21.04.2022

Bei der Organspende stellen sich ethische Fragen – eine Tagung in Zug gab Antworten
Leben, Tod und die Organspende

Von Franz Lustenberger, Pfarreiblatt Zug

  • Das Forum Kirche und Wirtschaft der Katholischen Kirche Zug lud am Samstag, 17. April, zur Diskussion über die Organspende ein.
  • Fachleute vertieften die ethischen Fragen rund um Leben, Tod, Körper und Seele.

«Herz im Tausch gegen Niere» – so einfach geht das in der Spitalwirklichkeit bei Organspenden natürlich nicht. Herz gegen Niere ist aber mehr als ein Gedankenspiel. Frank Mathwig, Professor für Ethik an der Universität Bern und Mitglied der Nationalen Ethikkommission, ruft zum Perspektivwechsel auf: «Was wäre, wenn ich morgen ein Herz oder eine Niere brauchen würde.» Auch Franz Immer, Direktor der Stiftung Swisstransplant, weist darauf hin: «Wir alle können auf der Warteliste für ein Organ landen.» 

Missverhältnis zwischen Spendebereitschaft und gespendeten Organen

Dazu Zahlen zur Organspende in der Schweiz: Auf der Warteliste für ein Organ standen im Jahre 2020 insgesamt 1’457 Personen, Transplantationen wurden 519 vorgenommen. Auf eine Million Verstorbene kommen 20 Personen, die ein Organ zur Verfügung stellen. Diese tiefe Zahl steht in einem Missverhältnis zur Bereitschaft zu einer Organspende, wie sie in Umfragen erhoben wird. 

Format «wichtig und richtig»

Das Forum Kirche und Wirtschaft der Katholischen Kirche Zug hat zusammen mit der Katholischen Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung der Schweiz KAB und dem Institut für Sozialethik ethik22 das Format «wichtig und richtig» geschaffen. Es bietet Grundlagen und sozialethische Orientierung und vermittelt so Hintergrundwissen zu gesellschaftlichen Themen.

Wer entscheidet über meine Organe?

Es sind verschiedenste Perspektiven auf das Thema möglich. Zuerst einmal geht es um die Frage des Todes: Wann ist ein Mensch tot, und damit verbunden die Frage, wann dürfen Organe entnommen werden? Die Antwort fällt nicht einfach aus; die menschliche Hülle des Körpers zerfällt mit dem Tod, verschwindet damit aber auch die Seele? Hans Niggeli, Theologe und Klinikseelsorger im Kanton Aargau, formuliert es so: «In den Organen ist das bisherige Leben mit all seinen Erfahrungen gespeichert.» Lebe ich also bei einer Organspende in einer anderen Person weiter?

Für Frank Mathwig bedeutet daher, über den Tod nachdenken, immer auch übers Leben nachdenken. Als Theologe und Ethiker ist ihm der Schutz der Persönlichkeit, also das Grundrecht auf körperliche Integrität ganz wichtig. Er braucht dazu das Bild der Haut, die Grenze zwischen der einzelnen Person und der Aussenwelt. Der Staat habe keinen willkürlichen Zugriff auf den Menschen, von aussen auf das Innere des Menschen. Auf der anderen Seite hat der Mensch die Möglichkeit sich nach aussen zu öffnen. Solidarität von Mensch zu Mensch sei immer freiwillig und könne nicht vom Gesetzgeber erzwungen werden.

Kein Recht auf ein fremdes Organ

Auch wenn gemäss Statistik von 1’457 Personen auf der Warteliste deren 72 während dieser Zeit des Wartens verstorben sind, betont auch Corine Mouton Dorey, Professorin für Biomedizin an der Universität Zürich, die Freiwilligkeit der Spende: «Es gibt keinen Rechtsanspruch, ein Organ zu erhalten.» Frank Mathwig plädiert daher für mehr Information zu Organspenden: «Wir alle sollen ein Bewusstsein für die Not von Menschen entwickeln, die auf ein Organ angewiesen sind.» Dazu gehöre insbesondere, dass die moderne Medizin, insbesondere die Transplantationsmedizin, in der Bevölkerung noch stärker Vertrauen schaffe.

Der Direktor von Swisstransplant, Franz Immer, widerspricht nicht, er verweist aber auf die klaren Regelungen in der Schweizer Ärzteschaft sowie die sorgsame Praxis in den Intensivstationen und die Gespräche mit Angehörigen. «Die Ärztinnen und Ärzte wissen, es geht bei uns immer um Tod und Leben.»

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