07.04.2016

Trotz allem ein leuchtender Tag

Von Marie-Christine Andres Schürch

Der feierliche Einzug in die Kirche, Festmusik, ein liebevoll vorbereiteter Gottesdienst, weisse Gewänder, kunstvolle Frisuren und Kränze sowie die Familienfeier machen die Erstkommunion für Kinder, Eltern und Verwandte zu einem besonderen Erlebnis. Im Zentrum steht aber nach wie vor die erste heilige Kommunion. Ob diese zwingend innerhalb einer Eucharistiefeier stattfinden muss, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Am vergangenen Sonntag feierten viele Aargauer Pfarreien Erstkommunion. Auch nächsten und übernächsten Sonntag empfangen Drittklässler im ganzen Kanton ihre erste heilige Kommunion. «Die Erstkommunion als Fest für die Kinder und die Familie hat sich aus meiner Sicht in den vergangenen Jahren nicht stark verändert», sagt Diakon Andreas Wieland, Gemeindeleiter der Fricktaler Pfarreien Herznach, Hornussen und Zeihen. Verändert haben sich jedoch die Rahmenbedingungen.

Wurde früher die Erstkommunion weitherum am ersten Sonntag nach Ostern, dem «Weissen Sonntag» gefeiert, sind diese Feiern heute über mehrere Wochen verteilt und ziehen sich bis in den Mai hinein. Für viele Pfarreien wird es zunehmend schwierig, einen Priester zu organisieren, der Eucharistie feiern darf. Gottesdienste müssen um Wochen verschoben oder auf Randzeiten angesetzt werden. Der Priestermangel stellt die Pfarreien vor Herausforderungen. Deshalb gibt es solche, die ihre Erstkommunionfeier in einen Wortgottesdienst einbinden. Gemeindeleiter Andreas Wieland findet das vernünftig: «Ich bin kein Gegner von Eucharistiefeiern, überhaupt nicht. Aber es ist nicht mehr realistisch, jede Erstkommunionfeier als Messe abhalten zu können.» Als Verfechter von pastoralen Ansätzen, die tragfähig sind und Zukunft haben, finde er die Einbettung der Erstkommunion in einen Wortgottesdienst sinnvoll. «Man muss sich also ganz grundsätzlich fragen, wie man die Erstkommunionfeier zeitgemäss gestalten kann.»

Wandlung bleibt ausgeklammert

Das Dilemma dabei ist, dass in einem Wortgottesdienst genau jener Bestandteil fehlt, den die Katechetinnen und Religionslehrer in der Vorbereitung thematisieren: die Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Adrian Bolzern ist mitarbeitender Priester in der Pfarrei Peter und Paul in Aarau. Am vergangenen Sonntag feierte er zusammen mit der Katechetin Berta Lammer und 37 Drittklässlern eine würdige Erstkommunion. Er war auch in den Unterricht und die Vorbereitung eingebunden. Eine Wort-Gottes-Feier sei nicht besser oder schlechter als eine Eucharistiefeier, sondern einfach eine andere Form, hält Adrian Bolzern fest. Doch wenn möglich, sei es sinnvoll, gerade eine Erstkommunion als Messe zu feiern: «Sonst erleben die Kinder nicht das, was wir ihnen vorher erzählt haben.» Die Kinder bekommen zwar die geweihte Hostie, nicht aber den Prozess der Wandlung mit. Das eigentliche Geheimnis des Glaubens bleibt ausgeklammert.

Bistum lancierte Umfrage

Auch die Verantwortlichen beim Bistum haben offenbar festgestellt, dass einzelne Pfarreien die Erstkommunion in einem Wortgottesdienst feiern. Vor genau einem Jahr verschickte Weihbischof Denis Theurillat einen Brief an alle Dekane, Co-Dekane und Co-Dekanatsleiter im Bistum Basel. Die Leitungsverantwortlichen in den 33 Dekanaten sollten sich zu drei Fragen äussern:

1. Wissen Sie von Erstkommunionfeiern als Wortgottesfeiern mit Kommunionspendung in ihrem Dekanat?
2. Wenn ja, wie haben Sie darauf reagiert?
3. Wie können wir aus Ihrer Sicht weiterhin garantieren, dass jede Erstkommunionfeier in einer Eucharistiefeier stattfindet?

Die Frage nach Eucharistie oder Wortgottesdienst gelangte auch an Diakon Andreas Wieland. «Ich habe ehrlich geantwortet», erklärt er. Da erreichte ihn vor einigen Wochen das telefonische Angebot aus Solothurn, einen Priester oder gar den Bischof persönlich für das Abhalten einer Eucharistiefeier in die Pfarrei zu schicken. «Natürlich würde ich einen Priester oder den Bischof nicht ausschlagen. Aber es kann nicht die Lösung des Problems sein, dass das Bistum in Zukunft jedesmal jemanden vorbeischickt.», erklärt Andreas Wieland. Die Bereitschaft, im Bedarfsfall mit Priestern auszuhelfen, zeigt aber, dass der Eucharistiefeier zur Erstkommunion beim Bistum grosse Bedeutung beigemessen wird.

Wunsch: Eucharistiefeiern im ganzen Bistum

Joachim Köhn-Bamert, Pastoralverantwortlicher beim Bistum Basel, erklärt denn auch auf Anfrage: «Bischof Felix Gmürs Anliegen und Wunsch war es, dass im ganzen Bistum die Erstkommunionfeiern immer im Rahmen einer Eucharistiefeier stattfinden sollen.» Da die bistumsweite Umfrage ergeben hätte, dass «sehr vereinzelt Erstkommunionfeiern als Wortgottesfeiern mit Kommunionspendung stattfanden», sei in diesen wenigen Fällen das Gespräch mit den Seelsorgenden gesucht worden. Zudem hätten die verantwortlichen Dekane Lösungsansätze skizziert, wie die Eucharistiefeier zur Erstkommunion gewährleistet bleiben könnte.

Ergänzung anstatt Konkurrenz

Unabdingbar wäre aus seiner Sicht, dass sich der vom Bistum entsandte Priester in den geplanten Ablauf der Feier einfügt und die Vorbereitungen und Ideen der Seelsorgenden und Katechetinnen vor Ort respektiert. Das findet auch Caroline Küng. Die Katechetin aus Wittnau ist schon lange in der Erstkommunionvorbereitung tätig und kennt die Bedürfnisse von Kindern und Eltern. Zum Thema Eucharistiefeier meint sie: «Vertrauen wird durch Kontinuität aufgebaut. Der Gemeindeleiter und die Katechetin begleiten die Kinder über Monate. Steht dann während der Erstkommunion plötzlich ein fremder Mann am Altar, kann das verunsichern und verwirren.» Bei der Feier der Erstkommunion in Wittnau kann Caroline Küng seit Jahren auf die Hilfe eines pensionierten Priesters zählen. Für sie eine sehr angenehme und gute Zusammenarbeit. Doch die pensionierten Priester und die Patres aus verschiedenen Orden, die ebenfalls Eucharistiefeiern ausrichten, werden weniger. Neue Lösungen werden gefragt sein. Auch Adrian Bolzern ist neben Aarau in weiteren Pfarreien bei der Erstkommunionfeier dabei. Er betont, dass er als Priester eine Ergänzung zu den Seelsorgenden vor Ort sei, keine Konkurrenz.

Zeit freischaufeln

Caroline Küng überblickt als langjährige Organisatorin der Erstkommuniontagung in der Propstei Wislikofen die wichtigsten Entwicklungen. Vor allem nimmt sie wahr, dass sich junge Familien die Zeit für die Vorbereitung auf den grossen Tag freischaufeln müssen: «Die Erstkommunion ist nach wie vor ein wichtiges Ereignis, aber die Vorbereitung ist intensiv und wird von den Eltern manchmal als zusätzliche Pendenz empfunden.» Auch die Vorbereitungstage in Wislikofen spüren diesen Druck: die Teilnehmerzahl war in den letzten Jahren leicht rückläufig.

Erste und zugleich letzte Kommunion?

Die Vorbereitung auf die Erstkommunion ist für die Eltern aber auch die Chance, sich wieder bewusst auf Glaubensfragen einzulassen. Vielen Eltern ist der Bezug zur Kirche abhanden gekommen, so dass sie diesen nicht mehr an ihre Kinder vermitteln können. Caroline Küng ist sich dessen bewusst: «Die wenigsten Kinder gehen mit der Familie in die Kirche. Gottesdienste sind heute für viele Kinder und Eltern eine fremde Welt.» Der Theologe Jürg Stuker, Priester in der Diözese Chur, wünschte sich schon vor einigen Jahren in einem Artikel, dass die Erstkommunion Anfang und nicht Endstation sein solle: «Es ist nicht zynisch, wenn man sagt, dass es für viele Erstkommunionkinder nach dem Weissen Sonntag auch bei einer ‚Erstkommunion’ bleibt, eine ‚Zweitkommunion’ lässt lange auf sich warten.»

Der Tag hallt nach

Ob Kinder nach der Erstkommunion weiterhin in die Kirche gehen, liege vor allem in den Händen der Eltern und hängt auch davon ab, ob in einer Pfarrei Familiengottesdienste stattfinden, weiss Caroline Küng. Sie erlebe aber, dass der Weisse Sonntag bei Kindern und Eltern trotz Termindruck und Kirchenferne durchaus nachhalle. Die Erstkommunion ist nach wie vor ein besonderer Moment, ja ein leuchtender Tag: «Wer sich mit dieser Feier befasst, kommt automatisch auf das ganze Glaubensleben zu sprechen. Jesus stärkt uns mit seiner Liebe. Das ist für mich immer noch ein Geheimnis. Und ich bin sicher, dass Kinder dafür noch feinere Antennen haben als Erwachsene.»

 

 

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