18.04.2013

Mit Präsenz gegen das Langweilerimage

Von Anne Burgmer

Lärm und Littering sind häufig gehörte Begriffe, die Probleme meist Symptom bei fehlenden Freiräumen für Jugendliche. Die Gemeinde Strengelbach bei Zofingen beauftragte den Verein Peopletalk, das Thema im Rahmen eines medialen Projekts (Film, Plakataktion, Workshops und Internetplattform) zu bearbeiten.

Ziel war die Sensibilisierung und die Förderung des Dialogs zwischen den Generationen. Involviert war auch die kirchliche Jugendarbeit. Im Gespräch mit Horizonte reflektieren der kirchliche Jugendarbeiter Ivo Bühler und Peopletalk-Produktionsleiter Roy Buschbaum zusammen mit den beiden Jugendlichen Pascal Limacher (18) und Philipp Faccioli (17) die Erfahrungen aus dem Projekt.

Pascal und Philipp: Wie habt ihr vom Projekt Peopletalk in Strengelbach erfahren? Durch Ivo Bühler?
Pascal Limacher: Ich habe die Kameras gesehen und gefragt, was da los ist. Als ich erfahren habe, dass ich da meine Meinung sagen kann habe ich mich angemeldet.
Philipp Faccioli: Ich habe gar nicht richtig mitgemacht. Aber ich war die meiste Zeit einfach mit dabei.

Herr Bühler, Sie waren für die katholische Pfarrgemeinde Zofingen, zu der Strengelbach gehört, in der Steuergruppe des Projekts. Wie sind Sie auf das Projekt aufmerksam geworden?
Ivo Bühler: Vom Ablauf her bin ich recht überraschend mitten in der Budgetperiode angefragt worden, ob noch Geld zur Mitfinanzierung vorhanden sei, und dass es schön wäre, wenn ich in der Steuergruppe mitmachen könnte.

Herr Buschbaum, wie muss man sich den Ablauf des Projekts vorstellen?
Roy Buschbaum: Grundsätzlich ist es so, dass wir Peopletalk an Fachveranstaltungen vorstellen. Wir haben auch Partner, die uns empfehlen, beispielsweise die Fachstelle Jugend des Kanton Aargau. In Strengelbach ist es so gewesen, dass die Jugendkommission die Filmpremiere in Wohlen gesehen hat.

Pascal und Philipp: Hat euch die Teilnahme am Projekt etwas gebracht?
Philipp Faccioli: Nein. Aber es war cool.
Pascal Limacher: Es war ok. Es war was los.

Wie waren die Reaktionen auf den Film, der entstanden ist?
Ivo Bühler: An der Filmpremiere waren alle recht euphorisch. Alle waren stolz auf die geleistete Arbeit und das Resultat.

In der Vorbereitung kam die Frage auf, ob Menschen, die in die Kirche gehen, weniger Müll auf die Strasse werfe, weniger Lärm machen und einfach mehr Rücksicht nehmen. Ist das so?
Pascal Limacher: Mol.
Philipp Faccioli: Nein, find ich nicht. Ein Kollege von mir geht auch in die katholische Kirche. Wegen dem Zusammensein mit anderen. Ich glaube, wenn dieses Grüppchen alleine zusammen draussen ist, dann kommt es genauso raus, wie wenn wir mit unserer Gruppe draussen sind. So seh ich das.

Im Film zeigen die Jugendliche eine erstaunlich gute Selbsteinschätzung, beispielsweise beim Littering. Ist das tatsächlich so, oder hat über das Projekt eine Sensibilisierung stattgefunden?
Pascal Limacher: Nein. Also wir wissen schon, was wir machen und können das einschätzen. Aber wir sind jung und meistens scheisst es uns an.
Philipp Faccioli: Ja, am Fröschliplatz da gibt es einen grossen Kübel. Und wenn man nicht grad danebensitzt, probiert man den Müll reinzutreffen. Und wenn es daneben geht – egal.
Ivo Bühler: So habe ich als Jugendlicher auch gedacht. Wenn nicht alle paar Meter ein Kübel stand, fand ich es damals legitim, Abfall fallen zu lassen. Damals dachte ich: Es putzt dann schon jemand. Es war ja auch immer sauber. Heute sehe ich das natürlich anders.

Könnte man dann aber nicht unterstellen, Projekte wie Peopletalk bringen nichts?
Ivo Bühler: 
Mein Hauptkritikpunkt ist, dass ich davon ausgehe, dass Freiräume für Jugendliche ein regionales und nicht ein isoliertes Strengelbacher Thema ist. Diesem Fakt trägt der Film zu wenig Rechnung. Als wirklichen Pluspunkt empfinde ich jedoch, dass auf politischer Ebene etwas angestossen wurde. Es scheint, dass der Film die Politiker und die Gesellschaft sehr beeindruckte. Dies führt im Moment zu einer grossen Motivation, die Jugendarbeitsstelle auszubauen und die Jugendlichen auf diversen Ebenen vermehrt einzubeziehen. Das finde ich doch sehr beachtlich.
Roy Buschbaum: Das Projekt hat Druck ausgeübt. Es hat Politiker gegeben, die sonst immer alles streichen und kürzen, die zum abschliessenden Politworkshop gekommen sind und gesagt haben: Wir müssen dem gerecht werden.
Philipp Faccioli: Ich weiss nicht, ob sich was ändert. Ich glaub es eigentlich nicht.
Pascal Limacher: Ich hoffe, es bringt was. Wir haben ja wahrscheinlich eh nichts mehr davon. Aber nach uns kommen ja auch noch welche.

Inwieweit hat denn so ein befristetes Projekt wie Peopletalk wirklich nachhaltige Wirkung?
Ivo Bühler: Es kommt ganz darauf an, wer es weiterführt. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass wir beispielsweise im Wahlfachkurs der Oberstufe ein kleines Projekt anbieten, was aufgrund von Peopletalk entstanden ist oder damit zusammenhängt. Aber auch da muss ich wieder die ganze Pfarrei im Blick haben und kann es nicht nur für die Strengelbacher Kids machen. Mein Fokus ist da ein anderer.
Roy Buschbaum: Peopletalk geht es darum, die Nachhaltigkeit zu stärken. Es nutzt nichts, wenn wir irgendwelche Luftschlösser bauen, die man nicht umsetzen kann. Wir erstellen Hypothesen aus dem Film zur lokalen Situation, die wir mit den Jugendlichen und Politikern bearbeiten, um überhaupt mal die Grundlage zu schaffen und den politischen Boden zu bereiten. Dann werden Priorisierungen der entstandenen Ideen gemacht und wir haben dann effektiv die Lösungen, die gut umsetzbar sind.

Herr Bühler, Die Einwohnergemeinde hat die Kirchenpflege angesprochen, sich am Projekt Peopletalk zu beteiligen. Inwieweit wird kirchliche Jugendarbeit bei solchen Kooperationsprojekten überhaupt genügend wahrgenommen?
Ivo Bühler: Wir haben einfach nur die Zeit- und Geldressourcen, die auch vorhanden sind. Ich habe das Gefühl, wenn bei kirchlicher Jugendarbeit mehr Ressourcen da wären, wäre auch mehr möglich. Andererseits vertrittst du die Kirche, gegenüber der eben schon grosse Vorbehalte bestehen. Auch wenn ich persönlich Rom nicht für den Nabel der Welt halte, haben viele Menschen die Idee, dass dies für eine römisch katholische Jugendarbeitsstelle so sein muss. Diese Vorurteile müssen erst mal überwunden werden.

Dann kann so ein Projekt wie Peopletalk auch eine Chance sein?
Ivo Bühler: Ich sehe projektmässig schon Wege, wie ich als Jugendarbeiter zum Zug komme. So auch beim bevorstehenden Dorffest im Sommer. Gemeinsam mit dem Jugendarbeiter der Gemeinde, der reformierten Kirche und der Freikirche organisieren wir die Disco. Ich erhoffe mir daraus, dass dort Kontakte zu Jugendlichen entstehen. Auch, um dem Langweilerimage, welches der katholischen Kirche doch irgendwie anhaftet, entgegen zu treten.

www.peopletalk.strengelbach.ch

Der Weblink zeigt ein Teilergebnis des Projekts. Was glauben Sie? Lassen sich mit Projekten wie Peopletalk Probleme wie Nachtruhestörung, Littering oder mangelndes Raumangebot für Jugendliche überwinden?

 

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