21.08.2017

«Wir haben uns gleich in dieses Tal verliebt»

Von Marie-Christine Andres Schürch

Ein wechselvolles Vierteljahrhundert liegt hinter den Clara-Schwestern. Gestern Sonntag feierte die aus drei Schwestern bestehende Gemeinschaft im Laurenzenbad ihr 25-jähriges Bestehen. Oberin Mirjam liess Höhe- und Tiefpunkte der vergangenen Jahre Revue passieren. Und sie verriet, warum die Clara-Schwestern anstatt auf einem Hügel nun in der Talsenke bei Erlinsbach glücklich geworden sind.

Herzhaft beisst Oberin Mirjam in ihre Bratwurst. Rundum an den Tischen sitzen die Gäste essend und plaudernd beisammen. Im Schatten des Baums ruht ein Hund. Beroï und Mira, die beiden Esel, grasen in vollendeter Gelassenheit.

Kontemplativer Ort

Vor sechs Jahren sind die Clara-Schwestern im Laurenzenbad bei Erlinsbach eingezogen. Und es scheint ganz, als hätte sich die Talsenke in dieser Zeit angefüllt mit der achtsamen Kontemplation, welche die franziskanische Schwesterngemeinschaft seit 25 Jahren täglich pflegt. Mensch, Tier und Natur fühlen sich hier geborgen. Dabei hatte die Schwesterngemeinschaft seit ihrer Gründung vor 25 Jahren so manche Turbulenzen durchzustehen.

Junger Wein mit frischen Ideen

Nach dem Essen bittet Oberin Mirjam die Gäste in den ersten Stock, wo sie das vergangene Vierteljahrhundert Revue passieren lässt. Eine klösterliche Gemeinschaft, erklärt sie, basiere auf einer klösterlichen Grundausbildung. Das Leben im Orden der Kapuzinerinnen bildete die Grundlage, auf der die inzwischen verstorbene Schwester Elisabet-Maria und Schwester Mirjam im Jahr 1992 ihre Gemeinschaft gründeten. Die beiden hatten sich im Kloster Namen Jesu in Solothurn kennengelernt. «Wir waren junger Wein und hatten frische Ideen», sinniert Oberin Mirjam mit einem Schmunzeln. Doch den beiden war es ernst: Obwohl sie sich erst 21 Tage kannten, weihten sich die beiden am 4. Oktober 1992 dem Orden der Clara-Schwestern.

«Diese Schwestern müssen verrückt sein»

Als Bettelorden leben sie nach der ursprünglichen Regel der heiligen Clara von Assisi und lehnen ein Einkommen ab. Stattdessen lebten und leben sie ausschliesslich von Spenden. Das stiess ab und zu auf Unverständnis: «Diese Schwestern müssen verrückt sein», zitiert Oberin Mirjam eine oft gehörte Meinung. So waren sie von Anfang an darauf angewiesen, dass ihnen jemand Obdach gewährt, einen Ort, an dem sie wirken konnten. Im ersten Jahr lebten sie in Oberwil bei Zug und an zwei verschiedenen Orten im Wallis, bis sie Ende 1993 ins Kloster Werthenstein im Kanton Luzern kamen.

Türchen gingen auf

Dort lebten und wirkten die Clara-Schwestern bis ins Jahr 2000. Danach zogen sie ins thurgauische Sulgen. Wo immer sie lebten, suchten die Schwestern stets den Kontakt zu den Menschen, luden sie ein und pflegten die Wallfahrt. Reich gefüllt mit schönen und traurigen Momenten waren die vergangenen 25 Jahre. Immer wieder sei zum richtigen Zeitpunkt ein Türchen aufgegangen, erzählt Oberin Mirjam. Immer wieder kamen Spenden, wenn das Geld knapp wurde.

Eine Kapelle und zwei Quellen

Und mit dem Umzug ins Laurenzenbad bei Erlinsbach sind die Clara-Schwestern endgültig angekommen. Das hätten Elisabet-Maria und sie schon gespürt, als sie im Spätsommer 2010 zum ersten Mal im Laurenzenbad aus dem Bus gestiegen seien, um den Ort zu besichtigen – obwohl ihnen eigentlich ein Kloster auf einem Hügel vorgeschwebt sei, erinnert sich Schwester Mirjam. «Wir haben uns gleich in dieses Tal verliebt».

Als sie ein Jahr später zu fünft hier einzogen, schloss sich ein Kreis. Denn das Laurenzenbad bei Erlinsbach war lange Zeit ein spiritueller Ort. In der idyllischen Talsenke stand im Mittelalter eine dem frühchristlichen Märtyrer Laurentius geweihte Kapelle. Daneben entsprang eine Quelle, die als «St. Laurenzenbrunnen» im 15. Jahrhundert erwähnt ist. Nach dem Zerfall oder der Zerstörung der Kapelle wurde die St. Laurenzenquelle im ausgehenden 19. Jahrhundert als Heilbad genutzt. Zuletzt diente das Gebäude im Laurenzenbad hundert Jahre lang als Pflegeheim.

Gelegenheit beim Schopf gepackt

Dass die Clara-Schwestern hier und heute Spiritualität leben, ist das Verdienst verschiedenster Menschen, die eine glückliche Gelegenheit beim Schopf gepackt haben. Der Sohn einer Erlinsbacher Familie, der inzwischen in den Franziskanerorden eingetreten ist, lernte die Clara-Schwestern kennen und erfuhr, dass sie ihren Wirkungsort Sulgen im Thurgau bald verlassen mussten. Weil zur gleichen Zeit das Pflegeheim im Laurenzenbad aufgelöst und in die Klinik Barmelweid integriert wurde, kam ihm die Idee, die Schwesterngemeinschaft könnte ins leerstehende Haus im Laurenzenbad einziehen.

Bettelorden kauft Haus

Innerhalb eines einzigen Jahres wurde aus der gewagten Idee Wirklichkeit. Im Rückblick erscheine das wie ein Wunder, findet einer der Initianten. Es ist das Verdienst eines grossen Kreises mutiger Helferinnen und Helfer. In kurzer Zeit gelang es, breite Unterstützung aus der Bevölkerung zu gewinnen, wobei jeder sein Wissen einbrachte, um juristische, bautechnische und theologische Fragen zu lösen. Und auch die Behörden zeigten sich offen und ermöglichten den Clara-Schwestern, das Gebäude zu kaufen. Bezahlen konnte die Schwesterngemeinschaft das Haus im Laurenzenbad mit Spendengeldern.

 

St. Laurenzen-Kafi

Die Clara-Schwestern und das freiwillige Kafiteam freuen sich, Sie jeden 1. Samstag im Monat von 14 bis 17 Uhr, im St. Laurenzen-Kafi verwöhnen zu dürfen.

www.clara-schwestern.ch

 

 

 

 

 

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