15.10.2015

Professionelle Hilfe anstelle von Almosen

Von Andreas C. Müller

Die Kirchlichen Regionalen Sozialdienste (KRSD) sind eine Erfolgsgeschichte, an der im Kirchenaargau viele Freude haben: Die Römisch-Katholische Landeskirche, die Caritas, die Kirchgemeinden. Mit einem über zehn Jahre hinaus reichenden Entwicklungsplan und entsprechenden finanziellen Mitteln soll jene Erfolgsgeschichte nun dauerhaft fortgeschrieben werden.

Auch wenn Pfarreisekretärin Rita Wildi bestätigt, dass durchaus noch Menschen aufs Pfarreisekretariat kommen und betteln, nimmt das Pfarrpersonal kaum noch Aufgaben in der direkten Armenfürsorge wahr. Insbesondere auf dem Land ist die Hemmschwelle gross. Die Leute schämen sich, wenn sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Dabei waren in früheren Zeiten die Kirchen naheliegend zuständig für Bildung, Erziehung oder Armenfürsorge. Im Verlaufe des 19. und 20. Jahrhunderts übernahm der Staat diese Aufgaben. «Die Kirchen sind heutzutage primär zuständig für Trauer», formuliert es Regula Kuhn von Caritas Aargau etwas provokativ. Nur wenige mit sozialen und finanziellen Nöten finden den Weg in Pfarrhaus. Dabei gebe es viele, die trotz staatlicher Fürsorge punktuell oder auch dauerhaft zwischen Stuhl und Bank fallen. Grund genug, dort Hand zu bieten, wo der Staat an seine Grenzen kommt.

Caritas als professioneller Partner
In einzelnen Orten entstanden noch vor der Jahrtausendwende Sozialdienste im Rahmen des diakonischen Grundauftrags der Kirche. Nach und nach entwickelte sich die Idee eines möglichst flächendeckenden Angebots. Die Römisch-Katholische Landeskirche und Caritas Aargau, die sich auf eine stärkere Unterstützung der Pfarreien in der Wahrnehmung ihres diakonischen Auftrags fokussierte, evaluierten 2003 gangbare Möglichkeiten. Dies mit dem klaren Ziel einer Professionalisierung des Angebots für möglichst den ganzen Kanton und unter Einbezug entsprechender Dienste für Anderssprachige. 2006 entstand so im Dekanat Baden-Wettingen der erste Kirchliche Regionale Sozialdienst KRSD. «Gemäss diakonischem Auftrag der Kirche, aber nach klassisch sozialarbeiterischem Ansatz, wie ihn die Caritas mit entsprechend professionell ausgebildeten Fachkräften verfolgt», erklärt Regula Kuhn.

Initiative aus den Kirchgemeinden
Die Pilotphase verlief erfolgreich. Es folgten ab 2009 Angebote für das obere Fricktal, für den westlichen Aargau sowie für die Regionen Mutschellen und Aarau. Bereits befinden sich weitere Dienste im Aufbau. Am Mutschellen wird der Dienst auf das Reusstal erweitert, zudem entstehen Angebote in Wohlen und Brugg, teilt Kurt Brand von Caritas Aargau mit. Das Ziel sind dereinst zehn regionale Dienste. «Nachdem wir mit den ersten KRSD gestartet sind, wurden in anderen Regionen die Evaluationsberichte von Kirchenpflegen mit Interesse gelesen», erinnert sich Regula Kuhn. «Die Resonanz war überwiegend positiv. Wir erhielten Anfragen von weiteren Regionen, die ebenfalls einen KRSD aufbauen wollten.»

Landeskirche investiert 460 000 Franken in Diakonie
2014 beauftragte dann der Kirchenrat der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau und der Vorstand von Caritas Aargau eine Projektgruppe mit der Ausarbeitung einer Strategie zur flächendeckenden Einführung Kirchlicher Sozialarbeit. Diese Strategie ist mittlerweile soweit gediehen, dass der Kirchenrat der Römisch-Katholischen Landeskirche mit der Synode im November 2015 Nägel mit Köpfen machen will. Verabschiedet werden soll ein Grundsatzentscheid über den weiteren Aufbau und Unterhalt flächendeckender Kirchlich Regionaler Sozialdienste. Dieses Projekt rechnet mit Mehrkosten von schlussendlich rund 460 000 Franken pro Jahr ab 2021. Damit finanziert die Landeskirche die kantonale Führung einschliesslich der Fachstelle Diakonie, den weiteren Ausbau der Kirchlichen Regionalen Sozialdienste, die Sicherstellung des Angebots von Kirchlicher Sozialarbeit für Anderssprachige sowie die Schaffung von Ausbildungsplätzen und die Förderung des Berufsnachwuchses in Kirchlicher Sozialarbeit. «Die Synodalen wissen, dass so ein grosser Teil der Kirchensteuern wieder für Menschen bereitgestellt wird, die Hilfe brauchen», so Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau. Hinzu komme, dass das Projekt breit abgestützt und von unten gewachsen sei. «Der kirchlich Regionale Sozialdienst KRSD ist ein gemeinsames Projekt von örtlichen Pfarreien und Kirchgemeinden und der Caritas Aargau. Es ist eine auf die Region angepasste strukturelle Verankerung der Diakonie», heisst es im Antrag des Kirchenrats an die Synodalen. Mit dem finanziellen Engagement der Landeskirche wird nicht nur die professionelle Qualität des Angebots gesichert, vorgesehen sind auch Ausbildungsplätze im Bereich Sozialarbeit.

Auch eine Antwort auf die Zuwanderung
Grosse Bedeutung hat die Integration der Sozialdienste für Anderssprachige. «Diese sind ursprünglich beim Aufbau der Anderssprachigenmissionen entstanden», erklärt Marcel Notter. «Nun sollen sie als Teil der Kirchlichen Regionalen Sozialdienste KRSD nicht mehr nur auf einen Ort innerhalb des Kantons beschränkt sein», führt Regula Kuhn aus. «Ziel ist eine breitere Verteilung unter Berücksichtigung vorhandener Nachfrage. Die Stellenprozente für Andersprachigensozialdienste sind fortan Teil eines Pools, aus dem die Regionen für sich einen Anteil beantragen können, wenn dort bestimmte Anderssprachigengruppen leben.» Auf diese Art und Weise wollen die Landeskirche, die Caritas und die Kirchgemeinden gezielt ihr Angebot für Anderssprachige verbessern, die im Zuge der aktuellen Zuwanderungswelle in die Schweiz kommen. Das Schweizerischen Pastoralsoziologische Institut SPI erklärte unlängst, dass 39 Prozent der Zuwanderer katholisch seien (gegenüber 14 Prozent Muslimen). Die Missionen für Anderssprachige seien für diese katholischen Zuwanderer von grosser Bedeutung und eine wichtige Unterstützung beim Integrationsprozess.

Nicht nur ein Gutschein für den Caritas-Markt
In Baden, wo 2006 der erste Kirchliche Regionale Sozialdienst KRSD an den Start ging, funktioniert die Zusammenarbeit bereits vorbildlich, bestätigt Pfarreisekretärin Rita Wildi. Im Rahmen der sogenannten «Passantenhilfe» wird, wer im Pfarrhaus um materielle Hilfe ersucht, nicht einfach mit einen Gutschein für den Caritas-Markt abgefunden, sondern wenn immer möglich auch mit dem Kirchlichen Regionalen Sozialdienst KRSD in Kontakt gebracht.

 

KRSD-Info

Mo, 26.10. um 19.30 Uhr: Jojo Bremgarten

Di, 10.11. um 20 Uhr: Chappelehof Wohlen

Fr, 27.11. um 18.30 Uhr: Pfarreizentrum Brugg

 

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