08.02.2023

Als Teilnehmerin der Online-Delegation schwankt sie zwischen Hoffnung, Zuversicht und Ratlosigkeit
Renata Asal-Steger: «Zuhören allein reicht nicht aus»

Von Eva Meienberg und Sarah Stutte

  • Die Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz nahm als Online-Delegierte an der Prager Synode teil.
  • Sie setzt sich ein für eine Dezentralisierung der römisch-katholischen Kirche mit der Schweiz als Vorbild.
  • Mehr zur Kontinentalsynode in Prag lesen Sie im Tagebuch von Tatjana Disteli sowie im Bericht über die Online-Delegation in Wislikofen.

Wie lief der Austausch in den internationalen Online-Arbeitsgruppen in den vergangenen zwei Tagen?
Renata Asal-Steger: Wir sind eine Gruppe von zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus verschiedenen deutschsprachigen Ländern. Am zweiten Tag war in den Diskussionen bereits eine gewisse Vertrautheit spürbar. Von Anfang an habe ich in der Gruppe eine grosse Offenheit wahrgenommen.

Denken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ihrer Austauschgruppe ähnlich?
In unserer Gruppe tanzt niemand vollkommen aus der Reihe. Die Zusammensetzung ist vielfältig, und ich erlebe einen intensiven, ermutigenden Austausch über die Landesgrenzen hinweg. Das stärkt. Bischof Kohlgraf aus Mainz hat beteuert, wie wichtig ihm die Begegnungen mit Menschen geworden sind, mit denen er nicht ohne weiteres ins Gespräch kommen würde. Dabei lerne er viel.

Ich fände es gut, wenn sich die Bischofskonferenzen mehr vernetzen, sich gegenseitig unterstützen und – wo möglich und sinnvoll – einen gemeinsamen Weg gehen würden. Ein solches Miteinander vermisse ich.

Welchen Auftrag haben die Austauschgruppen?
Heute sprachen wir über die Spannungen und Divergenzen in den verschiedenen Länderberichten. Dort wurden die unterschiedlichen Auffassungen von Synodalität sehr deutlich.

In der Arbeitsgruppe waren wir uns einig, dass die morgendlichen Gottesdienste, welche in Prag stattfinden und live übertragen werden, kaum etwas mit Synodalität zu tun haben. Da sitzen die Kleriker jeweils in den ersten Reihen, die übrigen Delegierten hinten. Mich persönlich schmerzt ein solches Bild. Und ich stelle mir dann die Frage, wie ernst Synodalität gemeint ist.

Wir alle haben uns über die Information gewundert, dass es ein zweites Abschlussdokument geben soll, das ausschliesslich von den Bischöfen verfasst wird. Das scheint vorher niemand gewusst zu haben. Das irritiert. Ein solches Vorgehen steht meines Erachtens im Widerspruch zu einem synodalen Vorgehen.

Aber jede Kontinentalsynode organisiert sich selbständig. So soll Europa die einzige Synode sein, bei welcher die Bischöfe die letzten zwei Tage alleine unter sich beraten.

Einander zuhören – das wurde in den Voten immer wieder gefordert – was sagen Sie dazu?
Ich höre viele Voten, die in blumigen Worten vorgetragen werden. Und ebenso höre ich viele theologische Begriffe und Konzepte.

Einander Zuhören ist ein zentraler Aspekt im synodalen Prozess und gar nicht einfach. Aber Zuhören allein reicht nicht aus. Es müssen Taten folgen. Die Zeit drängt.

Was macht das Zuhören in dieser Synode mit Ihnen?
Das Arbeitspapier «Mach den Raum deines Zeltes weit» hat mir Zuversicht gegeben. Es wird deutlich, dass die Menschen weltweit die gleichen Fragen stellen, die gleichen Herausforderungen sehen. In der Kontinentalsynode höre ich viel Gemeinsames neben all der Verschiedenheit, die zum Ausdruck kommt.

Es stellt sich die Frage, ob weltweit alles gleich sein muss oder ob die Verschiedenheit in unserer Kirche nicht auch ein Reichtum ist? Ich spreche mich für eine Dezentralisierung aus. Damit haben wir in der Schweizer Kirche ja schon viele positive Erfahrungen gemacht.

Was war im Austausch für Sie bisher am überraschendsten?
Mich überraschen die immer wieder deutlich spür- und hörbaren unterschiedlichen Verständnisse von Synodalität. Diese Feststellung irritiert mich und lässt mich ratlos zurück. Gleichzeitig gibt es drängende Fragen, die wir als katholische Kirche angehen müssen. Nur so haben wir die Chance, eine lebendige Gemeinschaft zu sein und zu bleiben.

Was kann die Kirche bieten?
Die katholische Kirche, aber auch andere Kirchen, tragen zur Gemeinschaftsbildung bei. Das ist umso wichtiger in einer Zeit, in der wir eine zunehmende Polarisierung beobachten können.

Was muss die Kirche jetzt anpacken?
Als sehr zentral erachte ich, dass die Kirche nicht über die Menschen sondern mit ihnen spricht.  Aber die Kirche muss dafür eine Sprache sprechen, die die Menschen verstehen. Für sehr viele Menschen ist sie fremd geworden.

Wir alle wissen, dass unsere Kirche in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise steckt, Viele Menschen sind zutiefst verletzt worden und werden noch immer verletzt. Ich denke beispielsweise an die weltweiten Missbrauchsskandale.

Welches Gefühl haben Sie mit Blick auf die Synode?
Für mich ist die katholische Kirche meine religiöse Heimat und sie liegt mir am Herzen. Ich bin überzeugt, dass sie für den Zusammenhalt der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt.

 Ich schwanke momentan zwischen Hoffnung, Zuversicht und Ratlosigkeit. Das synodale Vorgehen, das Miteinander-Unterwegssein braucht Zeit – gleichzeitig wissen wir, dass die Zeit drängt und den Worten Taten folgen müssen- und das nicht erst übermorgen.

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