13.07.2020

Grüner Kirchenaargau? Horizonte-Sommerserie Teil 2

Von Andreas C. Müller

  • Neun Aargauer Pfarreien erhielten Ende Juni das kirchliche Umweltzertifikat «Grüner Güggel». Ein Trend? Noch nicht ganz, wie Horizonte in einer Umfrage unter 26 Pfarreien herausfand.
  • Gerade für kleine Pfarreien auf dem Land hat der Umweltschutz häufig eine nachgeordnete Bedeutung. Der Grund: Es fehlt an Leuten und an Freiwilligen.

 

Energieverbrauch reduzieren, Förderung der Biodiversität, Kampf gegen «Food Waste», ressourcenschonende Technologien oder biothermische Unkrautbekämpfung sind nur einige der ausgewiesenen Umweltziele. Immerhin: Knapp die Hälfte der befragten Pfarreien setzt sich Umweltziele. Doch nur gerade 38 Prozent weisen in ihrem Budget einen festen Betrag für Umweltschutzmassnahmen aus.

Der Einsatz für die Umwelt ist ein teures Unterfangen

Im Pastoralraum Brugg wurde in den vergangenen Jahren zwischen 5 000 und 8 000 Franken für Umweltmassnahmen reserviert, Bremgarten budgetiert nach eigenen Angaben jeweils 10 000 Franken pro Jahr, Fislisbach knapp das Doppelte. Hohe Summen hat der Pastoralraum Lenzburg bei seinen drei Pfarreien für Umweltmassnahmen reserviert: zwischen 35 000 und 320 000 Franken. Mit dem Geld werden Magerwiesen angelegt, Solaranlagen auf Dächer gebaut, Pelletheizungen und Wärmepumpen installiert, Kirchenräume besser isoliert und energiesparende LED-Beleuchtungen montiert. Die Kosten für solche Investitionen gehen rasch einmal in den sechsstelligen Bereich. Der Nutzen: 30 bis 50 Prozent erneuerbare Energie, im Pastoralraum Region Brugg-Windisch sind es 60 Prozent. Doch es geht noch radikaler: Das kleine Merenschwand im oberen Freiamt speist seinen Energiebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie.

«Oft scheitern Umweltprojekte an den hohen Kosten», heisst es beispielsweise aus Oberrüti. Und die Umfrage scheint denn auch zu bestätigen, dass gerade in kleineren ländlichen Pfarreien der Umweltschutz noch immer eine nachgeordnete Rolle spielt. In Orten, die je länger je mehr auch Mühe haben, Leute zu finden, die sich in der Kirchgemeinde engagieren.

Kurt Zaugg: «Schon kleine Massnahmen bringen viel»

Kurt Zaugg, Leiter der Fachstelle Oeku Kirche und Umwelt, kennt die Problematik. Natürlich könnten nur die wenigsten Kirchgemeinden bis zu einer Million Franken in Solaranlagen investieren und auf diese Art quasi selbst zu Stromproduzenten werden. Selbst das konsequente Umstellen auf Öko-Strom, per Telefon an den Stromanbieter, liege aus Kostengründen nicht drin.

«Das Kostenargument dünkt mich gleichwohl wenig stichhaltig», meint Kurt Zaugg. Gerade für den «Grünen Güggel» müsse man nicht grosse Investitionen tätigen. Gefordert sei ein Umweltmanagement, mit dem eine jährliche Verbesserung erzielt werden könne. Und das sei auch mit betrieblichen Massnahmen zu leisten – beispielsweise durch gezieltes Heizen.

Umweltgruppe oder Spezialbeauftragte liegen oft nicht drin

«Allerdings braucht Umweltmanagement schon Leute, die dafür Zeit aufwenden und das auch mit Begeisterung machen», weiss Kurt Zaugg. «Das fehlt mancherorts – und das Kirchenpersonal kann das nicht auch noch leisten.» Nicht jede Kirchgemeinde oder Pfarrei habe genügend Freiwillige für eine Umweltgruppe oder, wie im Pastoralraum Region Brugg-Windisch, eine Umweltbeauftragte.

«Wir würden sehr gerne mehr machen», heisst es aus Bremgarten. «Wir finden leider keine Mitglieder in der ohnehin schon unterbesetzten Kirchenpflege, die federführend ein engagiertes Umweltteam etablieren könnten.» Man sei jedoch in allen Bereichen sensibilisiert und tue, was man könne.

Selbsteinschätzung: Kritisch

In Punkto Selbsteinschätzung sind die angefragten Pfarreien sehr selbstkritisch: Nur 20 Prozent der Befragten schätzen ihr Umweltengagement als sehr hoch ein – dazu gehören auch Pfarreien, die Ende Juni mit dem «Grünen Güggel» zertifiziert wurden. Mit 57 Prozent dominiert die Auffassung «Wir tun, was wir können».

Die Botschaft, dass auch mit wenig viel erreicht werden kann, haben viele Pfarreien im Aargau aber durchaus verinnerlicht. 80 Prozent aller Befragten verzichten bei Anlässen in der Pfarrei konsequent auf Einweggeschirr. 75 Prozent haben Massnahmen erlassen, um die Anzahl Papierausdrucke massgeblich zu reduzieren. Nur beim Recyclingpapier hapert es noch: Konsequent umgestellt haben erst 46 Prozent der Befragten.

Umweltschutz: Für einen Viertel unwichtig

Aufhorchen lassen sollte der Umstand, dass nur gerade die Hälfte der befragten Pfarreien sich Umweltziele setzt, beziehungsweise ein Viertel sogar explizit erklärt, dass Umweltschutz innerhalb des ganzen Aufgabenportfolios nur eine nachgeordnete Rolle spiele.

Oeku-Fachstellenleiter Kurt Zaugg glaubt die Ursache für den Sachverhalt zu kennen: «Unsere kirchliche Tradition zentriert sich sehr stark um den Menschen. Das Soziale, die Unterstützung von Menschen in Drittweltländern hat Priorität. Dass man eine Spiritualität für die Schöpfung entwickelt, sich für die Natur einsetzt, ist als Aufgabe eher neu – trotz Vorbildern wie Franz von Assisi.»

Oeku: Seit 30 Jahren Werbung für Umweltanliegen

Kurt Zaugg ist gleichwohl optimistisch – immerhin vermochte seiner Ansicht nach die Umweltenzyklika des Papstes einiges zu bewegen: «Wir arbeiten mit unserer Fachstelle schon 30 Jahre am Thema und versuchen, im Rahmen der alljährlich abgehaltenen Schöpfungszeitveranstaltungen Umweltanliegen in die Kirche zu bringen. Ich musste aber lernen, dass das wohl einfach seine Zeit braucht.»

62 Prozent der angefragten Pfarreien erfassen ihren Energieverbrauch – und erfahren in diesem Zusammenhang auch, dass bereits einfache Massnahmen, wie das gezielte Beheizen von Kirchen und nicht permanent verwendeten Räumen, zu bemerkenswerten Einsparungen führt. In 73 Prozent der befragten Pfarreien gibt es bereits ein derartiges, ressourcenschonendes Heizregime. «Wir sparen damit mehrere tausend Liter Heizöl jährlich», heisst es aus Hägglingen.

Umweltengagement fördert Zusammenhalt im Pastoralraum

Dass Umweltengagement überdies auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Pfarreien innerhalb eines Pastoralraums verstärkt, bestätigen Aussagen aus Lenzburg: Man empfehle allen Pfarreien und Kirchgemeinden, sich dem Thema Schöpfung und Reduzierung des Verbrauchs von natürlichen Ressourcen zu widmen. Mit dem Projekt «Grüner Güggel» seien die Pfarreien des Pastoralraums überdies «…näher zusammengewachsen, was eine positive Nebenerscheinung ist.»

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