02.09.2019

Schweizer Radio und Fernsehen: Verenatag live

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Zehn Gottesdienste pro Jahr überträgt das Schweizer Radio und Fernsehen SRF live am Bildschirm und am Radio.
  • Am letzten Sonntag, 1. September, kam die Live-Übertragung aus dem Verenamünster in Bad Zurzach, wo die Pfarrei den Festgottesdienst zum Gedenktag ihrer Heiligen feierte.
  • Kameras, Kabel, Scheinwerfer und Schminke: Horizonte war bei der Hauptprobe der aufwendigen Produktion dabei.

 

Die Sendung kann nur hier beginnen: Am Ort, wo alles begann. In der Krypta des Verenamünsters soll die heilige Verena vor 1700 Jahren begraben worden sein. Am Vortag zum Festgottesdienst zum Gedenken an die Heilige Verena spricht hier, dicht am Grab der Zurzacher Heiligen, Produzentin Christine Stark ihre Anmoderation in die Kamera. Sie erklärt den Radiohörerinnen und Fernsehzuschauern, dass Verena eine koptische Christin aus Nordafrika war, die sich mit Kamm und Krug um Alte und Kranke kümmerte.

«Ich habe den Arm vergessen!»

Plötzlich bricht die Moderatorin ab: «Ich habe den Arm vergessen!» Die in der Krypta versammelten Pfarreimitglieder, welche die Aufzeichnung miterleben, wissen, was gemeint ist. Christine Stark möchte in ihrer Anmoderation auf die wertvolle Armreliquie der Heiligen hinweisen, die im Münsterschatz aufbewahrt ist. Diese Reliquie wird in der Live-Sendung vom folgenden Morgen ebenfalls zu sehen sein.

Vereinbarung seit vierzig Jahren

Noch drei, vier Mal gibt die Aufnahmeleiterin das Startzeichen für die Moderation, ehe die Szene vollständig und versprecherfrei im Kasten ist. Damit hat Christine Stark den anstrengendsten Teil ihrer Arbeit hinter sich. Eine volle Arbeitswoche hat sie für Drehbuch, Rekognoszieren, Pressetexte und die Produktion vor Ort eingesetzt.

Die reformierte Theologien ist als Produzentin für den Inhalt der Sendung verantwortlich. Sie arbeitet in einem 60-Prozent-Pensum für die Übertragung der TV-Gottesdienste und für das «Wort zum Sonntag» beim Schweizer Fernsehen SRF. Seit den 1970er-Jahren gibt es bezüglich der Gottesdienstübertragungen, Radiopredigten und dem Wort zum Sonntag eine Vereinbarung zwischen SRF und den kirchlichen Mediendiensten. Von katholischer Seite amtet der Kapuziner Bruno Fäh als Radio- und Fernsehbeauftragter.

Bis zu 40’000 Zuschauer

Die Medienbeauftragten machen der Redaktion Vorschläge, aus welchen Pfarreien die Gottesdienste gesendet werden könnten. Orte und Termine werden dann etwa eineinhalb bis zwei Jahre im Voraus festgelegt. Jährlich sendet SRF vier katholische und vier reformierte Gottesdienste live, dazu eine christkatholische Feier sowie einen Gottesdienst einer anderen, jeweils wechselnden Religion. Laut Angaben des katholischen Medienzentrums kath.ch werden Live-Übertragungen von 130´000 bis 140´000 Hörern am Radio sowie von 30’000 bis 40’000 Zuschauern am Fernseher konsumiert. Besonders stark vertreten sei dabei die Gruppe der über 60-Jährigen.

Das Fernsehen braucht Platz

Der katholische Medienbeauftragte Bruno Fäh attestiert dem Fernsehen grosse Sorgfalt beim Produzieren der Gottesdienst-Übertragungen. Er selber funktioniert als Verbindungsmann zwischen Pfarrei und Fernsehen und muss dafür besorgt sein, Fernsehen und Kirche in Einklang zu bringen. Denn um einen katholischen Gottesdienst fernsehtauglich zu machen, braucht es einige Anpassungen. Vor allem brauchen Kameras, Kabel und Scheinwerfer in einer Kirche viel Platz. Für die Sendung aus dem Verenamünster mussten deshalb die Stühle im Seitenschiff weggeräumt werden. Deshalb haben weniger Gottesdienstbesucherinnen und –besucher im Münster Platz. Norbert Buchmeier, Koordinator seitens der Kirchenpflege erklärt jedoch, dass eine lokale Firma die Direktübertragung der Feier in die Obere Kirche gleich neben dem Münster organisiere. So können alle den Verenatag mitfeiern.

«Es muss immer etwas laufen»

Gewohnte Abläufe der Liturgie müssen an Fernsehbedingungen angepasst werden: «Im Fernsehen und Radio muss immer etwas laufen», sagt Bruno Fäh. «Das widerspricht dem Verständnis einer besinnlichen Feier, zu der auch stille Momente gehören.» Auch müssen manche Rituale wie die Purifikation, also das Auswaschen des Kelches, das lange dauert und fürs Bild nicht viel hergibt, weggelassen oder auf später verschoben werden.

Der Kardinal bleibt gelassen

Die Gebete und die Predigt müssen Wort für Wort so gelesen werden, wie im Drehbuch vorgesehen, damit der Zeitplan nicht durcheinander gerät. Die Predigt zum Verenatag hält Kardinal Kurt Koch. Er bleibt gelassen: «Das ist Fernsehen», bemerkt er vor der Hauptprobe trocken, als er im hell erleuchteten Altarraum steht, unter ihm Kabel und Klebeband, über ihm Scheinwerfer.

«Kein rosiges Verhältnis»

Licht- und Tontechniker, Kameraleute, eine Aufnahmeleiterin, eine Regisseurin, die Produzentin und die Visagistin wuseln kurz vor Beginn der Hauptprobe am Samstagabend durchs Verenamünster. Der Gottesdienst wird vollständig gefeiert und gefilmt, im Anschluss gibt es eine Besprechung, bei der letzte Anpassungen festgelegt werden. Der Aufwand für die 60-minütige Live-Sendung ist gross. Daniel Vonplon, der technische Projektleiter, zögert: «Ich kann den Gesamtaufwand ausrechnen, aber das wird kein rosiges Verhältnis geben». Seine Überschlagsrechnung zeigt, dass vom Rekognoszieren über den Materialtransport und den Auf- und –abbau zwischen 400 und 500 Arbeitsstunden zusammenkommen. Dazurechnen müsste man die Stunden, welche die Mitarbeitenden der Pfarrei St. Verena, sowohl die amtlichen wie die ehrenamtlichen, eingesetzt haben.

Wo alles begann

Und gestern Sonntag dann galt es ernst: Schweinwerfer leuchteten auf, Kameras brachten sich in Position. Der Chorleiter hob seine Hände, die Schweizergardisten fassten ihre Hellebarden, die Ministrantinnen banden ihre Gürtel. Und Christine Stark begrüsste die Zuschauer an jenem Ort, wo vor 1700 Jahren alles begann.

 

Hier finden Sie die Sendung vom 1. September vom Gottesdienst aus dem Verenamünster

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