stellte die Blumen hinein.

Stein: E-Piano gestohlen

Wesentlich teurer war der Diebstahl eines E-Pianos aus der Kirche vor zwei bis drei Jahren, wie Olaf Berlenbach, Präsident der Kirchenpflege Stein, berichtet. Das Instrument hatte einen Wert von rund 1 600 Franken. «Wir haben den Diebstahl bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Der oder die Täter konnten bis jetzt aber nicht ermittelt werden», so Olaf Berlenbach. «Seit diesem Diebstahl sind das neue Instrument wie auch die Lautsprecherboxen in einem separaten Raum verschlossen.»

Schon etwas länger zurück liegt der Versuch, das Münz aus der Kerzenkasse in Stein mit Klebebandstreifen herauszuholen. Doch auch dieser Trick funktioniert mittlerweile nicht mehr. Die Kasse und das Schloss wurden zusätzlich gesichert. Die Mitarbeiterinnen des Pfarreibüros leeren die Kasse täglich. Letztes Jahr wurde an der Orgel zudem der Spiegel abgeschraubt sowie das Zepter der Marienfigur abgenommen und zerbrochen.

Regionen Aarau-Lenzburg und Freiamt besonders betroffen

Diebstähle in Gotteshäusern gehören nicht zu den Dauerbrennern, mit denen sich die Kantonspolizei beschäftigt. Wie Roland Pfister, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau, informiert, wurden letztes Jahr im Kanton 20 Diebstahldelikte in Kirchen zur Anzeige gebracht. Dieses Jahr sind es derzeit vier Fälle, die der Polizei gemeldet wurden.

Genaue Angaben zu den Örtlichkeiten macht die Kantonspolizei nicht. «Die Fälle ereigneten sich in verschiedenen Bezirken des Kantons. Die meisten verzeichneten wir in den letzten beiden Jahren in der Region Aarau-Lenzburg sowie im Freiamt», berichtet Roland Pfister. Betroffen waren Kapellen, Pfarrämter, Kirchen sowie Kirchgemeindehäuser. Dabei kam es zu einfachen Diebstählen, zu Einschleich- und Einbruchsdiebstählen.

Geplündert wurden hierbei meist Opferstock-Kassenbehältnisse. «Die Täterschaft erbeutete Bargeld, Mobiltelefone oder andere Wertsachen. Oftmals blieb es auch beim Versuch», sagt Roland Pfister. Das Vorhaben wird in einem solchen Fall ohne Erfolg wieder abgebrochen. Zurück bleibt Sachschaden. Dies war zum Beispiel in Frick der Fall, als im Frühling 2015 Unbekannte versuchten, zwei Opferstöcke aufzubrechen. Rund drei Monate zuvor brachen Unbekannte in die Sakristei ein – auch dort mit wenig Erfolg. Dafür war der Sachschaden gross.

Aarau: Schaden in keinem Verhältnis zum Diebesgut

Pech hatte ein 54-jähriger Arbeitsloser, als er beim versuchten Einbruch im Abholmarkt «LeShop» in Staufen von der Polizei erwischt wurde. Ihm konnte dank seiner DNA unter anderem auch ein Diebstahlversuch am Opferstock in der katholischen Kirche in Aarau nachgewiesen werden. Das Bezirksgericht Aarau verurteilte ihn 2015 zu elf Monaten Gefängnis – unbedingt, denn der Mann war bereits vorbestraft.

«Wir stellten in den letzten Jahren hin und wieder versuchte Diebstähle an Opferstöcken fest», berichtet Martin Fricker, Kommunikationsverantwortlicher des Pastoralraumes Region Aarau. Die Nähe der Kirche zum Bahnhof sei für Kriminaltouristen wohl verlockend, meint er.

Als die Kirche vor etwa 15 Jahren umgebaut wurde, liess man gleichzeitig auch die beiden Opferstöcke erneuern und verstärken. Seitdem sei es zu keinen erfolgreichen Diebstählen mehr gekommen. Die Kassen würden zudem regelmässig geleert. «Oft steht der Schaden eines Diebstahlversuchs in keinem Verhältnis zum Diebesgut», betont Martin Fricker. Abgesehen von den zwei Opferstöcken gebe es in Aarau kaum materiell Wertvolles zu holen. Die übrigen Gegenstände hätten vor allem einen ideellen Wert.

Zofingen: Kondolenzkarten mit Geldspenden entwendet

Was weiss man über die Täter, die in Kirchen Diebstähle verüben? «Bei den letzten ermittelten Tätern handelte es sich um einen Mann aus Frankreich, der wohl zur Tatausübung anreiste sowie um ein Einbrecherduo aus der Balkanregion», informiert Polizei-Mediensprecher Roland Pfister. Manche zeigen sich dabei von einer besonders dreisten Seite und entwenden sogar die Kondolenzkarten einer Beerdigungsfeier – wie im Fall von Zofingen vor vier Jahren geschehen. Einige der Kuverts enthielten Geldspenden für die Kinderkrebshilfe.

Die Tatsache, dass vor allem die katholischen Kirchen tagsüber offen sind, wird laut Roland Pfister von den Tätern ausgenützt. In seltenen Fällen sind laut Frank Worbs vom Informationsdienst der Reformierten Landeskirche Aargau auch reformierte Kirchen von Diebstählen oder Sachbeschädigungen betroffen. «Da in den reformierten Kirchen meist wenige Kultgegenstände stehen, besteht vor allem die Gefahr von Vandalismus.

Glücklicherweise sind solche Vorkommnisse sehr selten.» Zwei Drittel der reformierten Kirchen im Aargau sind regelmässig geöffnet. Die Gefahr von Diebstählen oder Sachbeschädigungen sieht Frank Worbs vor allem bei abgelegenen Kirchen, wo die soziale Kontrolle fehlt.

Schliessung kein Thema

Wie beurteilt Markus Huppenbauer, Direktor des Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Zürich, das Phänomen von Diebstählen in Gotteshäusern? «Diese Menschen haben offenbar keine Skrupel, in Kirchen zu stehlen. Für tief religiöse Menschen wäre eine solche Tat wohl mit einer Hemmschwelle verbunden. Die Kirche scheint den Tätern demnach als heiliger Ort nichts zu bedeuten.» Dass es sich bei den Dieben um Kirchengegner handelt, glaubt Markus Huppenbauer nicht: «Sonst würden sie wohl bewusst mit Sachbeschädigungen, beziehungsweise Vandalismus ihre Spuren hinterlassen.» Wegen Diebstählen oder Sachbeschädigungen die Kirchen nicht mehr zu öffnen, käme für Martin Huppenbauer einer Preisgabe eines wichtigen Aspekts der religiösen Kultur gleich.

Für die betroffenen Kirchen ist die Schliessung der Gotteshäuser kein Thema. «Wir wollen die Kirche offen halten und nicht jene bestrafen, die zum Beten in die Kirche kommen und sich korrekt verhalten», sagt Olaf Berlenbach aus Stein.

Ähnlich tönt es aus Aarau. Martin Fricker plädiert dafür, wachsam zu sein und regelmässig ein Auge in den Kirchenraum zu werfen. Schliesslich schlagen die Diebe meist dann zu, wenn die Kirchen wenig frequentiert sind. Roland Pfister empfiehlt, die Opferkassen regelmässig zu leeren und möglichst wenig Bargeld in der Pfarrei aufzubewahren.

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