26.07.2018

Die Philipp-Neri-Stiftung sucht Finanzierungswege

Von Anne Burgmer

  • Seit vier Jahren ist der Priester Adrian Bolzern «Zirkuspfarrer», das heisst, er ist schweizweit als Seelsorger für Zirkusleute, Markthändler und Schausteller unterwegs.
  • Sein Gehalt zahlt die Philipp-Neri-Stiftung, die 2019 ihr 20-jähriges Bestehen feiert. Die Stiftung finanziert sich ausschliesslich durch Spenden, einzelne Pfarreiopfer oder Benefizveranstaltungen.
  • Im Gespräch mit Horizonte kommt die Frage auf, ob die Finanzierung eines Teils der Lohnprozente von Adrian Bolzern nicht auch Sache der verschiedenen Landeskirchen sein müsste.

 

Den Papst hat die Patin von Adrian Bolzern auf die Scheibe seines Autos geklebt. Hinten links winkt nun Franziskus den irritierten Menschen am Strassenrand zu. «Ich wusste nicht, dass sie das macht. Aber ich finde es eigentlich noch lustig. Ausserdem ist Franziskus ja beliebt», sagt Adrian Bolzern mit breitem Lachen.

Ein offenes Ohr im Gepäck

Beliebt ist auch Adrian Bolzern. Er ist ein handfester Typ aus dem Laufental und hat ursprünglich die Ausbildung zum Gärtner gemacht, bevor er dann über den dritten Bildungsweg Religionspädagogik und später Theologie studierte. Nach langem Reifungsprozess, wie er selber es sagt, liess er sich zum Priester für das Bistum Basel weihen. Wo Adrian Bolzern auftaucht, sieht man frohe Gesichter und hört man ihn und andere lachen.

Vielleicht waren diese freudige Ausstrahlung und der Humor des heute 39-Jährigen Gründe, warum Ernst Heller auf der Suche nach seinem Nachfolger Adrian Bolzern ansprach. Mit zunächst 30 und mittlerweile 50 Stellenprozent reist Arian Bolzern seit nun vier Jahren landauf, landab zu Zirkussen, an die verschiedenen Messen und Märkte. Immer im Gepäck: sein offenes Ohr. Er ist da für die Sorgen und Nöte der Schaustellerinnen, Händler und Zirkusmenschen.

Philipp Neri – der heitere Heilige

Noch ein Mensch, der Humor hatte, und mit seiner Heiterkeit die Menschen anzog, lebte von 1515 bis 1595 in Italien. Der Mann hiess Philipp Neri und lebte und wirkte von 1533 an in Rom; erst als Laie, dann als Priester. Philipp Neri sprach und diskutierte mit jedermann. Er engagierte sich karitativ, zum Beispiel in der Pflege bedürftiger Rompilger. Seine Versammlungen und Gottesdienste erfreuten sich grosser Beliebtheit – für die wachsende Zuhörerzahl musste ein zusätzlicher Raum über der kleinen Kirche gebaute werden, an der Philipp Neri tätig war. Dort entstand eine Wohngemeinschaft, aus der Philipp Neri später die Oratorianer gründete – einen Weltpriesterorden.

Viele kleine Anekdoten überliefern sein heiteres Gemüt und dass er stets darauf achtete, nicht allzu ernst genommen zu werden. Der Heilige Philipp Neri ist Patron von Rom und der Schutzheilige der Humoristen. Ein passender Namensgeber für die Stiftung, die seit 1999 das Gehalt des jeweiligen katholischen Zirkusseelsorgers zahlt.

Keine Kirchenmittel für die Stiftung

Die Gehaltsfinanzierung ist eine Frage, die auch Adrian Bolzern beschäftigt: «Ich bin zu 100 Prozent bei der Kreiskirche Aarau angestellt. Die 50 Prozent, die ich für die Zirkusseelsorge aufwende, werden der Philipp-Neri-Stiftung in Rechnung gestellt», beschreibt der Seelsorger die formale Handhabung. Die Stiftung ihrerseits ist auf Spenden angewiesen, denn sie erhält für ihre Arbeit, die auch Hilfe für in Not geratene Zirkusmenschen, Händler oder Schausteller umfasst, keine Mittel von Kirche oder Staat. Im Flyer der Stiftung heisst es zudem: «Der Stiftungsrat leistet seinen Einsatz ehrenamtlich und kostenlos».

Kurt Lustenberger, Mitglied des Stiftungsrates und zuständig für die Finanzen der Philipp-Neri-Stiftung sagt auf Nachfragen: «Die Arbeitsaufwendungen von Pfarrer Bolzern zahlen wir der Kirchgemeinde zurück. Der Zirkuspfarrer hat ja – anders als ein normaler Pfarrer – keine Kirchgemeinde im Rücken, die den Lohn zahlt. Bei Ernst Heller war es so, dass die Schweizer Bischofskonferenz ihn für diese Spezialseelsorge freistellte, ihm gleichzeitig aber klar machte, dass er selber zu seinem Lohn kommen müsste. Dafür wurde dann die Philipp-Neri-Stiftung gegründet».

Wäre migratio zuständig?

Im Jahr 2014, als Ernst Heller seine Abschiedssaison erlebte und gleichzeitig seinen Nachfolger Adrian Bolzern einarbeitete, wurde die finanzielle Situation der Stiftung stark beansprucht, denn: Es mussten zwei Gehälter gezahlt werden. Gebessert habe sich die Situation vor allem deswegen, weil mittlerweile regelmässig Benefizveranstaltungen durchgeführt würden – so die Philipp-Neri-Nacht, die alle zwei Jahre in verschiedenen Zirkuszelten durch die Manege tobe; dieses Jahr im Zirkus Gasser Olympia. Mit Essen und Vorstellung inklusive kostete ein Ticket 200 Franken. «Im Prinzip müsste man einen Fundraiser engagieren, um genau zu schauen, was möglich ist. Ich selber kann das nicht machen und der Stiftungsrat macht alles ehrenamtlich. Mir geht es auch nicht um einmalige Sachen, sondern um Regelmässigkeit. Und da auch nicht um irgendwelche riesigen Summen, sondern darum, dass wenigstens ein Teil der Lohnprozente sicher finanziert ist», erläutert Adrian Bolzern.

Sowohl er als auch Kurt Lustenberger werfen die Frage nach der Zuständigkeit auf. Die läge – das wird auch Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche im Aargau, sagen – ihrem Verständnis nach bei migratio. Migratio «arbeitet im Auftrag der Bischofskonferenz als deren Beratungsgremium, Stabsorgan und Ausführungsorgan in allen Fragen der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs», heisst es auf deren Internetpräsenz.

Zirkusfamilien zahlen auch Kirchensteuern

Kurt Lustenberger bestätigt, dass ein Gesuch der Philipp-Neri-Stiftung bei migratio abschlägig beantwortet wurde. Patrick Renz, Nationaldirektor von migratio, ist ferienbedingt abwesend. Auch Luc Humbel, Kirchenratspräsident im Aargau und Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz RKZ weilt in den Ferien. Genauere Informationen sind also im Moment nicht zu erhalten.

«Die Seelsorger für die Fahrenden zahlt migratio, doch für die Zirkusleute, Händler und Schausteller fühlt sich finanziell niemand verantwortlich. Dabei sind sie auch ‚Menschen unterwegs‘. Der Unterschied zu den Fahrenden ist, dass sie einen Ort haben, an dem sie gemeldet sind und Steuern zahlen. Auch Kirchensteuern. Vielleicht könnte man schauen, wo die einzelnen Zirkusfamilien gemeldet sind und diejenigen Landeskirchen ansprechen. Eine Art Finanzschlüssel erarbeiten. Es gibt immerhin neun traditionelle Zirkusse in der Schweiz», überlegt Adrian Bolzern.

Dass eine einzelne Landeskirche nicht das Gehalt für eine schweizweite Arbeit übernehmen möchte, kann Adrian Bolzern nachvollziehen. Doch viele Menschen liessen sich von Zirkussen oder beliebten Märkten und Messen durch das Jahr hindurch unterhalten. Es läge also im Interesse aller, dass es den Menschen, die hinter den Ständen und Zelten arbeiten, gut gehe.

Zirkuswagen-Tour durch die Deutschschweiz

Adrian Bolzern redet aber nicht nur und wartet, dass eine Lösung vom Himmel fällt. Er handelt. Um die Stiftung bekannter zu machen, wird er zum 20-Jährigen Jubiläum 2019 mit einem Zirkuswohnwagen in verschiedenen Pfarrgemeinden in der Deutschschweiz Station machen. «Der Stiftungsbeirat hat diese Idee gehabt und so werde ich jeweils von Samstag bis Sonntag in den Pfarrgemeinden sein und die Gottesdienste halten. Ich nehme den dortigen Pfarrern Arbeit ab und das Aushilfsgehalt und die Kollekte gehen in die Philipp-Neri-Stiftung.

Die Rückmeldungen aus den Pfarreien bisher sind positiv», erklärt Adrian Bolzern. Der Seniorchef des Zirkus Stey stellt den Wagen zur Verfügung und bringt ihn jeweils an den nächsten Ort. Start ist am 26. Mai 2019. Das ist der Gedenktag des Heiligen Philipp Neri. Der Ort steht bereits fest: das luzernische Reussbühl. Denn da steht die schweizweit einzige Kirche mit dem Patronat des Heiligen Philipp Neri.

www.philipp-neri.ch

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