09.01.2017

Lichtspektakel, Gratiszeitung und ein Truck auf Europatournee

Von kath.ch/acm

Zürich eröffnete an diesem Wochenende die Reformationsfeierlichkeiten für die Deutschschweiz. Unter den Gästen beim offiziellen Auftakt befanden sich neben Bundesrat Johann Schneider-Ammann auch der Präsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Gottfried Locher, Generalvikar Josef Annen, Zürichs Stadtpräsidentin Corine Mauch und der Abt von Einsiedeln, Urban Federer.

Den Auftakt zu den Feiern in der Deutschschweiz bildete ein zweitägiges Happening in der Halle des Hauptbahnhofs Zürich. Zahlreiche «Tischgespräche» fanden in der Bahnhofhalle statt. Für das Publikum gastierte zudem der Reformationstruck geöffnet, der durch ganz Europa tourt. Weiter wurde am Freitag und Samstag eine Zeitung gedruckt und an Schaulustige verteilt. Am Abend erleuchtete das Lichtspektakel «Schattenwurf Zwingli» von Gerry Hofstetter die Limmatstadt.

Kritisches vom Bundesrat

Bundesrat Schneider-Ammann, Luther habe nicht nur den «Ablass-Markt» der katholischen Kirche zerstört. Er wollte den Menschen unmittelbarer zu Gott führen und habe dabei auf das menschliche Gewissen gebaut. Der Reformator habe so den modernen Individualismus begründet. Die individuelle Verantwortung drohe aber auf der Strecke zu bleiben. Zu viele Menschen seien heute versucht, diese dem Vergnügen zu opfern oder an höhere Autoritäten zu veräussern. In Zeiten des Umbruchs wie damals vor 500 Jahren, oder «wie wir sie heute erleben», müsse der Mensch diesen Versuchungen widerstehen können.

Abt Federers Aufruf zum Dialog

«Für mich ist das Gedenken an die Reformation vor allem der Aufruf zu Dialog. Was von Anfang an zwischen Katholiken und Reformierten schief lief, war, dass es keinen Dialog gab. Beide Seiten hatten von Anfang Feindbilder», erklärte der Abt von Einsiedeln, Urban Federer, am Rand des Eröffnungsanlasses gegenüber kath.ch.

Umverteilung von Aufgaben und Gütern

Die katholische Kirche musste in Zürich zurzeit der Reformation einiges einstecken. Als einen der «grossen gesellschaftlichen Brüche» der Reformationszeit nannte die Stadtpräsidentin Zürichs, Corine Mauch, die Abschaffung des Zölibats und die Aufhebung der Klöster. Durch deren Aufhebung sei die Stadt gezwungen worden, sich der Sorge um die Armen selber anzunehmen. Zur Finanzierung des «Armenwesens» sei der Besitz der Klöster verwendet worden.

Einen anderen weiblichen Aspekt auf die Reformatoren hob die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr hervor, indem sie auf den aus dem Aargau eingewanderten Reformator Heinrich Bullinger verwies. Ob das Frauenbild, das er vertrat, das Einverständnis seiner reformatorischen Mitstreiter hatte, sagte Fehr nicht. Bullinger jedenfalls hätte die Frau mit einem Pferd verglichen, das man nicht zu stark beladen soll und das am besten zuhause bleibt.

Das Frauenbild der Reformatoren gehörte mit zu den Schattenseiten der Reformation, so Fehr. Die Reformation habe jedoch eine «Lerngeschichte» angestossen, die zu einem kritischen Denken und zu einem Veränderungswillen führte. Es sei darum kein Zufall, dass in Zürich die «renommierte technisch-wissenschaftliche Hochschule», die ETH, stehe.

Wiederholung unter neuen Vorzeichen

Jacqueline Fehr bezeichnete das Jubiläum als Chance. In Zeiten, in denen «Kreationisten» an die Macht drängten, sei es wichtig, das Geschichtsbewusstsein zu stärken. Viele Menschen seien heute genauso verunsichert wie Luthers Zeitgenossen, erklärte auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Heute gelte es darum, gegen «Obskurantismus, Technologie- und Wissenschaftspessimismus und Antiliberalismus» anzugehen.

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