07.08.2013

Menschen statt Dogmen

Von Horizonte Aargau

Abt Martin Werlen, Einsiedeln, wurde letzthin untersagt, sich zum Thema der Liberalisierungen der Ladenöffnungszeiten zu äussern. Kein Bischof solle das, lediglich die Komission Justita et Pax. Simon Spengler, Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) und ehemaliger Boulevard-Journalist, sprach im Interview über Kommunikationshürden innerhalb der SBK, was die Bischöfe vom Boulevard-Blatt «Blick» lernen können, und welche Botschaften bei der SBK im Vordergrund stehen müssten.

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Herr Spengler, wie wird die SBK in der Öffentlichkeit wahrgenommen?
Simon Spengler: Sie wird zu wenig wahrgenommen. Das ist ein grosses Problem. Die Bischöfe sind sich unter sich nicht einig, wie stark die SBK als geeintes Gremium nach aussen kommunizieren soll oder nicht. Für einige steht die Autonomie als Diözesanbischof im Zentrum. Die SBK soll in ihren Augen nur ein Koordinationsgremium sein, kein Leitungsorgan. Die Innensicht und die Erwartungen der Öffentlichkeit der SBK gegenüber klaffen da weit auseinander.

Das würde ja Ihre Aufgabe überflüssig machen.
Es macht mir meine Aufgabe jedenfalls nicht leicht. Ginge es nach mir, müsste die Bischofskonferenz in der Öffentlichkeit ein anderes Gewicht haben. Natürlich sollte sie sich auch vom Anspruch lösen, immer die absolute Wahrheit verkünden zu wollen. Wenn ein Bischof davon ausgeht, alle seine Worte seien in Ewigkeit gültig, wird es schwierig.

Warum aber schreiben Sie nicht einfach drei Medienmitteilungen pro Woche?
Weil der Absender das nicht wünscht. Es ist nicht wichtig, was ich persönlich denke, sondern, was die Bischöfe wollen. Man kann sie nicht zwingen zu kommunizieren. Einzelne, wie Abt Martin Werlen, Bischof Charles Morerod in der Romandie oder Markus Büchel sind zwar aktiv. Aber die Bischofskonferenz als Ganzes tritt kaum auf.

Wüssten Sie als ehemaliger «Blick»-Journalist nicht am besten, was die Medien und die Öffentlichkeit wollen?
Offensichtlich nicht, sonst sähe die Bilanz nach drei Jahren nicht so durchzogen aus. Ich gebe mein Bestes, aber es gibt eben auch institutionelle und persönliche Hindernisse, die man nicht einfach aus dem Weg räumen kann. Damit muss man umgehen.

Welche Hindernisse sind das?
Viele Kirchenvertreter haben nach wie vor eine furchtbare Scheu vor den Medien. Sie sind von der Einwegkommunikation am Sonntag auf der Kanzel geprägt: Sie predigen, die anderen hören zu. Dass Medien kritisch über sie berichten, passt nicht ins Konzept. Ich glaube, uns als Kirche fehlt noch immer ein Verständnis für die Funktion einer kritischen Öffentlichkeit. Und das Bewusstsein diese Kritik als Chance zu sehen, um sich zu verbessern.

Wie viel «Blick» steckt in der SBK?
Zu wenig. Der «Blick» muss sich jeden Tag neu darum bemühen, seine Botschaft so zu formulieren, dass die Leute das Blatt kaufen. Dieses Bewusstsein muss die SBK noch entwickeln.

Was hat die SBK dem «Blick» voraus?
Die Institution Kirche bietet mehr Freiheiten. Es gibt keine strikten Direktiven von oben, wenn es beispielsweise um die Neustrukturierung der katholischen Medienlandschaft geht. Man vertraut in meinen Sachverstand. Die Arbeit in einem grossen Medienhaus ist viel autoritärer. Im Vergleich zur Redaktion des «Blick» ist die SBK ein liberaler Verein.

Ihre französischsprachige Kollegin Laure-Christine Grandjean hat bei der SBK das Handtuch geworfen. Sie sagte in einem Interview, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, dass die Bischöfe einheitlich kommunizieren. Wann hören Sie auf?
Der Weggang von Frau Grandjean war ein grosser Verlust für uns. Ich bin ein deutscher Sturkopf, ich bin es gewohnt, nicht so schnell aufzugeben. Es ist nicht die Frage, wie lange ich es bei der SBK aushalte, sondern, wie lange es die SBK mit mir aushält.

Die Kirche hat in den letzten Monaten und Jahren teils massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Was werden Sie tun, um diese Glaubwürdigkeit wieder herzustellen?
Es schiene mir wichtig, einen Dialog zwischen Kirchenleitung und den Menschen auf der Strasse zu initiieren. Die Kirche sollte weniger von oben herab predigen, stattdessen erst einmal zuhören und dann versuchen, aus ihrem reichen Fundus Antworten auf die Nöte der Menschen und die Fragen der Zeit zu geben.

Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Die Bischöfe könnten beispielsweise die Tradition der Wandermönche Kolumban und Gallus wieder aufnehmen und mit dem Bischofsstab durch das Land marschieren. Als Zeichen dafür, dass sie mit den Menschen in Kontakt kommen wollen – jenseits von offiziellen Einladungen und kirchlichen Events. Ich fand es beispielsweise sehr gut, dass Abt Martin Werlen die Pressekonferenz zur Asylgesetzrevision in einem Asylzentrum abhielt statt in einem Konferenzraum. Das ist viel näher am Leben. Und Papst Franziskus macht es uns ja vor.

Wie sähe die ideale Zukunft von Medien und SBK aus?
Ich wünsche mir, dass die Medien sich nicht nur für die internen Streitigkeiten, sondern auch für die Botschaft der Kirche interessieren. Aber der Ball liegt zuerst bei uns: Wir müssen unsere Botschaft in die heutige Zeit predigen. Es sollte nicht im Vordergrund stehen, ob der Mensch homo- oder heterosexuell ist, verheiratet, geschieden oder Single. Im Zentrum sollten die Sorgen, Nöte und Hoffnungen der Menschen stehen, welche Fragen sie täglich beschäftigen, und wie die Botschaft Jesu da helfen kann. Wir verstecken uns noch zu sehr hinter unseren Dogmen, anstatt die Menschen in den Vordergrund zu stellen.
Anna Miller/aj

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