25.01.2018

Sturmschäden rund um Kirchen: Wer zahlt?

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Rund 4 500 Sturmschäden an Gebäuden sind bei der Aargauischen Gebäudeversicherung nach den Stürmen Burglind, Evi und Friederike gemeldet worden. Die Schadensumme im Kanton beläuft sich auf 12 bis 14 Millionen Franken.
  • 17 kirchliche Gebäude im Kanton wurden durch den Sturm beschädigt.
  • Die meisten Schäden sind durch die Gebäudeversicherung gedeckt. Und doch gibt es Lücken, wie der Fall in der Pfarrei Peter und Paul in Aarau zeigt.

 

Geballte Frauenpower zu Jahresbeginn – die Stürme Burglind, Evi und Friederike bescherten uns einen tosenden Januar und sorgten auch für Schäden an Aargauer Kirchengebäuden. In Laufenburg, Zofingen und Bremgarten wehte es Ziegel von den Kirchendächern, in Oberwil-Lieli riss Burglind ebenfalls Schindeln vom Dach sowie einen Fensterladen vom Pfarrhaus ab. Auch in Sarmenstorf fielen Ziegel und der Wind schlug die Seitentür der Kirche so heftig auf, dass sie zersplitterte. 17 Schadensmeldungen, welche kirchliche Gebäude betreffen, sind bei der Aargauischen Gebäudeversicherung eingegangen.

Baum abtransportieren für 2 000 Franken

In der Pfarrei Peter und Paul in Aarau fiel ein rund zehn Meter hoher Baum auf das Dach der Galerie, welche Kirche und Pfarrhaus verbindet. Die Gebäudeversicherung bezahlt zwar das kaputte Dach, doch die Kosten für die Entfernung des Baums muss die Kirchgemeinde tragen. Der Baum musste vor Ort zersägt und dann abtransportiert werden. Das kostete etwa 2 000 Franken, wie Sakristan Hans Henzmann sagt. Die Zahl der Schadenfälle auf kirchlichem Terrain dürfte also um einiges höher als 17 liegen. Denn Schäden in der Umgebung der Kirchen, welche keine baulichen Anlagen der Umgebung darstellen, fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gebäudeversicherung und sind somit nicht erfasst.

Höhere Prämien für Kirchen mitten in der Stadt

Kirchliche Gebäude wie Glockentürme und Kirchgemeindehäuser sind obligatorisch bei der Aargauischen Gebäudeversicherung gegen Feuer- und Elementarschäden versichert. Sie fallen in die gleiche Tarifkategorie wie Wohnhäuser. Die Prämie richtet sich nach dem Gebäudevolumen. Dieses wird anhand der kubischen Berechnung ermittelt: Das Gebäudevolumen wird mit dem Kubikmeterpreis, der je nach Standort und Baumaterialisierung der Kirche variiert, multipliziert und ergibt so den Versicherungswert. Die Multiplikation von Gebäudeversicherungswert und Prämiensatz ergibt die Prämie. Befindet sich die Kirche mitten in der Stadt, ist der Wiederaufbau schwieriger und in der Regel teurer, als wenn sie isoliert auf einem Hügel steht. Dies wird in der Einschätzung mitberücksichtigt. Die durchschnittliche Prämie von Aargauer Kirchen liegt bei 1 700 Franken.

Gebäude obligatorisch, Umgebung freiwillig

Die Gebäudeversicherung deckt die Gebäudehülle. Das Mobiliar im Haus ist durch die Hausrats- bzw. Sachversicherung gedeckt. Schäden an so genannten «baulichen Anlagen der Umgebung» – zum Beispiel Mauern, Treppen, Geländer, Bassins oder Sichtschutzwände – können durch die freiwillige Zusatzversicherung mitversichert werden. Die kantonalen Gebäudeversicherungen in den Kantonen Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Bern, Basel, Glarus, Nidwalden, Schaffhausen und Waadt bieten eine solche freiwillige Umgebungsversicherung an.

Liegt der Baum noch auf dem Dach?

Aber auch die Umgebungsversicherung hätte den Aarauern im konkreten Fall nichts genützt. Fällt ein Baum auf ein Gebäude, gibt es laut Peter Schiller von der AGV zwei mögliche Fälle. Liegt der Baum noch auf dem Dach und muss entfernt werden, um das beschädigte Gebäude zu reparieren, bezahlt die Gebäudeversicherung die Kosten für das Entfernen des Baums von Gebäudedach. Fällt aber ein Baum aufs Dach, beschädigt dieses und fällt dann zu Boden, werden die Entfernung und der Abtransport des Baums nicht vergütet. Auch wird im Aarauer Fall der Ersatz des Baums nicht bezahlt: «Alles, was grün ist, kann die Gebäudeversicherung nicht versichern», umschreibt Peter Schiller von der AGV den Umstand. Bäume und Bepflanzungen können allenfalls bei einer privaten Versicherungsgesellschaft versichert werden.

Wer nicht vorsorgt, bezahlt selber

Der Umgang mit der Versicherung von Sturmschäden hat sich in den letzten Jahren verändert. Während Prävention kurz nach dem Jahrhundertsturm Lothar im Dezember 1999 noch nicht im Fokus stand, wird sie heute gross geschrieben, erläutert Peter Schiller von der Aargauischen Gebäudeversicherung. Seit dem Jahr 2012 habe der Versicherer die Möglichkeit, einem Eigentümer Auflagen zu machen. Als Beispiel: Ein Wintergarten, dessen Dach mit Doppelstegplatten aus Plexiglas erstellt wurde, könnte mit Glas gegen Hageleinwirkung verstärkt werden. Die AGV beteiligt sich an diesen Mehrkosten mit 40 Prozent. Kommt der Eigentümer seiner Präventionspflicht nicht nach, muss er im Schadensfall mit einem zusätzlichen Selbstbehalt und allenfalls einer Leistungskürzung rechnen. Peter Schiller: «Jeder Eigentümer soll für die Sicherheit seines Gebäudes besorgt sein – mit zumutbarem Aufwand natürlich.» Bei historischen Gebäuden wie Kirchen sei der Unterhalt entsprechend aufwendiger, fügt er hinzu.

Ungutes Bauchgefühl in Laufenburg

Davon kann Roland Schnetzler ein Lied singen. Der Kirchenpflegepräsident von Laufenburg wird unruhig, wenn ein Gewitter aufzieht oder Wind durchs Städtchen fegt. Die Kirche Johannes der Täufer thront auf einem Hügel über der Altstadt an sehr exponierter Lage. Deshalb beschlich den Kirchenpflegepräsidenten auch während des Sturms Burglind am 2. Januar ein ungutes Gefühl. «Ich machte einen Kontrollgang in der Kirche, kam in den Estrich und konnte gleich hinausschauen», erzählt Roland Schnetzler. Die heruntergefallenen Ziegel konnten zum Glück noch gleichentags wieder befestigt werden. Das war nötig, denn auch für die Verhinderung von Folgeschäden ist der Eigentümer verantwortlich. Die Webseite hausinfo.ch liefert ein Beispiel: «Hausbesitzer sind verpflichtet, ein beschädigtes Dach schnellstmöglich provisorisch vor eindringendem Regenwasser zu schützen. Wird dies unterlassen, kann der Gebäudeversicherer die Haftung für Folgeschäden einschränken oder ablehnen.»

Wasserfall in der Kirche

Doch sei bei der Laufenburger Kirche ständige Kontrolle nötig, hält Roland Schnetzler fest. Bei starkem Regen kam es schon mehrmals vor, dass Wasser aus der Dachrinne ins Kircheninnere floss. Das Wort «fliessen» sei leider keine Übertreibung, meint er und berichtet von einem regelrechten Wasserfall, der sich ins Seitenschiff ergossen habe. Nach wiederholten Wasserschäden habe die Mobiliar verlangt, dass die Dachrinne anders montiert werden müsse. Ansonsten werde sie bei weiteren Wasserschäden Regress auf den Eigentümer nehmen.

Denkmalpflege bietet Hand für Lösungen

Doch wie leicht lassen sich solche baulichen Anpassungen an einem denkmalgeschützten Objekt überhaupt realisieren? Der Kantonale Denkmalpfleger Reto Nussbaumer weiss, dass die Ansicht verbreitet ist, die Denkmalpflege lege dem Eigentümer bei Umbauarbeiten Steine in den Weg. Jedoch sei diese Annahme falsch: «Die Denkmalpflege ist ein konstruktiver Partner, und bietet Hand für Lösungen. Auch am geschützten Objekt kann man arbeiten. Es ist ja auch in unserem Interesse, Schäden am Gebäude zu vermeiden.»

Eichentüre zersplittert

Im Fall von Sarmenstorf, wo die Seitentüre der Kirche teilweise zersplittert war, konnte die Reparatur ohne Mitwirkung der Denkmalpflege ausgeführt werden. Michael Rüttimann, verantwortlicher Kirchenpfleger für Bau und Unterhalt, erklärt: «Der Schreiner hat die kaputten Teile aus demselben Holz in demselben Farbton nachgebaut.» Weil die Türe so wieder in den Originalzustand kommt, wird die Denkmalpflege nicht beigezogen. Die Türfüllungen waren noch intakt und können wiederverwendet werden. Scharniere und Türschloss der alten Eichentüre kann der Schreiner ausbauen und in die neue Tür einsetzen. «Wären die Beschläge ebenfalls defekt gewesen, hätten wir die Denkmalpflege wohl beigezogen, da hätten wir nicht so einfach Ersatzteile gefunden», sagt Michael Rüttimann. Die Reparatur der Tür kostet rund 8 000 Franken und wird von der Gebäudeversicherung bezahlt.

Versicherungsexperte der Landeskirche weiss Rat

Die Römisch-Katholische Kirche im Aargau unterstützt die Kirchgemeinden in Versicherungsfragen. Ansprechperson ist der Versicherungsfachmann Martin Egli. Hilferufe von Aargauer Kirchgemeinden wegen Sturmschäden hat er bis jetzt keine erhalten. «Das zeigt, dass die Kirchenpflegen gut geschult sind und wissen, wie sie im Schadensfall vorgehen müssen», sagt Martin Egli. Vor zwei Jahren fand im Rahmen der Kirchenpflegertagung ein Workshop zu Versicherungsfragen statt. Den nächsten gebe es im kommenden Jahr, nach den Neuwahlen der Kirchenpflegen, stellt Martin Egli in Aussicht. Gerne dürfen sich Kirchgemeinden bei Fragen rund um die Versicherung an ihn wenden: bmegli@bluewin.ch.

 

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