03.01.2019

Von Sterndeutern zu Königen: Die Karriere dreier Figuren

Von Andreas C. Müller

  • Ihre Popularität steht mit Königskuchen und Sternsingen in krassem Gegensatz zum Raum, den die heiligen drei Könige in der Weihnachtserzählung einnehmen. Nur gerade im zweiten Kapitel des Matthäus-Evangelium kommen sie vor.
  • Im Laufe der Zeit avancierten die Sterndeuter aus dem Morgenland zu regelrechten Popstars der Weihnachtserzählung. Doch die Unterschiede in Bezug auf deren Darstellung könnten grösser nicht sein. Horizonte hat genauer hingeschaut.

 

In der sogenannten Einheitsübersetzung der Bibel werden sie als «Sterndeuter aus dem Osten» eingeführt, die bei König Herodes nach dem «neugeborenen König der Juden» fragen. «Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen». Herodes vermag keine Auskunft zu geben, erschrickt aber, weil er seine Herrschaft bedroht glaubt. « Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.» Dann schildert der Bibeltext, wie die Weisen aus dem Morgenland das Kind anbeteten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe schenken. Die Erzählung endet mit dem Satz: «Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.»

Auf die Könige wurde landesübliche Tradition projiziert

Im 3. Jahrhundert löste sich die Legendenbildung vom biblischen Text und fand ihren Abschluss zur Zeit der Renaissance in der Metamorphose der weisen Magier und Sterndeuter zu Königen. Auf diese Art und Weise kam zum Ausdruck: Da ist etwas Wichtiges passiert – auch die Reichen und Mächtigen huldigen dem Kind in der Krippe. Wohl nicht zuletzt war das auch der öffentlichen Lehrmeinung recht, weil die Kirche Magie und Sterndeutung im Dunstkreis des verpönten Okkultismus ansiedelte.

Welche Bedeutung die Könige im kollektiven Bewusstsein erlangten, lässt sich nicht nur an der Popularität des Sternsingens und des Dreikönigskuchens ablesen, sondern auch an deren Darstellung in der Krippe. Im einzigen Schweizer Krippenmuseum in Stein am Rhein findet man 600 Exponate aus 80 Ländern (siehe Begleittext). Rasch fällt auf, dass die Könige im Vergleich zu anderem Figurenpersonal sehr stark Anpassungen an landesübliche Umstände erfahren haben. Klassische Darstellungen von Caspar, Melchior und Balthasar, wie man sie im deutschsprachigen Raum und beispielsweise Italien kennt, sucht man beispielsweise in Südamerika vergeblich.

Mit Lamas anstelle von Kamelen zur Krippe

«In Südamerika gab es keine Könige nach unserem Verständnis», erklärt Alfred Hartl, der die von seinem Urgrossvater begründete Sammlung zusammen mit Monika und Josef Amrein im Schaffhauser Krippenmuseum weiterführt. «In Lateinamerika erscheinen die drei Könige in den Krippen als Vertreter unterschiedlicher Ethnien: der Gauchos, der Indios aus den Hochanden und der Shipibo – der Indigenen am Oberlauf des Amazonas. Und anstelle von Kamelen findet man sie in Begleitung von Lamas. «Gezeigt wird, dass von überall aus der bekannten Welt die Menschen kommen um dem Jesuskind zu huldigen». so Alfred Hartl.

Längst nicht in allen Darstellungen findet sich unter den drei Weisen der Mohr Baltasar. Dieser verdankt seine dunkle Hauptfarbe ohnehin einem Übersetzungsfehler. Von einem dunklen Bart war in der Bibel die Rede, was sich dann auf die Hautfarbe übertrug – um zu zeigen, dass bei der Verehrung des frisch geborenen Erlösers alle bekannten Kontinente anwesend waren. Dort, wo in Afrika das Christentum Fuss fassen konnte, werden die Könige naturgegeben allesamt mit dunkler Hautfarbe gezeigt. In Anlehnung an die dort bekannten Könige und Stammesfürsten sind die Erkennungsmerkmale jedoch nicht die bei uns üblichen Kronen, sondern die für die Mächtigen des Landes dort üblichen Kopfbedeckungen.

Kokablätter statt Weihrauch

In bestimmten Ländern findet man in den Krippen die drei Könige ausschliesslich mit weisser Hautfarbe. Wer dahingehend einen rassistischen Hintergrund vermutet, liegt nicht ganz falsch, erklärt Alfred Hartl. «Noch heute lehnen in den USA evangelikale Kirchen die Darstellung Christi mit schwarzer Hautfarbe strikt ab.» Insofern habe in weiten Teilen der USA die Tradition auch «weisse Könige» überliefert. «Weil das so weit zurückgeht, wird es in der Gegenwart gar nicht mehr hinterfragt.»

Ein Blick auf die Gaben der Könige offenbart weitere spannende Unterschiede: Europäische Krippenfiguren zeigen die aus der Schrift überlieferten Geschenke Weihrauch, Gold und Myrrhe. «In Südamerika gab es weder Weihrauch noch Myrrhe», erklärt Alfred Hartl. «Aus diesem Grund reichen die Könige Kokablätter, Tabak und Maiskörner – also Dinge, die für die südamerikanischen Hochlandbauern von Bedeutung waren.» Auch bei den Gaben hat sich die Interpretation somit vielfach vom vorgegebenen schriftlichen Kontext gelöst

Osteuropa: Herodes in der Hauptrolle

In Osteuropa hat das Narrativ zu den heiligen drei Königen im 20. Jahrhundert zudem eine politische Ausprägung erhalten. «Herodes, der ja von den Weisen aus dem Morgenland als erstes aufgesucht wird, ist in der Krippendarstellung viel wichtiger», weiss Alfred Hartl. «Herodes stand als Symbol für den Kommunismus». Genau wie dieser die Geburt Christi weder verhindern, noch den neugeborenen Knaben habe töten lassen können, so hätte es auch der Kommunismus nicht geschafft, das Christentum in Osteuropa auszurotten. «In Polen entwickelte sich gar der Brauch, vor der Krippe Spottlieder auf Herodes zu singen, der häufig zusammen mit dem Teufel und dem Tod dargestellt wurde. Im eigentlichen Sinne richtete sich der Spott aber gegen die kommunistische Partei und deren Despoten.»

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