19.06.2017

Schlagabtausch und Schlangenbrot

Von Marie-Christine Andres Schürch

Kaffeeduft und beschwingte Klänge begrüssten am Samstag die Besucher in der Zofinger Altstadt. Zum zweiten Mal engagierten sich der Kanton Aargau, die Aargauer Landeskirchen, die kirchlichen Hilfswerke HEKS und Caritas Aargau sowie das Netzwerk Asyl gemeinsam am nationalen Flüchtlingstag. 

Während draussen in der Junisonne der multinationale Chor «Njoy2sing» das Publikum zum Tanzen brachte, nahmen in der Stadtkirche die Politiker ihre Plätze ein. Der Pfarrer der reformierten Stadtkirche Zofingen, Lukas Stuck, wies zu Beginn des Podiumsgesprächs auf die Kanzel: «Das Disputieren gehört traditionell in die Kirche und war früher gang und gäbe.» Die illustre Runde, bestehend aus dem Zofinger Stadtrat Dominik Gresch, den Nationalräten Thomas Burgherr und Cédric Wermuth sowie Regierungsrat Urs Hofmann, zeigte sich von Beginn weg engagiert und durchaus angriffslustig. In einem Punkt waren sich die vier Politvertreter einig: Asylverfahren dauern momentan zu lange und müssen rascher abgewickelt werden. Man könne Asylsuchende nicht jahrelang im Ungewissen lassen. Diese Forderung unterstützte auch die Flüchtlingsfrau Mahperi Elma aus eigener Erfahrung vehement. Ein, zwei Monate nach der Ankunft müssten Integrationsmassnahmen wie Sprachkurse, Beschäftigung oder Ausbildung beginnen, forderte sie. So könnten die Betroffenen nach einem positiven Entscheid besser vorbereitet starten und eher auf eigenen Beinen stehen.

Frage des politischen Willens

Dass diese Integrationsbemühungen viel Geld kosten, bestritt SP-Nationalrat Cédric Wermuth nicht. Doch, so betonte er, gebe der Staat dieses Geld sowieso aus: «Entweder heute für die Integration – oder Jahre später, wenn die Flüchtlinge von der Sozialhilfe abhängig werden.» Während SVP-Nationalrat Thomas Burgherr den Flüchtlingen «den Weg nach Hause nicht verbauen» wollte mit vielen Integrationsmassnahmen, plädierte Cédric Wermuth energisch für mehr Mittel im Asylbereich. Im reichsten Land der Welt sei effektive Integrationshilfe keine Frage der Ressourcen, sondern des politischen Willens.

Dank an die Hilfswerke

Fast kamen beim Schlagabtausch zwischen links und rechts die gemässigten Stimmen zu kurz. Doch versuchten Regierungsrat Urs Hofmann sowie Stadtrat Dominik Gresch, die Erkenntnisse aus ihrem politischen Alltag einzubringen. Regierungsrat Urs Hofmann unternahm es, die Tücken des Status‘ «vorläufig aufgenommen» zu erklären und nutzte die Gelegenheit, den kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zu danken, die sich für die Integration der Flüchtlinge einsetzen. Ohne dieses Engagement könnte die öffentliche Hand die anstehenden Probleme nicht lösen. Für einen herzlichen Lacher des Publikums sorgte Moderator Philippe Pfister, Chefredaktor des Zofinger Tagblatts, als er eine Frage an den reformierten Kirchenratspräsidenten Christoph Weber-Berg mit der Formulierung einleitete: «Die Kirche hat ja soviel Geld …».

Weizenkörner unter Glasglocken

Die Ausstellung der Caritas «Stell dir vor, jeder Mensch wäre ein Weizenkorn» auf dem Alten Postplatz veranschaulichte die Asylzahlen des Kantons. Von den 662 224 Bewohnern des Aargaus sind 4698 Menschen im Asylprozess. Dies entspricht 0,71 Prozent der Aargauer Bevölkerung. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ist das ein ziemlich mickriges Häufchen Weizenkörner. Die verschieden grossen Häufchen unter den Glasglocken sorgten für Aha-Erlebnisse bei den Besucherinnen und Besuchern.

Gemeinsam ums Feuer

Neben den Weizenkörnern trug aber auch das Schlangenbrot zum Abbau von Vorurteilen bei. Die Organisation «Offni Pfadi Aargau» verteilte an ihrem Stand grosszügig Teigklumpen und Brätelstecken. Um den Stock gewickelt brätelten Kinder und Eltern ihren Teig über der Feuerwanne zum Schlangenbrot. Dabei zeigte sich, dass Kinder aller Nationen das Bräteln und Teigessen lieben. Infostände, Spielecke, Spezialitäten aus verschiedenen Ländern und Musik von «Claudia Masika and Friends» gaben dem Fest den passenden Rahmen.

Das Samstagsprogramm endete sportlich auf der Gemeindeschulwiese mit dem Fussballspiel von Zofingen United gegen eine Auswahl des FC Grossrat Aargau. Es endete mit 6:4 für die jungen Spieler von Zofingen United.

App «I-need» für Flüchtlinge vorgestellt

Im Rahmen des Flüchtlingstages wurde in Zofingen zum ersten Mal im Aargau die Smartphone-App «I-need» vorgestellt. Mithilfe der App, die in verschiedenen Sprachen verfügbar ist, oder auf der Website www.i-need.ch erhalten Flüchtlinge auf einfache Weise Informationen. Ausgehend von der  Frage «Was brauchst Du?» zeigt die App, wo und bei welcher Institution für verschiedene Bedürfnisse Hilfe angeboten wird: Essen, Nahrung, Unterkunft, ärztliche Hilfe, allgemeine Beratung, Sprachkurse oder Treffpunkte. Google-Maps führt dann den User an den richtigen Ort. Die Inhalte der App werden jeweils von regionalen Institutionen wie Anlaufstelle Integration Aargau, HEKS, Caritas, Kirchgemeinden und Pfarreien eingegeben.

 

Hier die neue App I-need kennenlernen

 

 

 

 

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