18.04.2022

Generationenübergreifendes Wohnen auf dem Gelände des Klosters Fahr geplant
Ort für Gott und die Gemeinschaft

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Die Benediktinerinnen im Kloster Fahr bekommen im Frühling 2023 neue Nachbarn.
  • In den Gebäuden der ehemaligen Bäuerinnenschule entstehen 16 Wohnungen, vom WG-Zimmer bis zur Familienwohnung.
  • Das Wohnprojekt wendet sich an Menschen aller Generationen, die Alltag und Glauben gemeinschaftlich leben wollen.

Eine starke Sehnsucht, verbunden mit einem langen Atem und viel Gottvertrauen haben Julia Neuenschwander in den letzten Jahren dahin gebracht, wo sie an diesem Frühlingsmorgen steht: auf einen staubigen Vorplatz, umgeben von Baugerüsten, begleitet vom Rattern eines Bohrhammers. Hier nimmt ihr Traum Form an.

In den Gebäuden der ehemaligen Bäuerinnenschule im Kloster Fahr entstehen Wohnungen. In den 16 Wohneinheiten mit 1 bis 6 Zimmern werden ab Sommer 2023 verschiedene Generationen gemeinschaftlich leben. «Die Wohnungen sind eher klein, jedoch gibt es grosszügige Räume, die alle Bewohner gemeinsam nutzen», erklärt Julia Neuenschwander. So wird im Erdgeschoss ein Gemeinschaftsraum mit Küche eingerichtet und der Eingangsbereich mit Cheminée dient als Begegnungsraum für die Bewohner.

«Hier würden wir gerne leben»

Neuenschwander ist Präsidentin des Vereins «erfahrbar», der aus Frauen und Männern aus dem Limmattal besteht. Als das Kloster Fahr vor drei Jahren Partner suchte für die künftige Nutzung der Nebengebäude und Betriebe, wusste die 36-Jährige sofort, dass sie diese Chance nutzen wollte. «Früher arbeitete ich in der Nähe und kam regelmässig hierher, um zu beten und neue Kraft zu tanken.» An einem Flohmarkt in der ehemaligen Bäuerinnenschule sagten sich Julia Neuenschwander und ihr Mann: «An diesem Ort würden wir gerne leben.»

Interessiert am Wohnprojekt?

Infos und Kontakt: www.erfahrbar.ch

Das Ehepaar schloss sich mit anderen Familien zusammen. Gemeinsam entwickelten sie das Projekt «erfahrbar» und suchten die Zusammenarbeit mit Prosperita, einer Stiftung für berufliche Vorsorge. Ihr Projekt mit christlichem, gemeinschaftlichem Mehrgenerationenwohnen, nachhaltiger Landwirtschaft und Ausflugsgastronomie erhielt aus etwa zwanzig eingereichten Vorschlägen den Zuschlag. 

Geleitet vom benediktinischen Geist

«Für uns war entscheidend, dass das Projekt nicht nur von der Idee her überzeugte, sondern dank der Zusammarbeit mit einer Pensionskasse auch finanziell auf solider Basis steht», erklärt Priorin Irene Gassmann. Die neuen Nachbarn sind herzlich willkommen: «Dass auf dem Gelände wieder Leben einzieht, das unserer Gemeinschaft ‚seelenverwandt’ ist, freut uns sehr. Ich spüre bei den Initianten echtes Interesse, gemeinschaftlich leben und Gott suchen zu wollen.»

Die künftigen Bewohner von «erfahrbar» werden ein Stück ihres Lebens miteinander teilen. Sie essen und beten regelmässig zusammen, feiern Feste, bewirtschaften den Garten und teilen Hauswartsarbeiten auf. Die Gemeinschaft lässt sich von der Bibel und der benediktinischen Spiritualität inspirieren und nimmt in regelmässigen Abständen am Gebet der Schwesterngemeinschaft teil. In den letzten Monaten nahmen sich die Initianten und die Priorin Zeit, zusammen die Regel des heiligen Benedikt zu lesen. Priorin Irene Gassmann ist überzeugt, dass es der Wohngemeinschaft gelingen kann, den benediktinischen Geist auf das moderne Leben zu übertragen: «Das Benediktinische sucht stets das rechte Mass. Diese Maxime stiftet auch ausserhalb der Klostermauern Sinn.» Dem Zusammenleben zweier verschiedener Gemeinschaften auf dem Klostergelände schaut sie entspannt und mit Vorfreude entgegen: «Wir sind Nachbarn und lassen uns Zeit, dass etwas wachsen kann. Wir haben Gottvertrauen und glauben, dass es gut kommt.»

Bisher hat sich das Vertrauen gelohnt. Das Bauvorhaben auf dem Klostergelände, ausserhalb der Bauzone, im Bereich der Kantonsgrenze, die auch noch mitten durch das Gebäude verläuft, durchlief ein aufwendiges Bewilligungsverfahren. «Ein langer Prozess, in dem es aber zum Glück stetig vorwärtsging. Alle Beteiligten zeigten sich offen und kooperativ», sagt Priorin Irene Gassmann.

Profis im Zusammenleben um Rat gefragt

Julia Neuenschwander und ihr Mann leben bereits heute mit den anderen Mitinitianten gemeinschaftlich zusammen. Die eigenen Erfahrungen sind wichtig, doch: «Wir bilden uns nicht ein, schon alles zu wissen.» Darum will sich der Verein vom Erfahrungsschatz benediktinischer Klostergemeinschaften bereichern lassen: «Im Kloster gibt es Profis im Zusammenleben», ist Neuenschwander überzeugt. So trafen sich die Initianten mit Pater Martin Werlen, dem Alt-Abt von Einsiedeln, der als ehemaliger Novizenmeister und Psychologe das Gespür entwickelt hat, zu erkennen, ob jemand in eine Gemeinschaft passt. Der Verein «erfahrbar» will die künftigen Bewohner für ihr Wohnprojekt so auswählen, dass das Zusammenleben für alle eine Bereicherung ist.

Starke und verlässliche Partner

Die Investorin Propsterita wird auch das Restaurant modernisieren und die Räume barrierefrei gestalten. Als Pächterin ist die Fahr Erlebnis AG vorgesehen, die bereits Anfang 2021 den Landwirtschaftsbetrieb übernommen hat. «Die starken und verlässlichen Partner entlasten uns von betrieblichen Aufgaben. So können wir für Klostergäste weiterhin ein Ort der Stille und Spiritualität sein.» 

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