24.09.2020

Seit einem Jahr gibt es die Notschlafstelle Aargau
Über 150 Übernachtungen pro Monat

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Vor einem Jahr hat die Notschlafstelle Aargau ihren Betrieb im Haus Erhart an der Oberen Halde in Baden aufgenommen.
  • Gestern Mittwoch, 23. September, lud der Vorstand des Vereins Notschlafstelle zu einer Info- und Mitgliederversammlung ein.
  • Die Zwischenbilanz zeigt, dass Vorstand und Mitarbeitende mit grossem Engagement dafür sorgen, dass das Projekt gut unterwegs ist.


Am 1. September 2019 öffnete die Notschlafstelle in Baden ihre Türen. Seither bietet sie Nacht für Nacht sechs Schlafplätze für obdachlose und mittellose Menschen. Von 20 bis 9 Uhr ist die Notschlafstelle offen und bietet sowohl ein warmes Nachtessen wie auch – falls gewünscht oder nötig – Betreuung während der Nacht. Die Aufnahme erfolgt sofort und unbürokratisch. Die Betroffenen sollen eine sichere Unterkunft haben, die ihre Grundbedürfnisse abdeckt.

Übernachtungen nehmen zu

Die Leiterin der Notschlafstelle, Susi Horvath, erinnert sich, dass schon am Eröffnungstag die ersten zwei Gäste den Weg an die obere Halde 23 fanden. Im ersten Betriebsjahr verzeichnete die Notschlafstelle rund 1900 Übernachtungen. Das sind durchschnittlich 158 Übernachtungen pro Monat. Während der Coronazeit lief der Betrieb – mit Hygienekonzept – unverändert weiter. Die Zahl der Übernachtungen nimmt tendenziell zu. «Inzwischen kennt man uns, das Angebot hat sich herumgesprochen», sagt Susi Horvath. Auch die Polizei frage ab und zu an, ob sie jemanden vorbeibringen könne.

Leider ein Bedürfnis

Die grösste Auslastung verzeichnete das Haus an der Oberen Halde im Juli 2020 mit 225 Übernachtungen. Insgesamt war die Notschlafstelle nur während drei Nächten ganz leer. «Die zu Beginn des Projekts häufig gestellte Frage, ob der Aargau überhaupt eine Notschlafstelle brauche, hat sich schon lange erledigt», kommentierte Kurt Adler. Er war als Leiter der Fachstelle Diakonie der römisch-katholischen Landeskirche von Anfang an dabei.

Einsatz mit viel Herz

Wenn ihn jemand frage, ob es in der Notschlafstelle «laufe», müsse er antworten: «Ja, leider…». Dass so viele Menschen das Angebot nützen müssen, ist kein Grund zur Freude. Jedoch freut sich der Vorstand über die gute Zusammenarbeit zwischen den angestellten Betreuerinnen und Betreuern und den 24 freiwilligen Helferinnen und Helfern. Sie alle erfüllen ihre Aufgabe mit grossem Einsatz und viel Herz. Stellvertretend für die freiwillig Engagierten kam Margrit Loosli aus Oftringen zu Wort. Sie verbringt eine Nacht pro Woche in der Notschlafstelle und ist für die Gäste da: «Den Menschen zuzuhören und ihnen Zeit zu schenken, ist das Wichtigste. Es hat happige Schicksale darunter. Trotzdem kann ich die Arbeit in der Notschlafstelle nur weiterempfehlen, es ist eine tolle Aufgabe.»

Das Wohlwollen, welches die Notschlafstelle von den Anwohnern im Quartier erfährt, ist wertvoll. Man kennt einander, bleibt im Gespräch und es komme schon mal vor, dass am Sonntagmorgen ein selbst gebackener Zopf an der Türfalle der Notschlafstelle hänge, berichtet Kurt Adler.

Das vierköpfige Team arbeitet in zwei Schichten und wird von freiwilligen Helferinnen und Helfern unterstützt. Der Verein Notschlafstelle und das Christliche Sozialwerk Hope suchen weiterhin Freiwillige für eine bis vier Nächte pro Monat. Infos und Anmeldung: Daniela Fleischmann, 056 221 84 64, notschlafstelle@hope-baden.ch oder Kurt Adler kurt.adler@kathaargau.ch

Betrieb sichern

Hinter der Notschlafstelle Aargau steht ein Verein, bestehend aus der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau, der reformierten Kirche Baden, BZBplus Baden sowie dem Christlichen Sozialwerk HOPE in Baden. Das christliche Sozialwerk HOPE führt die Notschlafstelle im Auftrag des Vereins. Finanziell ist der Betrieb durch Gelder der Landeskirchen, des Swisslosfonds sowie einiger Stiftungen bis 2022 gesichert.

In der Notschlafstelle steht auch eine Küche bereit. Wer übernachtet, kann sich eine Mahlzeit vorbereiten. | © Cornelia Suter
Spenden von Pfarreien und Kirchgemeinden beider Konfessionen sowie von anderen Institutionen helfen mit, den Betrieb darüber hinaus zu gewährleisten. Franz Affolter, im Vorstand für die Finanzen zuständig, sagt:«Wir sind dran, das Geld für das vierte Betriebsjahr zu sammeln, es fehlt aber noch ein gutes Stück.»

Mit Gemeinden und dem Kanton laufen Gespräche, um die Sicherstellung der Finanzierung nach der Projektphase möglich zu machen. Ein Postulat einiger Grossräte an den Aargauer Regierungsrat ist platziert. Darin wird verlangt, dass der Kanton die einzige Notschlafstelle im Aargau auf eine gesicherte Basis stellt.

Notpension im gleichen Haus

Im gleichen Haus an der Oberen Halde befindet sich auch die Notpension von Hope. Sie bietet sechs Plätze und schliesst mit ihrem Angebot an die Notschlafstelle an. Er ist eine langfristige, sichere, betreute Wohnform nachts für Menschen mit hohem Betreuungsbedarf und geringen Strukturen. Daniela Fleischmann, Leiterin des Christlichen Sozialwerks Hope, betont, dass die räumliche Nähe der beiden Angebote ein grosser Vorteil sei.

«Mit 50 Franke bisch debi!»

Im Moment besteht der Verein Notschlafstelle Aargau lediglich aus dem Vorstand. Mitglieder sind jedoch ab sofort herzlich willkommen. Die Einzelmitgliedschaft kostet 50 Franken. Wer an einer Mitgliedschaft interessiert ist, kann sich wenden an: kurt.adler@kathaargau.ch

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