07.08.2023

Versteckt in einem idyllischen Tal steht die Kapelle Jonental
Sommerserie «Kirche backstage», Teil 3: Nicole Zimmermann, Sakristanin

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Wer macht eigentlich die Arbeit hinter den Kulissen der Kirche?
  • Die «Horizonte»-Sommerserie geht «backstage» und stellt Menschen vor, die ihre Aufgabe im Hintergrund erfüllen.
  • Zum Beispiel die Sakristanin Nicole Zimmermann, die sich um den beliebtesten Marienwallfahrtsort im Aargau kümmert.

Sakristanenarbeit ist Arbeit im Hintergrund. Kerzen platzieren und anzünden, Blumenschmuck zusammenstellen, staubsaugen, wischen und Glockenläuten gehören zu den Aufgaben, die vor und nach den Feiern in einer Kirche erledigt werden müssen.

Noch besser versteckt als die meisten Berufskolleginnen geht Nicole Zimmermann ihrer Arbeit nach. Ihr Einsatzort, die Kapelle Jonental, steht abseits des Dorfs Jonen, in einem Tal auf einer Waldlichtung am Ufer des Jonenbachs. Jeden Morgen fährt Nicole Zimmermann mit dem Velo von Jonen durch den Wald bis zur Kapelle und schliesst die Türe auf. In den Sommermonaten ist die Kapelle ab morgens um 6 Uhr geöffnet für Wanderer, Wallfahrerinnen und andere Menschen, die nach Ruhe suchen und Kraft tanken wollen.

Die Leute tragen ihre Sorgen hierher

Die idyllisch gelegene Kapelle am Ufer des Jonenbachs gehört zu den wichtigsten Marienwallfahrtsorten im Aargau. Eine Marienerscheinung führte zum Bau der Kapelle, deren Anfänge im 14. Jahrhundert liegen. Der heutige Bau entstand im 18. Jahrhundert. «Viele Menschen tragen ihre Sorgen hierher», sagt Nicole Zimmermann. Die Einträge im Fürbittenbuch zeugen davon. Manche Leute bezeichnen die Kapelle im Jonental als «Kraftort». «Ich selber bin nicht so ‘gspürig’», sagt Nicole Zimmermann, «doch der Ort hat etwas Besonderes, sonst kämen nicht so viele Menschen hierher.» Nicole Zimmermanns «Strichliliste» im Putzschrank verrät, dass in der Kapelle pro Monat etwa 300 bis 400 Kerzen angezündet werden.

3 Fragen an Nicole Zimmermann

Was würde passieren, wenn Sie Ihren Job nicht machen würden?
Der Pfarrer käme ins Schleudern. Irgendwann wäre die Kirche staubig, die Kerzen gingen aus, die Blumen verwelkten. Früher oder später gäbe es eine Reklamation ans Pfarramt.

Was motiviert Sie für diese Arbeit?
Die Dankbarkeit der Menschen, ihre Offenheit. Die Flexbilität meiner Arbeit, ich muss nicht, ich darf.

Woran glauben Sie?
Ich glaube daran, dass jedem Menschen der Zeitpunkt bestimmt ist, wann er gehen muss. Ich bin überzeugt, dass jede und jeder an etwas glaubt, sonst würde es diesen Ort nicht geben.

«Die Dankbarkeit und das Vertrauen der Menschen, die hierherkommen, gefallen mir an meiner Arbeit am besten», sagt die Sakristanin. «Wenn ich Arbeiten rund um die Kapelle verrichte, passiert es oft, dass mich Leute ansprechen und mir von sich und ihren Sorgen erzählen.»

Nicole Zimmermanns Mann stammt aus Jonen, das Ehepaar hat in der Kapelle Jonental geheiratet. Die Verbindung der Zimmermanns zur Kapelle war also schon länger gegeben. Umso grösser war die Freude, als vor rund zwei Jahren der Wunsch in Erfüllung ging, einmal an diesem schönen Ort zu arbeiten.

Orchideen für Maria

Die gelernte Bäcker-Konditorin und dreifache Mutter schätzt es, dass sie ihre Arbeit weitgehend frei einteilen kann. Im 30 Prozent-Pensum ist sie für den Unterhalt der Kapelle und der Umgebung zuständig. Genügend Opferkerzli bereitzustellen, gehört ebenso zu ihren Aufgaben wie das Pflegen der liturgischen Gefässe und Gewänder, die Entgegennahme von Reservationen und das Arrangieren des Blumenschmucks. Nicole Zimmermann achtet darauf, dass die Sträusse und Gestecke möglichst saisonal sind und lange halten. Regelmässig findet die Sakristanin Orchideen, die offenbar von Pilgerinnen und Pilgern anderer Religionszugehörigkeit – im Hinduismus ist die Orchidee eine begehrte Opfergabe – als Gabe für Maria deponiert werden: «Diese Orchideen integriere ich in den Blumenschmuck.»

Das Rasenmähen und weitere Unterhaltsarbeiten rund ums Gebäude übernimmt ihr Mann. Die Zufahrt für Transporte ist über die Waldstrasse möglich. Manchmal erledigt Martin Zimmermann solche Fahrten mit dem Traktor – und hat damit einen Sympathiebonus, wie Nicole Zimmermann weiss: «Kommst du mit dem Auto, erntest du böse Blicke. Kommst du jedoch mit dem Traktor, haben die Fussgänger Freude und winken dir.»

Den Rhythmus gefunden

Als Sakristanin ist Nicole Zimmermann bei jedem Gottesdienst dabei, seit einiger Zeit ist sie zudem als Lektorin tätig. Ebenfalls zu ihren Aufgaben gehört das Glockenläuten zum Gottesdienst. Vor dem Altarraum hängt dafür ein Seil von der Decke. «Einfach läuten», lautete die Anweisung, die Nicole Zimmermann zu Beginn ihrer Tätigkeit bekam. «Ich hatte keine Ahnung, in welchem Abstand und wie lange», erinnert sie sich. Inzwischen hat sie ihren Rhythmus gefunden: «Ich ziehe 60-mal am Seil, das Läuten dauert dann etwa eine Minute.»

Maria Himmelfahrt in der Kapelle Jonental

Jeden zweiten und vierten Samstagmorgen im Monat findet in der Kapelle Jonental ein Gottesdienst statt. Im Marienmonat Mai herrscht im Jonental Hochbetrieb: Jeden Sonntag um 14.30 Uhr findet eine Marienandacht statt, die jeweils viele Leute anzieht. Auch im Oktober finden jeweils am Sonntag um 14 Uhr Rosenkranzgebete statt. Ein weiterer Höhepunkt ist der Gottesdienst zu Maria Himmelfahrt, der dieses Jahr am Dienstag, 15. August, um 10 Uhr stattfindet. Dank Nicole Zimmermanns Arbeit hinter den Kulissen wird die Glocke dann 60-mal durchs Tal tönen und zur Feier in der blumengeschmückten Kirche rufen.

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