06.10.2016

Solidaritätsprinzip am seidenen Pastoralraumfaden

Von Andreas C. Müller

Als älteste kirchliche Jugendseelsorgestelle im Aargau organisierte die Juseso regionale Anlässe und unterstützte die Pfarreien in der Jugendarbeit vor Ort. Für 2018 steht der Juseso ein Kahlschlag bevor, die Jugendarbeit soll in den Pastoralraumgebieten verankert werden. Eine Herausforderung insofern, als dass die meisten Pastoralräume der Region bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht errichtet sein werden.

Mit der Verabschiedung des Konzepts «Juseso 2018» – so beschlossen am 14. September 2016 – sollen die Pastoralräume eigenverantwortlich Jugendarbeiter vor Ort anstellen. Die Juseso Fricktal soll ab diesem Zeitpunkt nicht mehr wie bis anhin die Pfarreien im ausserschulischen Oberstufenreligionsunterricht sowie bei Firmvorbereitung unterstützen. Mit Folgen: Von den aktuell noch 210 Stellenprozenten bleiben noch 70 übrig. Laut Yannik Müller, Mitglied des Juseso-Teams, ist davon auszugehen, dass von den bisherigen sechs Stellen – drei Jugendarbeitende im Teilpensum, zwei Auszubildende sowie eine Sekretariatsstelle – nur noch eine Stelle sowie voraussichtlich eine Ausbildungsstelle im Umfang von 60 Prozent übrig bleibt.

Kultinstitution am Abgrund

Es drohte der Juseso Fricktal gar das gänzliche Aus, nachdem der drittgrösste Beitragszahler Möhlin im Jahre 2015 austrat. «Der Anstoss kam bei uns aus dem Seelsorgeteam», erklärt Kirchenpflegepräsident André Beyeler. «Dieses wollte die Jugendseelsorge bei sich künftig selber gestalten und planen.» André Beyeler zeigt auf, dass man mit jährlich 42 000 Franken als drittgrösster Beitragszahler die Leistungen der Juseso Fricktal «ohnehin nur schlecht abgerufen» habe und sich ein solcher Schritt auch im Hinblick auf den künftigen Pastoralraum aufgedrängt habe.

Nachdem zuvor bereits Laufenburg die Zusammenarbeit mit der Juseso aufgekündigt hatte – gemäss Gemeindeleiter Thomas Frey waren unterschiedliche Auffassungen über das Firmkonzept der Grund – stellte der Austritt von Möhlin als drittgrösstem Beitragszahler das bisherige Konzept in Frage. Sowohl Möhlin als auch das zum Gebiet Laufenburg gehörige Mettauertal bauten eigene Stellen für die Jugendseelsorge auf. «Es schien, als erachteten nicht mehr alle Gemeinden im Fricktal die Dienstleistungen der Juseso für gleichermassen nötig», erinnert sich Thomas Büchler, Kirchenpflegepräsident in Rheinfelden. Konkret hätten diese Pfarreien auch nicht doppelt bezahlen wollen, sprich nebst einer eigenen Stelle noch eine überregionale Jugendseelsorgestelle finanzieren.» Thomas Büchler betont allerdings, dass man sich in gewissen Kirchgemeinden gleichwohl immer dafür eingesetzt habe, eine überregionale Stelle wie die Juseso zu erhalten.

Vorübergehend gerettet

Das Fricktal mit seiner Ausrichtung nach Basel umfasst 27 Pfarreien. Seit den 1970er Jahren wurde die kirchliche Jugendarbeit mittels einer überregionalen Seelsorgestelle organisiert. So konnten auch kleinere und finanzschwache Pfarreien profitieren. Über einen speziellen Finanzierungschlüssel hätten die grossen, finanzstarken Gemeinden wie Rheinfelden, Frick oder Möhlin oder auch Laufenburg nach dem Solidaritätsprinzip quasi den Löwenanteil übernommen, wie auch Thomas Büchler, Kirchenpflegepräsident in Rheinfelden erklärt.

Mit dem neuen Konzept «Juseso 2018» scheint das Solidaritätsprinzip unter den Fricktaler Gemeinden fürs erste wenigstens noch nicht gänzlich aufgekündigt. Rheinfelden und Frick als die grössten Beitragszahler der Juseso Fricktal entschlossen sich, für den Erhalt der Institution auch künftig jährlich namhafte Beiträge einzuschiessen, um wenigstens eine abgespeckte und deutlich günstigere Juseso Fricktal erhalten zu können. Dieses Konzept «Juseso 2018» wird auch von Möhlin mitgetragen, das gemäss Auskunft seines Kirchenpflegepräsidenten André Beyeler künftig noch etwa einen Viertel des ursprünglichen Beitrages beisteuern will. Es liege aber auf der Hand, dass die «neue Juseso Fricktal» ab 2018 den Gemeinden nicht mehr in gleichen Masse wird unter die Arme greifen könne, wie Yannik Müller vom Team der Juseso Fricktal erklärt. Konkret heisst das: Damit auch künftig noch eine gut organisierte kirchliche Jugendarbeit im Fricktal greift, braucht es neue Stellen in den Regionen.

Pastoralraumstellen für nicht existente Pastoralräume

Und genau bei diesem Punkt offenbart sich, auf welch unsicherem Fundament die kirchliche Jugendarbeit im Fricktal steht. Im Auftrag des Bistums sollen die 27 Pfarreien des Fricktals neu in fünf Pastoralräumen zusammengefasst werden. In diesen neuen Seeslorge-Einheiten, so seit jeher der Grundgedanke des Bistums, könnten Ressourcen gebündelt und Personalengpässe überbrückt werden, indem Angebote aller Art zusammengelegt und für alle Mitgliedspfarreien eines Pastoralraums erhalten bleiben. Das gilt auch für die Jugendarbeit: Das Konzept «Juseso 2018» sieht vor, dass bis 2018 in allen Pastoralraumstellen künftig Stellen für Jugendseelsorge geschaffen werden, die den Kahlschlag bei der Juseso kompensieren sollen.

In der Region um Möhlin (AG 18) sind die Vorbereitungen für die Pastoralraumerrichtung bereits weit fortgeschritten, in der Region Laufenburg sind erste Schritte unternommen. In den anderen drei Regionen (Rheinfelden, Frick und Eiken) hat der Prozess entweder noch nicht begonnen oder gilt als blockiert. Dass unter diesen Umständen die entsprechenden neuen Stellen für die Jugendarbeit im Fricktal innert Frist geschaffen werden können, wird von verschiedener Seite bezweifelt. «Ich sehe in der Realisierung dieses Prozesses Schwierigkeiten, da diese Stellen entstehen sollen, bevor überhaupt die Pastoralräume errichtet werden», so Andreas Wieland, Gemeindeleiter in Herznach, Hornussen und Zeihen.

Auch Christoph Küng, Gemeindeleiter in den Pfarreien Wittnau, Kienberg und Wölflinswil beurteilt das Ziel als ambitioniert: «Das ist schon eine Herausforderung; der Pastoralraum ist noch nicht errichtet und gleichwohl müssen wir eine Stelle aufbauen.» Allerdings habe man beim Aufbau eines Kirchlich Regionalen Sozialdienstes (KRSD) schon bewiesen, das so etwas möglich sei. Entsprechend optimistisch zeigt sich denn auch der südliche Kollege der beiden, Martin Linzmeier, Gemeindeleiter in Gipf-Oberfrick: «Wir haben im Gebiet des zukünftigen Pastoralraums bereits bewiesen, dass wir gut zusammenarbeiten können, auch wenn wir noch kein Pastoralraum sind.» Es sei das erklärte Ziel, bis 2018 für das Gebiet des künftigen Pastoralraums AG 20 das entsprechende Pensum für Jugendarbeit stellen können.

Vieles noch offen in Eiken, Rheinfelden und Laufenburg

Etwas zurückhaltender klingt es in Eiken, das mit dem Fischingertal einen Pastoralraum bilden soll. Man sei froh, dass seit dem 16. September 2016 im Fischingertal wieder ein Gemeindeleiter angestellt sei, erklärt Kirchenpflegepräsident Karl Widmer. Nun habe man wieder einen Ansprechpartner, «mit dem dann vielleicht auf Ende 2107 hin erste Gespräche hinsichtlich Pastoralraumbildung geführt werden können.» Auf die für 2018 zu schaffenden Jugendseelsorgestelle hin angesprochen, erklärt der Kirchenpflegepräsident: «Vielleicht können wir das vorziehen und in den nächsten Monaten hierüber schon Gespräche führen. Das bedingt aber guten Willen und gegenseitiges Verständnis.»

In Rheinfelden gibt es Hindernisse, «die Pastoralraumbildung wird aktuell nicht weiterverfolgt, gibt sich Kirchenpflegepräsident Thomas Büchler diplomatisch. Auch was die zu schaffende Jugendseelsorgestelle angeht, kann der Kirchenpflegepräsident noch nichts sagen, meint aber: «Bei uns arbeitet der Religionspädagoge Rado Stecki als Jugendseelsorger. Seine Stelle würde für einen Pastoralraum wohl nicht ausreichen, doch für Rheinfelden sind wir fürs erste abgedeckt.»

Und in Laufenburg, das noch vor Möhlin die Zusammenarbeit mit der Juseso aufgekündigt hatte? Gemeindeleiter Thomas Frey erwartet die Errichtung des Pastoralraums «AG 21» für das Gebiet Schynberg und Mettauertal «auf Ende 2017 oder Anfang 2018». Auf die Frage, ob er denn glaube, dass das Gebiet bis 2018 eine entsprechende Stelle für Jugendseelsorge stellen könne, wie sie das Konzept «Juseso 2018» vorsieht, meint der Diakon und Gemeindeleiter: «Das ist derzeit noch offen und Gegenstand der Gespräche im Zusammenhang mit der Errichtung des Pastoralraums». Beim Konzept «Juseso 2018» werde Laufenburg aber «vermutlich wieder dabei sein». Im Mettauertal, das zum Gebiet des künftigen Pastoralraums «AG 21» gehört, arbeitet bereits seit Jahren Pete Stöcklin als Jugendarbeiter. Pete Stöcklin begrüsst den «Ansatz, dass es künftig in den Pastoralräumen Stellen für kirchliche Jugendarbeit geben soll. Die Juseso musste lange Strecken zurücklegen und war nicht immer eine ideale Bezugsperson vor Ort.»

Abbau bei der Juseso bringt Pfarreien und Zugzwang

Thomas Büchler räumt ein, dass mit dem neuen Konzept «Juseso 2018» auch für Rheinfelden Engpässe entstehen, wo die Juseso bei der Firmvorbereitung und anderen Jugendprojekten assistierte. «Wie sind daran, die Lage zu überprüfen, ob und wo für uns die Verluste mit der abgespeckten Juseso entstehen könnten. Geichzeitig suchen wir, wenn nötig, Lösungen», erklärt Thomas Büchler. Insgesamt beurteilt der Kirchenpflegepräsident den eingeschlagenen Weg jedoch positiv: «Das alte, überregionale Konzept, war in den letzten Jahrzehnten von grosser Bedeutung, um kirchliche Jugendarbeit auch in kleinen, finanzschwachen Gemeinden sicherzustellen.» Die Idee der Pastoralräume sehe jedoch vor, dass diese neuen Seelsorge-Einheiten diesen Bereich selbständig abdecken.»

«Unter dem Strich gibt es für die Jugendarbeit im Fricktal letztlich mehr Stellen», meint gar Bernhard Lindner, Gemeindeleiter in Oeschgen. Angedacht sei für jeden Pastoralraum eine Jugendarbeiterstelle im Umfang von 50 Prozent. Zudem wolle man die regionale Stelle Juseso Fricktal ja behalten, um die Vernetzung unter den Jugendarbeitenden und die Durchführung gemeinsamer regionaler Projekte zu gewährleisten. Es sei aber auch angedacht gewesen, die Juseso als Hauptstelle für die Jugendarbeit im Fricktal zu verpflichten und auszubauen. «Wir haben dann gemerkt, dass es Pfarreien gab, die das nicht wollten», so Bernhard Lindner.

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