23.02.2015

Sand aus Nigeria

Von Andreas C. Müller

Sie sind das künstlerische Highlight einer jeden Fastenzeit und begeistern bereits Kinder: Die Hungertücher. Auch das diesjährige Hungertuch, gestaltet von Tony Nwachukwu aus Nigeria, wird in nahezu jeder Kirche in der Schweiz ausgehängt. Es lädt ein zur Auseinandersetzung mit unserer Verantwortung für die bedrohte Schöpfung. Anna Steinacher vom deutschen Hilfswerk Misereor hat Tony Nwachukwu bei der Arbeit an seinem Werk über die Schulter gesehen.

Nussbraun, karminrot und orange schimmert der Sand aus Nigeria. Tony Nwachukwu hat ihn in kleinen Tütchen aus seinem Heimatland mitgebracht. Mit Kunstkleber fixiert er ihn nun vorsichtig auf der Leinwand. Er tritt ein paar Schritte zurück, begutachtet kritisch sein Werk. Dann setzt er den letzten Strich vor der Mittagspause. Seit frühmorgens arbeitet der breitschultrige Mann in seinem Atelier bei Misereor in Aachen. Entwurf um Entwurf für das Hungertuch hat er entwickelt, wieder verworfen, verändert. Teilweise fertigt er die Skizzen und Fotocollagen am Computer an. So kann er die Farben schnell überarbeiten oder neue Akzente setzen.

Der lange Weg zur Kunst
Tony Nwachukwu setzt sich an den Tisch und schiebt gelassen die Farbtuben beiseite. Der Künstler wurde 1959 geboren und lebt er heute in Owerri/Nigeria. Für die Gestaltung des Hungertuchs zur diesjährigen Ökumenischen Fastenkampagne reiste Tony Nwachukwu eigens nach Deutschland. Schon als Kind habe er sich für Kunst interessiert, berichtet der Künstler, der in Enugu, einer der grössten Städte im Süden Nigerias, aufgewachsen ist. «Es gab viele künstlerische Aktivitäten in meinem direkten Umfeld. Als kleiner Junge war ich oft dort zu finden, wo die Künstler arbeiteten. Sie bemalten Töpfe und Kleider, dekorierten Türen oder die Fenster der Häuser. Irgendwann begann ich, selbst zu malen.» Diese Liebe zur Kunst stiess bei seiner Familie zunächst nicht auf Gegenliebe. Nachdem frühen Tod des Vaters wurden Tony Nwachukwu und seine sechs Geschwister von der Mutter grossgezogen. Als ältester Sohn sollte er einen soliden Beruf erlernen. «Meine Mutter hätte es gerne gesehen, wenn ich Arzt geworden wäre», erzählt Tony Nwachukwu . Doch der junge Mann bewarb sich 1977 für ein Kunststudium an der University of Nigeria in Nsukka. Nach dem Studium eröffnete er 1987 eine Kunstgalerie in Owerri. Tony Nwachukwu arbeitet viel mit Batiktechniken und stellt unter anderem liturgische Gewänder her. In Süddeutschland und Österreich hat er für einige Kirchen auch schon Kreuzwege gestaltet.

Von der Mutter im Glauben geprägt
Religiöse Themen beschäftigen Tony Nwachukwu schon lange. Besonders die Mutter habe seinen starken Glauben geprägt. Wie als Beweis dafür zieht der Nigerianer sein Handy aus der Tasche. Auf dem Display erscheint Johannes 3,16, seine Lieblingsstelle: «Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.» Diese Liebe Gottes hat Tony Nwachukwu für die Schöpfung Gottes sensibilisiert. Die Schöpfung bewahren – damit alle leben können: Unter diesem Titel gestaltete Tony Nwachukwu das neue Hungertuch der Ökumenischen Kampagne.

Brennende Probleme dargestellt
«Viele der weltweit drängendsten Probleme sind auf unseren schlechten Umgang mit der Umwelt zurück zu führen», so der vierfache Vater. «Die Folgen dieser Ausbeutung erfahren wir am eigenen Leib, besonders in den Ländern des Südens. Dürren, Überschwemmungen, den Raubbau der Ölfirmen im Delta des Niger, verseuchte Flüsse und versiegende Trinkwasserbrunnen – das sind aktuelle Themen, nicht nur in Nigeria», erklärt der Künstler. Und genau diese brennenden Probleme hat Tony Nwachukwu auch im Hungertuch dargestellt. Kontrastiert durch einen blühenden Garten Eden. Sechs Menschen aus verschiedenen Nationen, Männer, Frauen und ein Kind, sitzen dort im Halbkreis um eine Erdkugel. In ihrer Mitte steht eine Osterkerze und erleuchtet die Gesichter. Die Welt, um die herum sie sitzen und für die sie Verantwortung übernehmen wollen, besteht aus afrikanischer Erde und rotem Sand aus Nigeria.

Anna Steinacher, Misereor/acm

 

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