14.10.2021

Für Newsletter-Abonnenten: Führung für zwei Personen zu gewinnen
Mutterglück im Gnadenthal

Von Heinrich Briner

  • Die bewegte Geschichte des Klosters Gnadenthal live erleben: Horizonte verlost zwei Plätze für eine szenische Führung am 20. Februar 2022. Alle Informationen zur Verlosung finden Sie im Artikel.
  • Vom Mittelalter bis zur Aufhebung der Klöster lebten im Gnadenthal Zisterzienserinnen.
  • Im 19. Jahrhundert kamen Gerüchte auf, die Gnadenthaler Nonnen hätten gegen das Keuschheitsgebot verstossen. Nachforschungen des Historikers Heinrich Briner entlarven die Gerüchte zwar als «Fake News», doch entdeckte er ein veritables Sakrileg in den Akten.

Das Leben der Nonnen, abgeschirmt hinter Klostermauern, war schon immer Anlass für wildeste Phantasien. Bussgürtel mit Stacheln aus Eisen sollen sie getragen haben, um sexuelle Versuchungen abzutöten. Man kann Exemplare solcher Züchtigungsinstrumente noch im Museum vor Ort besichtigen. Aber irgendwie nahm man den frommen Frauen ihren religiösen Furor nicht ganz ab.

Propaganda gegen das Kloster

So unterstellte Augustin Keller, der als «Klostermörder» in die Geschichte eingegangen ist, den Nonnen des Klosters Gnadenthal unverhohlen folgenreiche Verfehlungen gegen das Keuschheitsgebot: «Und wenn auf dem Wege des notorischen Gerüchtes aus Gnadenthal zwiefaches Mutterglück und die Fürsorge des Herrn Beichtigers von Wettingen gemeldet wurde, so konnten wir dem Gerüchte keine gerichtlich erhobene Thatsache zu Grunde legen: aber das wissen wir, daß das Gerücht ein allgemeiner Skandal, und dieser Skandal eine wirkliche, konstatierte Thatsache war.» Gnadenthaler Nonnen als gefallene Engel? Das mochte der Propaganda gegen die Klöster dienen, ernst zu nehmen war es nicht. Allein die Formulierung zeigt, dass Keller wohl selbst nicht an das Gerücht geglaubt hat. Nichts von alledem lässt sich belegen. Fake News at it’s best.

Jetzt mitmachen und gewinnen

Foto: zvg
Horizonte verlost unter den Newsletterabonnenten zwei Plätze für den szenischen Rundgang «Suppe zum Zmittag. Suppe zum Znacht» am Sonntag, 20. Februar 2022.

Um an der Verlosung teilzunehmen, schicken Sie ein E-Mail mit Ihrem Namen an verlosung@horizonte-aargau.ch. Teilnahmeschluss ist der kommende Sonntag, 17. Oktober 2021. Der Gewinner wird direkt benachrichtigt. Über die Verlosung wird keine Korrespondenz geführt; der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Weitere Informationen zum ehemaligen Kloster an der Reuss, wo heute die Pflegeinstitution «Reusspark» sowie das Ende August eröffnete Museum Gnadenthal daheim sind, finden Sie hier: www.reusspark.ch | www.museum-gnadenthal.ch

Lockere Klausur?

Belegt ist allerdings, dass die «Klosterzucht» sogar in der Tagsatzung, dem höchsten Organ der Alten Eidgenossenschaft, mehrmals Thema war. Es ist auch belegt, dass sechs junge Männer aus der Umgebung 1525 in einem nächtlichen «Überfall» in die Klausur eingedrungen sind. Was genau vorgefallen ist, geht aus den fünf Berichten der Tagsatzung nicht hervor. Noch viel mehr bleibt verschlossen, welche Rolle die Nonnen bei dem «Überfall» (mit)gespielt haben.

Geburtsort: «Gnadenthal»

Es scheint dennoch, dass das Kloster Gnadenthal die Wirren der Reformation einigermassen unbeschadet überstanden hat. Belegt ist mit einem Tagsatzungsbericht aus dem Jahr 1532 immerhin der Austritt von zwei Nonnen, die «sich verehelicht haben». Man kennt sie aus dem von Irene Briner implementierten «Szenischen Rundgang», der im Gnadenthal hie und da aufgeführt wird.

Im Gegensatz zu Kellers unsäglich verquerem Fake von den zwei Geburten im Nonnenkloster Gnadenthal lassen sich im Geburts- und im Taufregister der Gemeinde Nesselnbach tatsächlich zwei Niederkünfte in den historischen Gemäuern des Klosters Gnadenthal nachweisen. Die Familie des «Gutsbesitzers» und Unternehmers Eschmann-von Merhart, die zur Zeit der Tabakfabrik im ehemaligen Kloster wohnte, bekam nachweisbar zwei Kinder im Gnadenthal: Am 18. August 1878 wurde Max Eugen Adolf und am 2. März 1881 Franz Ulrich Heinrich geboren. Als Geburtsort ist im Geburtsregister der Gemeinde Nesselnbach für beide «Gnadenthal» eingetragen.

Ein Sakrileg im Taufregister

«in der Klosterkirche in Gnadenthal» steht im Taufregister der reformierten Pfarrei Widen. | Foto: Heinrich Briner
Die Suche nach den Einträgen im Taufregister sorgte allerdings für eine Überraschung: Die Kinder wurden nicht katholisch, sondern reformiert getauft. Im reformierten Taufregister ist zudem deutlich hervorgehoben: Die Taufe wurde in der geweihten Klosterkirche vollzogen!

Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in der damaligen Zeit ein solcher Vorgang als veritables Sakrileg – als ein Vergehen gegen etwas Heiliges – angesehen wurde. Als der Tabakfabrikant 1889 aufgeben musste, lautete der Kommentar jedenfalls: «Es ging ein Aufatmen durch die katholische Volksseele.» Heute sind derartige Haltungen zum Glück überwunden.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.