03.10.2013

Wenn die Partnerschaft auseinander geht

Von Horizonte Aargau

«Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen», wird Paaren mit auf den Weg gegeben, die kirchlich heiraten. Laut Statistikern blüht die Trennung heutzutage jedoch nahezu jedem zweiten Ehepaar. Mit Unterstützung oder einfach nur der entlastenden Botschaft, «dass so etwas auch zum Leben in Beziehungen gehören kann», tut sich die katholische Kirche allerdings schwer. Grund genug für Walli Jaberg von der Ökumenischen Eheberatungsstelle Aarau, gemeinsam mit Kurt Adler von Bildung mobil einen speziellen Kurs für Menschen in Trennung anzubieten. «Eine Trennung ist immer ein intensiver Prozess, der den Menschen viel abverlangt», weiss die Ehe- und Paarberaterin Walli Jaberg. Dies bestätigen Menschen, die bereit waren, gegenüber Horizonte von ihren Erfahrungen zu berichten.

«Irgendeinmal», erinnert sich Erika L., «habe ich realisiert, dass ich so nicht noch dreissig Jahre weitermachen will». Zwar habe sie ihrem Mann noch den Vorschlag gemacht, an der Beziehung zu arbeiten und eine Eheberatung zu besuchen. Als dieser jedoch ablehnte, lag die Trennung nahe. «Mein Ex-Mann hatte eine eigene Firma, ich war sehr viel allein. Ich wollte einen Partner, der mich wahrnimmt, der auf meine Bedürfnisse eingeht.» Mit diesem Problem befindet sich Erika L. in bester Gesellschaft. Gemäss Statistik sind es doppelt so viele Frauen wie Männer, die sich entscheiden, eine Partnerschaft zu beenden. Auch Lina I. entschloss sich vor 11 Jahren, ihre Ehe aufzulösen. 19 Jahre hatte sie gehalten. «Während zwei Jahren vor der Trennung realisierte ich, dass etwas schief lief, wir uns auseinander gelebt hatten.» Lina I. unternahm Schritte, die gemeinsame Beziehung zu retten. Sie besuchte gar eine Psycho-Therapie. «Ich dachte, es läge ausschliesslich an mir», erinnert sich die gelernte Goldschmiedin.

Aus der Bahn geworfen
Nach der Trennung plagten Lina I. jahrelang Existenzängste, sie litt an Schlafstörungen. «Mein Mann zog aus, ich blieb mit den beiden Mädchen im Teenageralter zurück und arbeitete, um uns, so gut es ging, durchzubringen». Ohne ihr Umfeld, so die mittlerweile selbständige Kosmetikerin, hätte sie das nicht geschafft. Auch Erika L. hatte schwere Krisen durchzustehen, nachdem sie sich zur Trennung entschlossen hatte. Regelrecht aus der Bahn geworfen habe sie sich zeitweilig gefühlt. Halt fand die Mutter zweier Kinder, damals im Primarschulalter, bei ihren Eltern, die sie unterstützen. Und bei ihren Freundinnen. Entscheidend war auch der Entschluss, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen:  «Das war als Rückenstärkung enorm hilfreich».

Am schlimmsten waren die Vorwürfe
«Immer wieder», erinnert sich Erika L., «machte ich mir Vorwürfe, hatte Zweifel. Katholisch aufgewachsen, hatte Erika L. auch kirchlich geheiratet. «Ich hatte vor Gott meinem Ex-Mann die Treue geschworen, mich quasi verpflichtet, an dieser Beziehung festzuhalten. Und dann war ich es, welche die gemeinsamen Lebenspläne über den Haufen warf.» Am schlimmsten sei jedoch der Schmerz der Kinder gewesen. Die Tatsache, ihnen den Papa weggenommen zu haben. «Zu wissen, dass man dafür die Verantwortung trägt, war sehr belastend.» Ein Gefühl, dass auch Lina I. kennt: «Ich habe nie schlecht über meinen Ex-Mann gesprochen, schon gar nicht vor meinen Töchtern.» Entsprechend sei sie in deren Augen zunächst die «Täterin, er das Opfer» gewesen. «Bis meine Töchter herausfanden, dass die neue Lebenspartnerin meines Ex-Mannes schon seine Geliebte war, als unsere Beziehung noch nicht getrennt war.»

Männer suchen neue Beziehung
Männer, so wissen wir dank Statistik und Psychologie, suchen sich nach einer Trennung rasch wieder eine neue Lebenspartnerin. Teils tun sie das bereits während einer laufenden Beziehung. Ulrich W. hat seiner Partnerin unlängst eröffnet, dass er sich von ihr trennen wolle. Ihm fehlt der intellektuelle Austausch, weshalb er sich nach einer passenderen Partnerin umschauen will. Dass dies, insbesondere auch die Lösung aus der bestehenden Beziehung, nicht einfach werden wird, ist dem Ethnologen bewusst. Dennoch ist er bereit, das Risiko einzugehen.

Gemeinsame Elternschaft bleibt bestehen
Mittlerweile lebt Erika L. bereits seit mehreren Jahren im gemeinsamen Haushalt mit ihrem neuen Partner. Die Scheidung von ihrem Ex-Mann liegt sieben Jahre zurück. «Die Trennung hat mir eine Entwicklung ermöglicht, die ohne diesen Schritt nicht möglich gewesen wäre», ist die Erika L. überzeugt. Eine der wesentlichen Herausforderungen, gelang nach Anlaufschwierigkeiten ebenfalls: Die über die Trennung hinaus bestehende Elternschaft. «Gemeinsam mit meinem Ex-Mann gehe ich an Elternabende und kümmere mich um die Interessen unserer Kinder.» Letztere hätten nach einiger Zeit auch Positives an der neuen Situation finden können.

Auf eigenen Füssen
Auch Lina I. beurteilt rückblickend ihren Schritt positiv. «Ich habe es geschafft, auf eigenen Füssen zu stehen, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das hat mir enormes Selbstvertrauen gegeben.» Zwar habe sie sich seither zweimal wieder auf eine Beziehung eingelassen, doch entstand daraus keine längerfristige Bindung. «Ab einem gewissen Alter hat jeder so seine Geschichte», meint Lina I. Gewiss, eine Beziehung böte finanzielle Sicherheit. Doch Lina I. hat gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen, das eigene Glück nicht mehr von einem Partner abhängig zu machen. «Ich brauche niemanden als Rückversicherung, ich kann sehr gut für mich selbst schauen und geniesse das mittlerweile.»

Andreas C. Müller

 

 

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