08.01.2014

Was fair ist und für wen

Von Horizonte Aargau

«Änderst du das Produkt, änderst du vielleicht auch die Gesellschaft», sagt der niederländische Designer Bas van Abel. Ein Gespräch über faire Arbeitsbedingungen, falsche Erwartungen und Konsumentinnen und Konsumenten, die die Weltordnung formen.

Warum wollen Sie die Welt ausgerechnet mit einem Handy ändern?

Bas van Abel: Weil ein Handy sehr persönlich ist. Wir lieben es, wir tragen es ständig mit uns herum. Es ist das technische Produkt, das uns am nächsten ist. Weil es uns mit der Welt verbindet. Und gleichzeitig wissen wir nichts über dieses Ding. Es ist paradox. So vieles, was auf dieser Welt abläuft, ist an das Smartphone gebunden. Auch trägt es eine ganze Industrie in sich: Die Komplexität der Produktion, die verschiedensten Mineralien, die aus den verschiedensten Teilen der Welt stammen, Globalisierung, Spezialisierung. Es ist nicht einfach eine Banane oder Kaffee. In einem Handy spiegelt sich eine ganze Weltordnung wider.

Hätte es nicht gereicht, eine Sensibilisierungskampagne zu starten?

Ich als Designer glaube: Die komplexesten Probleme der Welt können durch Designprozesse gelöst werden. Ein Produkt steht immer für einen Status quo eines gesellschaftlichen Prozesses, die Veränderung wird daran sichtbar und greifbar. An ihm kann man Veränderung bewirken. Änderst du das Produkt, änderst du vielleicht auch die Gesellschaft.

Welchen Teil der Gesellschaft wollen Sie denn mit diesem Handy verändern?

Es geht um die Frage, wie wir Wirtschaft definieren – und wozu das Wirtschaftssystem dienen soll. Darum, was fair ist und für wen. Dieses industrielle Modell, das wir alle geschaffen haben, ist wunderschön und sehr effizient. Aber es hat uns vom Schaffensprozess entfernt. Die Dinge entstehen irgendwie und irgendwo, und wir als Konsument haben damit nichts mehr zu tun. Dabei sollte der Konsument merken: Ich bin auch involviert, ich forme das System mit. 

Ist das nicht ein bisschen naiv, zu denken, dass Sie ein ganzes System verändern können?

Ich glaube, die Zeit ist reif. Und wir sind nicht die einzigen. Das ist eine Bewegung, die Leute wollen hinter die Produkte sehen, bei den Kleidern, bei den Lebensmitteln. Die Konzerne haben dort bereits angefangen, zu reagieren. Warum sollten sie es nicht auch bei einem Smartphone tun? Apple war am Anfang auch idealistisch, wollte vieles verändern. Doch die Marke ist zu gross geworden, sie muss Investoren zufriedenstellen. Das Unternehmen ist so gross geworden, dass man keine Berührungspunkte mehr damit hat. Anfangs waren es auch bloss ein paar Typen in einer Garage, die an etwas glaubten. Sobald du Investoren hast, wird es schwierig.

Sie haben also keine?

Wir haben zumindest aktuell keine. Weil wir uns nicht reinreden lassen wollen. Wir achten sehr darauf, unabhängig zu bleiben. Auch vom Staat.

Kritiker des Fairphones monieren, das Smartphone sei gar nicht zu 100 Prozent fair produziert.

Das ist es nicht. Das wird es auch nie sein. Weil das schlicht nicht geht. Diese ganzen Lieferketten sind zu intransparent und zu komplex, als dass man sie kontrollieren oder dominieren könnte. Wir haben nie behauptet, dass wir ein 100 Prozent fair produziertes Smartphone entwickeln. Wir haben bloss gesagt: Wir setzen als einziges Unternehmen die sozialen Werte vor die ökonomischen. Wir tun alles daran, nachhaltige Produktion zu garantieren, wir gehen in die Minen, wir kontrollieren die Fabriken, wir setzen faire Arbeitsverträge auf.

Aber?

Ich muss ehrlich sein: In China etwa wird es ziemlich lange dauern, einen gewissen Standard an Fairness zu erlangen. Manchmal zweifle ich. Ich denke dann: Du tust zu wenig, du versprichst zu viel. Die Erwartungen der Leute sind sehr hoch, sie sehen in uns vieles, was wir nicht sind. Wir versuchen, hohe Standards zu erreichen. Aber wir sind klein und am Anfang. Wir werden Zeit brauchen, um uns zu entwickeln. Genau wie die Konsumenten Zeit brauchen werden, das Label «fair» auch bei einem Handy zu verlangen.  Anne Miller/kipa

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