30.04.2020

Vor der Tür sind Mut und Hoffnung gefragt

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Für die Gottesdienst-Übertragung vom kommenden Sonntag, 3. Mai, zeichnet der Regionalsender TeleM1 heute die «Feier vor der Kirchentür» vor der Propstei Wislikofen auf.
  • Das Vorbereitungsteam um Claudia Mennen, Fachstellenleiterin von Bildung und Propstei, stützt sich bei der Gestaltung des Gottesdienstes auf das Sonntagsevangelium Joh 10,1-10
  • Zwei Kernsätze enthält es: «Ich bin die Tür. Wer durch mich eintritt, wird ein- und ausgehen und Weide finden.» Und: «Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.»

 

Die Römisch-katholische und die Reformierte Kirche im Aargau haben auf das Verbot von öffentlichen Gottesdiensten reagiert. In Zusammenarbeit mit dem Regionalfernsehen Tele M1 organisieren und finanzieren sie jeden Sonntag einen TV-Gottesdienst. Die nicht öffentlichen Gottesdienste werden aufgezeichnet und jeweils am Sonntag von 10 bis 10.30 Uhr ausgestrahlt. Gestaltet werden die Feiern abwechslungsweise von reformierten und römisch-katholischen Teams.

Skandal sichtbar machen

Der TV-Gottesdienst vom Sonntag, 3. Mai, kommt aus Wislikofen und wird nicht in einer Kirche, sondern vor der Türe gefeiert. Im Propsteihof und bei schönem Wetter im Garten zeichnet der Regionalsender einen Gottesdienst auf, der einen besonderen Ursprung hat.  Die «liturgischen Feiern vor der Kirchentür» finden seit Juli 2019 jeden Monat am 22. statt. Entstanden sind die Feiern aus der römisch-katholischen Frauenbewegung, die der Forderung nach einer Kirche umfassender Gleichwertigkeit mit Initiativen wie «Gleichberechtigung. Punkt. Amen», «Maria 2.0» oder dem Gebet «Schritt für Schritt» aus dem Kloster Fahr Nachdruck verleiht. Ins Leben gerufen wurden die Feiern von der Fachstelle Bildung und Propstei. Sie finden draussen vor der Kirchentür statt, um den Skandal der Ungleichbehandlung weithin sichtbar zu machen.

Nicht instrumentalisieren

Mit der Wahl der Feier vor der Tür nimmt das Vorbereitungsteam das Sonntagsevangelium auf. Jesus sagt von sich «Ich bin die Tür! Wer durch mich hineingeht, wird ein- und ausgehen und Weide finden». Gerade in der Coronakrise sind es vielfach Frauen, die Türen öffnen und für Kinder, Alte und Kranke sorgen. «Wir wollen den Gottesdienst nicht instrumentalisieren für die Kampagne ‚Maria von Magdala’. Die wichtigste Motivation für die Übertragung bleibt das spirituelle Bedürfnis der Menschen», sagt Claudia Mennen, Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei und Mitorganisatorin der Feier in Wislikofen. Sie führt aus: «Die Coronakrise macht deutlich, dass ein Leben in Fülle nicht nur die Gesundheit, sondern auch die finanzielle und soziale Lebensgrundlage, eben auch die Gendergerechtigkeit und Inklusion umfasst. Um sichtbar zu machen, dass auch Menschen gemeint sind, die oft vergessen werden, wird die reformierte Pfarrerin und Gehörlosenseelsorgerin in Gebärdensprache den Gottesdienst übersetzen.

Symbole und Musik

Deshalb ist auch die Gehörlosenseelsorgerin Anita Kohler in die Vorbereitungen involviert. Mitgestalten werden auch die Fachstellenmitarbeiter Susanne Andrea Birke und Peter Michalik, sowie der Gitarrist Martin Pirktl. Noch ist nicht festgelegt, wie die Feier vor der Kirchentür ablaufen wird. Für die Fernsehzuschauer attraktiv ist eine Feier mit vielen Symbolen und Musik, weiss Claudia Mennen. Eine Agape-Feier, wo am gedeckten Tisch Brot und Wein miteinander geteilt werden, soll die Menschen an den Fernsehern ermutigen, zuhause selbst ihre Mahlzeit zu segnen.

Jeder ist kompetent

Claudia Mennen wünscht sich – gerade in dieser Zeit der Corona-Pandemie – einen Gottesdienst, der einen Beitrag zur Glaubenskompetenz jedes Einzelnen leistet: «Jeder hat die Kompetenz, andere Menschen oder Gaben zu segnen, Gutes über sie zu sprechen, wörtlich ,bene-dicere’», erklärt die Theologin. Der Gottesdienst vor der Tür passe zur gegenwärtigen Pandemie-Situation: «Draussen, vor der Tür, ist Hoffnung gefragt. Als Christen sind wir nun gefordert, Hoffnung und Vertrauen weiterzugeben», findet die Fachstellenleiterin von Bildung und Propstei.

«Wir müssen mit allem rechnen»

Die Botschaft des Gottesdienstes soll Mut machen: Wir Christen müssen es wagen, der schrittweisen Lockerung der Notmassnahmen eine Chance zu geben. «Obwohl uns neu und schmerzlich bewusst wurde, dass Verwundbarkeit strukturell zu unserem Leben gehört, plädiere ich dafür, etwas zu wagen», bekräftigt Claudie Mennen. «Schliesslich müssen wir mit allem rechnen – auch mit dem Guten.»

 Den richtigen Ton treffen

Um die aktuellen Entwicklungen rund um die Coronakrise im Gottesdienst aufnehmen zu können, legte das Vorbereitungsteam Aufzeichnung und Ausstrahlung der Feier möglichst dicht zusammen. Der Gottesdienst vor der Kirchentür aus Wislikofen wird heute Freitag, 1. Mai aufgezeichnet und am Sonntag, 3. Mai, von 10 bis 10.30 Uhr gesendet.

 

Liturgische Feiern vor der Kirchentür

Der 22. Juli ist der Festtag von Maria von Magdala, der Apostelin der Apostel. Er wurde 2016 von Papst Franziskus von einem Gedenk- zu einem Festtag erhoben. Der Startschuss für die Feiern vor der Kirchentür fiel am 22. Juli 2019 in Rheinfelden. Die ursprünglich über ein Jahr geplante Kampagne wurde aufgrund des grossen Interesses ausgeweitet. Bis am 22. Juli 2021 können sich Gruppen in der ganzen Schweiz beteiligen, so dass jeweils am 22. eines Monats Gottesdienste vor verschiedenen Kirchentüren stattfinden werden. www.maria-von-magdala.ch

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