23.01.2017

Zu sechst auf einem Dampfschiff

Von Marie-Christine Andres Schürch

Der achte Pastoralraum im Aargau steht. Bischof Felix Gmür errichtete gestern Sonntag, 22. Januar 2017, den Pastoralraum «Unteres Freiamt» mit einem eindringlichen Plädoyer für die gelebte Einheit der Christen. Im Pastoralraum und darüber hinaus.

Das untere Freiamt muss wahrlich ein gefährliches Pflaster sein. Denn Bischof Felix Gmür begab sich umringt von vier Schweizergardisten zum Festgottesdienst in Wohlen. Die Leibwache, die normalerweise dem Papst vorbehalten ist, sorgte schon vor Beginn der Feier für Aufsehen. Gottesdienstbesucherinnen und –besucher zückten ihr Handy und fotografierten den imposanten Einzug vom Vorplatz der Kirche St. Leonhard aus. Neben der Schweizergarde zogen eine grosse Ministrantenschar, das komplette Seelsorgeteam samt Vertretern der Missione Cattolica Italiana und der Albanischen Mission, die Vertreterin der Bistumsregionalleitung sowie Fahnendelegationen aller sechs Pastoralraumpfarreien in die Kirche ein.

Keine freien Plätze mehr

«Ich habe noch zwei Plätze», teilte der umsichtige Herr, der als Platzanweiser fungierte, den am Eingang Stehenden mit. Zwei Damen folgten ihm durch den Mittelgang. Dann war die Kirche St. Leonhard buchstäblich bis auf den letzten Platz besetzt. Weit über 400 Menschen feierten an diesem Sonntag die Errichtung des Pastoralraums «Unteres Freiamt».

Ein Mittagessen mit Folgen

Als vorausdenkender Mann hatte Pastoralraumleiter Kurt Grüter diesen Ansturm kommen sehen. Deshalb traf er sich im Vorfeld des Gottesdienstes mit Marco Veil, dem Chef der Regionalpolizei Wohlen, zum Mittagessen. Sie sprachen über Parkplatzmöglichkeiten für die vielen Gottesdienstbesucher und über allenfalls nötige Strassensperrungen für den feierlichen Einzug mit dem Bischof. «Der Bischof kommt?» Als Ex-Schweizergardist Marco Veil dies hörte, war für ihn klar: Für diesen feierlichen Anlass braucht es Schweizergardisten. Dank seiner Beziehungen zur Garde und zur Freude aller Anwesenden klappte dieses Vorhaben.

Einer singt das Halleluja, eine besucht Kranke

Farbenfroh wie die Uniform der vier Gardisten präsentierte sich auch die Gottesdienstgemeinde. Jung, Alt, Deutsch- und Anderssprachige, Gläubige der sechs Pastoralraumpfarreien Dottikon, Fischbach-Göslikon, Hägglingen, Niederwil, Waltenschwil und Wohlen sassen in den Bänken. Ganz nach dem Geschmack von Bischof Felix Gmür. «Wir müssen alle mitnehmen in unserem Pastoralraum» sagte er. Er bezog sich auf den Anfang des Matthäusevangeliums, auf Jesus’ Aufforderung: «Kehrt um!». Frei vor dem Altar stehend sprach er zur Gemeinde. Ein Manuskript brauchte er nicht, seine wichtige Botschaft wusste er auswendig: «Warum sind wir Christen? Damit wir heil werden. Die Botschaft ‚Kehrt um’ hat ein Ziel. Und wir sind aufgerufen, möglichst viele Menschen mitzunehmen auf den Weg, der zur Gesundung führt.» Es sei ihm bewusst, Dottikon sei ein anderes Dorf als Wohlen, fuhr Felix Gmür fort. «Und früher glaubte man fast, dort lebten andere Menschensorten.»

«So schnell geht das!»

Mit Witz und charmanten Beispielen zeigte Bischof Felix auf, dass in einem Pastoralraum jede und jeder einen Platz hat: «Einer singt das Halleluja, eine besucht Kranke. Das ist gelebte Einheit.» Dazu gehörten auch die Missione Cattolica Italiana, die Albanermission und alle Anderssprachigen im Pastoralraum, betonte der Bischof. Um die Verbundenheit mit der Missione Cattolica Italiana zu bekräftigen, sprach der Bischof einzelne Passagen auf Italienisch. Dann setzte er seine Mitra auf, griff zum Bischofsstab und schritt zum Ambo. «Kraft meines Amtes als Bischof von Basel errichte ich den Pastoralraum Unteres Freiamt.», sprach Bischof Felix. Und fügte mit einem Augenzwinkern hinzu:«So schnell geht das.»

Etwas schwerfällig und nicht leicht zu steuern

Marc Staubli, Präsident der Kirchenpflegeversammlung, hielt in seiner Ansprache fest, dass der Zeitaufwand für die Vorbereitung eines Pastoralraums und derjenige für seine Errichtung in einem sehr ungleichen Verhältnis stünden. Viele Stunden des Aktenstudiums, Schreibarbeit und Sitzungen seien nötig gewesen, um heute hier feiern zu können. Der von Anfang an grosse Rückhalt bei den Gläubigen und die oppositionslose Zustimmung zum Pastoralraum hätten aber die Arbeit entscheidend erleichtert. Das starke Bedürfnis der Pfarreiangehörigen jedoch, dass pastorale Dienste und Seelsorge vor Ort möglichst erhalten bleiben, liess er nicht unerwähnt. So gesehen stimme der Spruch: «Hauptsach, d Chile bliibt im Dorf.» Er verglich den errichteten Pastoralraum mit einem Dampfschiff: gross, etwas schwerfällig und nicht ganz leicht zu steuern. An Bord die sechs Pfarreien. Pastoralraumleiter Kurt Grüter und Kirchenpflegepräsident Renato Widmer übernehmen die Verantwortung am Steuer.

Heitere Freude über das Erreichte

Glück- und Segenswünsche vom Kirchenrat, von der reformierten Kirchgemeinde, von politischer Seite und vom benachbarten Pastoralraum Bremgarten-Mutschellen rundeten die stimmungsvolle Feier ab. Der Gottesdienst mit Kirchenchor, Bläserensemble und Orgel war getragen von heiterer Freude über das Zustandegebrachte. Bischof Felix hat heute die Leinen gelöst: Nun müssen alle mithelfen, das Pastoralraumschiff in Fahrt zu bringen und auf Kurs zu halten.

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.