10.05.2018

Lebendiges Nachbarschaftshaus in Suhr

Von Anne Burgmer

  • Genau zum Nachbarschaftstag 2017 startete die Zwischennutzung des ehemaligen Pfarrhauses in Suhr als Nachbarschaftshaus. Die Zwischennutzung ist mittlerweile bis Herbst verlängert.
  • Das Projekt Nachbarschaftshaus läuft im Rahmen der Quartierentwicklung Suhr und zeigt, wie sich das Zusammenleben von Menschen verändern kann.
  • Kurz vor dem 1-Jahr-Jubiläum sprach Horizonte mit der Projektleiterin Annemarie Humm über das Projekt.

Frau Humm, die Zeit für die Zwischennutzung des ehemaligen Pfarrhauses als Nachbarschaftshaus wurde bis in den Herbst 2018 verlängert. Was meinen Sie dazu?
Annemarie Humm:
Darüber sind wir froh. Wir hören immer wieder von leeren Objekten und wir haben verschiedene Ideen im Hinterkopf. Doch die Gefahr ist, dass wir kein Haus mehr finden, in dem alle Platz haben.

Wie sind die Reaktionen der Menschen im Quartier, wenn es darum geht, dass irgendwann Schluss ist mit dem Nachbarschaftshaus in dieser Form?
Da ist grosses Bedauern. Vor allem auch um den Garten. Die Freifläche, die von Familien und Kindern gerne genutzt wurde. Es ist nicht so, dass Angst da wäre, nichts Neues zu finden, doch um die Freifläche gibt es grosses Bedauern.

Wo werden diese Angebote unterkommen, wenn die Zwischennutzung beendet ist?
Einzelne Angebote, wie das RepairCafe, werden sicher weitergeführt. Doch die Frage ist auch, wo. Vielleicht wird das nicht mehr im Quartier sein können.

Wie viele Menschen nutzen denn das Nachbarschaftshaus?
In einer Woche im Durchschnitt zirka 30 bis 50 Leute. Und zwar aus allen Generationen. Es ist ein grosses Haus und es ist auch gefragt für Familienfeste. Wir sind immer gut ausgebucht und grade an Weihnachten müssen wir sogar manchen absagen. Es gibt den Bedarf nach einem Ort, wo man mit rund 30 Personen ein Fest feiern kann. Man wohnt nicht mehr so grosszügig und da ist das Nachbarschaftshaus ideal.

Gibt es eine Kerngrupp, die immer da ist? Wer ist das?
Wir haben gleich zu Beginn des Projektes eine Betriebsgruppe gegründet. Das sind Delegierte aus den unterschiedlichen Angeboten. Wir treffen uns regelmässig. Den Alltag im Haus organisieren sie dann selbständig und überlegen Ideen auch für andere Veranstaltung. Am Neighboursday haben wir zum Beispiel unser 1-jähriges Jubiläum und da wird jetzt schon angedacht, was möglich ist.

Das Nachbarschaftshaus ist ja ein Projekt im Rahmen der Quartierentwicklung Suhr und wird verantwortet von der Ortsgemeinde Suhr und der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW. Gab es eigentlich Vorbilder?
Nein, in der Schweiz keine konkreten. Und was wir in Suhr machen, ist schon etwas Spezielles, weil es eine gemeinwohlorientierte Zwischennutzung ist. Wir haben uns das mit der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW vorher überlegt: Wer das Nachbarschaftshaus nutzt, muss auch etwas an die Nachbarschaft geben. Eine kostenlose Beratung, eine Abendbar, einen Spielnachmittag im Freien oder ein Musikkonzert. So wächst die Nachbarschaft kontinuierlich.

Hat das Nachbarschaftshaus selber inzwischen Vorbildcharakter?
Ja, durchaus. Es gibt Anfragen aus der Region, zum Beispiel von Quartiervereinen. Und Olivia Conrad, die ihre Masterarbeit über das Nachbarschaftshaus geschrieben hat, arbeitet ja jetzt auf der neugeschaffenen Diakonie-Fachstelle der römisch-katholischen Landeskirche Aargau. Sie kann so weitertragen, was sie hier erlebt hat und die Kirchen vor Ort darin beraten, was sie mit leerstehenden Gebäuden machen könnte.

Was sind denn die konkreten Auswirkungen des Projekts auf das Leben im Quartier?
Ich denke, dass sich Menschen plötzlich in einem neuen Kontext begegnet sind und daraus ganz neue Angebote entstanden sind. Aus dem Garten, in dem sich Familien begegneten, entstanden beispielsweise ein Kinderflohmarkt, eine Kleiderbörse und die Buchbar – ein Büchertauschprojekt. Jeder und Jede kann dabei seine Fähigkeiten einbringen. Eine ist gut im Layouten von Flyern, einer gut im Backen. Die Menschen haben gemerkt, dass sie keine Einzelkämpfer sind und gemeinsam etwas auf die Beine stellen können.

Was war die überraschendste Herausforderung beim Projekt?
Eine Überraschung war sicherlich, dass das Haus so schnell voll war. Wir mussten die Organisation und Vermietungspraxis rasch klären. Das hat uns natürlich Wunder genommen, ob man da personelle Ressourcen braucht oder das allein mit den Freiwilligen geht und wenn ja, welche Unterstützung die dann brauchen. Und womit wir auch nicht gerechnet habe, ist, dass wir jetzt ein neues Team für ein Angebot, die NachBar, brauchen, weil die betreffenden Menschen umziehen. Wir hatten ja nicht damit gerechnet, dass wir so lange hier bleiben können.

 

Zusätzliche Informationen

Jubiläumsfest
Am Freitag, 25. Mai feiert das Projekt Nachbarschaftshaus einjähriges Jubiläum. Es ist ein öffentliches Fest für die Menschen aus dem Dorf. Als besonderes Bonbon gibt es um 21.30 Uhr eine Lesung der Autorin Ina Haller, die selber im Quartier wohnt und verschiedene Aargau-Krimis geschrieben hat. www.quartierentwicklungsuhr.ch

Nachbarschaftstag
Der Nachbarschaftstag wird weltweit gefeiert. Hier finden Sie Informationen dazu.

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