01.07.2020

Sommerserie Teil 1 – «Grüner Güggel» im Aargau

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Der erste Teil der Horizonte-Sommerserie «Kirche und Klima» widmet sich dem kirchlichen Umweltzertifikat «Grüner Güggel».
  • Am vergangenen Sonntag wurden die ersten Kirchgemeinden im Kanton mit dem Umweltlabel zertifiziert – ein Etappenziel.
  • Wie man den Grünen Güggel bekommt und wie kirchliches Umweltmanagement aussehen kann, zeigt das Beispiel des Pastoralraums Region Brugg-Windisch.

Nach drei Stunden konnte Iris Bäriswyl endlich aufatmen. So lange hatte der kirchliche Umweltrevisor Dietmar Cords im Katholischen Kirchenzentrum Schinznach-Dorf Küchenschränke inspiziert, Putzmittel geprüft und die Abfalltrennung unter die Lupe genommen. Dann setzte der kirchliche Umweltrevisor seine Unterschrift unter die Gültigkeitserklärung des Umweltberichts.

Aargauer Konvoi hat die erste Etappe gemeistert

Damit war für Iris Bäriswyl, die Umweltbeauftragte des Pastoralraums Region Brugg-Windisch, und ihr Team ein wichtiges Etappenziel erreicht: Am Sonntag, 28. Juni, konnte der Pastoralraum für sein Umweltmanagement den Grünen Güggel entgegennehmen. In der katholischen Kirche von Windisch fand die gemeinsame Zertifizierungsfeier des «1. Aargauer Konvois» statt. Neben dem Pastoralraum Region Brugg-Windisch haben auch die Pfarrei Heilige Familie Schöftland, der Pastoralraum Region Lenzburg sowie der Verwaltungs- und Fachstellenstandort der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau an der Feerstrasse 8 in Aarau ihr Umweltzertifikat erhalten. Damit beträgt die Zahl der zertifizierten Kirchgemeinden in der Schweiz neu 27.

Hoffnung für die nächste Generation

Die Mitarbeiter des Vereins oeku Kirche und Umwelt, der für die Zertifizierung verantwortlich ist, überreichten den Umweltteams der vier Institutionen die Zertifikate zusammen mit einer goldenen Metallplakette, die am Kirchengebäude angebracht werden kann. «Nun geht es darum, eure Anstrengungen nach Aussen zu tragen», sagte Hans Schilling, der Präsident der Kirchenpflege Brugg. «Denn Grün bedeutet Hoffnung – Hoffnung für die kommende Generation.»

In Gedanken barfuss gehen

Der Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi stand im Mittelpunkt der Feier in Windisch. Pastoralraumleiter Simon Meier bezeichnete die Schöpfung als «fünftes Evangelium, in dem die liebevolle Sorgfalt Gottes abgebildet ist.» Die Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei, Claudia Mennen, lud die Gläubigen ein, sich «in Gedanken barfuss meditierend auf den Weg zu machen» durch fünf Stationen im Altarraum. Jede Station nahm einen Vers aus dem Sonnengesang des Heiligen Franz von Assisi auf.

Wichtiges Mosaiksteinchen

«Die Bewahrung der Schöpfung ist eine der Kernbotschaften des Evangeliums», sagte Kirchenratspräsident Luc Humbel in der Eröffnungsrede. Papst Franziskus habe die Thematik in seiner Enzyklika «Laudato si’» schon Jahre vor der Klimabewegung aufgenommen. In der selbstverschuldeten Glaubwürdigkeitskrise, in der die Institution Kirche stecke, sei der nachhaltige Umgang mit Ressourcen ein kleiner Schritt auf dem steinigen Weg, die Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. «Darum ist uns dieses Mosaiksteinchen wichtig.» Nun zähle er darauf, dass der Grüne Güggel Schule mache, «weil es keiner Kirche, keiner Pfarrei aber auch keinem unter uns ansteht, die Ressourcen nicht zu schonen», mahnte der Kirchenratspräsident.

Nicht im Nachhinein klagen

Das Kriterium der Glaubwürdigkeit ist auch dem kirchlichen Umweltberater Andreas Frei wichtig: «Der Grüne Güggel ist eine Wertschätzung für die Anstrengungen im Umweltbereich und soll ein Glaubwürdigkeitsmerkmal sein, kein Marketinginstrument.» Der reformierte Pfarrer erklärt: «Der Name des Umweltlabels Grüner Güggel hat seinen Ursprung in der biblischen Passionsgeschichte. Petrus verleugnet Jesus dreimal. Erst als der Hahn kräht, wird ihm sein Verrat bewusst. Der Güggel soll uns Kirchenmitglieder daran erinnern, dass wir die Schöpfung nicht verraten und deswegen im Nachhinein bitterlich weinen müssen.» Das Konzept zum Grünen Güggel kommt aus Deutschland, wo unter dem Namen «Grüner Gockel» seit circa 20 Jahren kirchliches Umweltmanagement betrieben wird.

Aargauer Pioniere

«Ihr seid die ‹Grünen-Güggel-Pioniere› im Aargau, das macht mich das stolz», verkündete Vroni Peterhans in ihrer Laudatio am vergangenen Sonntag. Die vielseitig engagierte Kirchenfrau aus Künten ist Präsidentin des Vereins oeku Kirche und Umwelt, der für das Umweltmanagementsystem Grüner Güggel verantwortlich ist. Die vier Pioniere hatten sich im November 2018 im Konvoi auf den Weg zum Grünen Güggel gemacht.

Dabei entschied jede Kirchgemeinde selber, ob sie künftig vor allem Energie oder Wasser sparen, die Biodiversität fördern, umweltfreundlich einkaufen oder auf konsequente Abfalltrennung achten will. Um den Grünen Güggel zu erlangen, muss sich eine Kirchgemeinde drei selbst gewählte, messbare Ziele setzen: «Darin unterscheidet sich der Grüne Güggel von anderen Umweltlabels, etwa vom Minergie-Label, dessen Anforderungen man entweder erfüllt oder nicht. Der Grüne Güggel hat relative Ziele und will den Ist-Zustand verbessern», erklärt der kirchliche Umweltberater Andreas Frei. Er begleitete von Seiten oeku Kirche und Umwelt den Pastoralraum Region Brugg-Windisch durch die erforderlichen Schritte.

Gläubige sollen mitdenken

Erste Massnahme im Pastoralraum Region Brugg-Windisch sei gewesen, alle Pfarrei-Mitarbeiter über den Grünen Güggel zu informieren und alle Altersklassen, Berufsgruppen und Arbeitsgruppen in den Prozess zu involvieren, erinnert sich Iris Bäriswyl. So gelangte das Wissen in die ganze Pfarrei. Der Umweltberater Andreas Frei schätzt dieses Vorgehen: «So können alle Mitglieder mitdenken und Eigeninitiative entwickeln. Die Gemeindemitglieder müssen die kleinen Veränderungsschritte mitgehen, man soll die Gläubigen mit den Massnahmen nicht überfordern.»

Theologische Komponente des Umweltschutzes

Papst Franziskus verband in seiner Enzyklika «Laudato si’» die Problematik der leidenden Umwelt mit der Problematik des leidenden Menschen. Der Grüne Güggel fordert zwar nicht in erster Linie, Verzicht zu üben. Dennoch beinhaltet der Prozess hin zum Umweltlabel eine ergiebige spirituelle Komponente. Andreas Frei verdeutlicht: «Die Themen Genügsamkeit und Glück führen direkt zum ‹Kerngeschäft› der Kirche. Es geht um die Suffizienzfrage: Was macht mich wirklich glücklich?» Der reformierte Pfarrer fügt an: «Konsum wird es nicht sein.»

Umweltteams arbeiten weiter

Im Pastoralraum Region Brugg-Windisch ersetzte das Umweltteam sämtliches Papier durch Papier mit dem «Blauen Engel», das zu 100 Prozent recycelt ist. «Ausserdem überlegen wir bei jeder Anschaffung, ob wir das Material wieder ‹upcyceln› können», erklärt Iris Bäriswyl. Zusätzlich erfasste das Umweltteam den Verbrauch jedes einzelnen Gebäudes und setzte sich das Ziel, diesen um 10 Prozent zu senken.

In den kommenden Monaten gilt es, dranzubleiben. Die Umweltteams der zertifizierten Kirchgemeinden bleiben bestehen und arbeiten an den Zielen, die sie sich gesetzt haben. Jährlich gibt es ein internes Audit, in vier Jahren folgt die Revalidierung und – hoffentlich – die Rezertifizierung. Die Ausschreibung für den zweiten Konvoi ist in Arbeit. Er wird im Januar 2021 starten.

Umweltbericht

Die Resultate des umfangreichen Prozesses und die weiteren Zielsetzungen des «Grünen Güggels» im Pastoralraum Region Brugg-Windisch sind im Umweltbericht zusammengefasst, der hier heruntergeladen werden kann.

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