02.03.2016

Stabile Mitgliederzahlen

Von Andreas C. Müller

Bei der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau pendeln sich die Austritte bei 3 000 Personen pro Jahr ein. Über die Zuwanderung werden zwei Drittel dieser Abgänge wieder kompensiert. Christkatholiken und Reformierte profitieren allerdings nicht in gleichem Masse von der Migration.

Erneut sind im vergangenen Jahr viele Menschen aus der Römisch-Katholischen Kirche ausgetreten. Insgesamt 3 035 waren es 2015, gegenüber 2014 sind das 0,4 Prozent weniger. Der Blick auf die Statistiken der letzten drei Jahre zeigt: Die Austritte pendeln sich um die 3 000 ein. Zwar bleibt die Zahl der Eintritte mit 109 Personen klein, «doch ist dies angesichts des grossen Schrittes, der für einen Kircheneintritt notwendig ist, gleichwohl beachtlich», erklärt Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche Aarau. Dutzende Eintritte erfolgten nach wie vor über die Seite www.kircheneintritt-ag.ch im Internet. Den gern bemühten «Franziskus-Effekt» gebe es aber nicht. «Ein volksnaher Papst sorgt demnach nicht für mehr Kircheneintritte – möglicherweise trägt er aber dazu bei, dass viele Menschen der Kirche die Treue halten.»

Ein Drittel katholisch
Auf den zweiten Blick sieht die Situation im Aargau gar nicht so kritisch aus, zumal die Zahlen lediglich explizite Ein- und Austritte auflisten, nicht jedoch die Entwicklung der Mitgliederzahlen infolge von Taufen von Neugeborenen oder Todesfällen. Auch die Zu- und Abwanderung wird für die jährlichen Kirchenein- und Austrittszahlen nicht berücksichtigt. Schaut man sich den Mitgliederbestand insgesamt an, zeigt sich, dass die Römisch-Katholische Landeskirche im Aargau 2015 gegenüber dem Vorjahr nur 923 Personen weniger verzeichnete. Waren es 2014 insgesamt 220 956 Mitglieder, so wurden für 2015 noch 220 033 Personen gezählt. Das heisst: Noch immer über ein Drittel des Kantons (die Gesamtbevölkerung liegt bei 645 000) ist römisch-katholisch. Bei den Christkatholiken präsentiert sich die Situation etwas weniger komfortabel: Verzeichnete die kleinste Landeskirche im Aargau 2014 insgesamt 3 081 Mitglieder, so waren es 2015 noch 2 952: Das ist ein Rückgang um 4 Prozent.

Zuwachs in reformierten Gebieten
Marcel Notter, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Landeskirche Aargau, sieht die jüngsten Zahlen mit gemischten Gefühlen, bleibt aber zuversichtlich. «Die Mitgliederzahl bleibt recht stabil. In den Gebieten des alten, ehemals vorwiegend reformierten Berner Aargaus bestehe sogar weiterhin ein leichtes Wachstum, ebenso in Gemeinden, deren Einwohnerzahl generell ansteige. Für Marcel Notter heisst das auch: «Die Römisch-Katholische Kirche profitiert von der Struktur der jüngsten Migrationsbewegungen.»

Zuwanderung bringt Katholiken
Fest steht: So lange weiterhin viele Spanier, Portugiesen und Italiener in die Schweiz kommen, bleiben die Mitgliederzahlen der Römisch-Katholischen Kirche stabil oder steigen sogar. Die Menschen aus diesen Ländern sind mehrheitlich römisch-katholisch, zudem gehören gemäss einer Darstellung der Aargauer Zeitung vom 28. August 2015 gerade Italien und Portugal neben Deutschland zu den Top 3-Zuwanderungsländern.

Unterschlagener Migrationseffekt bei den Reformierten
Bei den Aargauer Reformierten werden die Zahlen erst auf Anfang April veröffentlicht. Jedoch liessen Rückfragen von Horizonte beim reformierten Medienverantwortlichen Frank Works gewisse Rückschlüsse zu. Während die Römisch-Katholische Kirche ganze eindeutig von der Zuwanderung profitiert, wirkt sich diese auf die reformierte Schwesterkirche kaum aus. «Die Personen, aus denen sich die Migration in der Schweiz zusammensetzt, sind nur zu einem geringen Anteil protestantischer Konfession», weiss Frank Worbs. «Angehörige protestantischer Kirchen leben vorwiegend in Nordamerika oder Nordeuropa.» Es erstaunt jedoch, dass die Zuwanderung aus Deutschland den Reformierten keinen Zuwachs beschert. Gemäss der bereits erwähnten Studie der Aargauer Zeitung ist Deutschland (zu je 30 Prozent reformiert und katholisch) nach Italien nämlich die Nummer 2 bei der Zuwanderung in die Schweiz. Frank Worbs erklärt es so: Die Einwohnerkanzleien erfassen die aus Deutschland zugezogenen «Lutheraner» nicht automatisch als «evangelisch-reformiert». Man habe mittlerweile aber reagiert und einen Informationsbrief zuhanden der Kirchgemeinden entworfen. Mit diesem sollen die Kirchgemeinden an die Einwohnerkanzleien gelangen und bitten, dass allen Lutheranern oder Evangelischen dieses Schreiben zugestellt wird. «Im Brief weisen wir auf die lutherischen Kirchgemeinden in der Schweiz in den grossen Zentrumsorten Bern, Zürich, Basel und Genf hin, erklären aber auch, dass die evangelisch-reformierte Kirche vor Ort die reformierte Kirche ist.»

Beheimatung bieten
Für Marcel Notter zählt aber neben den Zahlen vor allem eins: «Wir wollen, dass die 220 000 Katholikinnen und Katholiken bei uns in der Kirche eine gute Beheimatung erfahren. Dafür setzen wir uns mit allen Kräften ein, beispielsweise mit aktiven Kirchgemeinden und Pfarreien.» Als weitere Beispiele erwähnt Marcel Notter verschiedene Projekten wie beispielsweise die letztes Jahr lancierte Wohnbaugenossenschaft «Faires Wohnen». «Die Lange Nacht der Kirchen am 17. September dieses Jahres, an der sich rund 80 Kirchgemeinden beider grosser Konfessionen beteiligen, wird überdies ein weiterer Anlass sein, die Kirche wieder ins Bewusstsein zu bringen.»

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.