11.07.2019

Zukunft der kleinen Schritte: Zehn Jahre Klosterherberge Baldegg

Von Carmen Frei

  • «Beten und Arbeiten und auf die Göttliche Vorsehung vertrauen.» Auch nach bald 190 Jahren leitet dieses Wort die Baldegger Schwestern. Dazu braucht es ihrer Ansicht nach «wache Augen und ein zuversichtlich gläubiges Herz».
  •  Ein Tatbeweis für diese Haltung ist die Klosterherberge. Diese im Untertitel mit «Haltestelle für das Leben» bezeichnete Einrichtung feiert 2019 ihr zehnjähriges Bestehen. Die Klosterherberge ist quasi ein «Tor zur Welt» des Klosters Baldegg. Schwester Gabrielle Meier und Schwester Katja Müller blicken dankbar zurück und weise voraus.

 

Meier und Müller. Ganz so einfach wie mit den Namen der beiden Gesprächspartnerinnen verhält es sich nicht mit der Geschichte des Klosters Baldegg, beziehungsweise seiner Klosterherberge. Darum zum Einstieg eine Rückblende. Weil der Mädchenbildung im ländlichen Luzerner Seetal keine Beachtung geschenkt wurde, plante der damalige Kaplan von Hochdorf, Josef Leonz Blum, eine Schule einzurichten. Seine Idee: «Der weiblichen Jugend, den zukünftigen Müttern des Volkes, soll eine zweckmässige Bildung auf kirchlicher Grundlage ermöglicht werden.»

Bildung für Frauen: Erstes Ziel der Ordensgemeinschaft

Dieser Gedanke fand Anklang. Sieben leibliche Schwestern der Familie Hartmann aus Hohenrain stellten sich dieser Aufgabe und begaben sich am 2. Februar 1830 unter der Leitung des Kaplans ins Schloss zu Baldegg. Sie setzten sich für die Mädchenbildung und für die Betreuung der Armen ein. Das war der Beginn der Ordensgemeinschaft der Baldegger Schwestern. Bald kamen weitere junge Bauerntöchter dazu. Es bildete sich die «Genossenschaft armer Mägde bei St. Jost zu Baldegg». Die religiöse Gemeinschaft übernahm die Ordensregel des heiligen Franziskus von Assisi.

Aller anfänglichen Widrigkeiten zum Trotz blieb die Schwesterngemeinschaft bestehen und war für Generationen von Kindergärtnerinnen, Primar-, Handarbeits- oder Hauswirtschaftslehrerinnen, hauswirtschaftliche Betriebsleiterinnen, Heimerzieherinnen oder Krankenschwestern Ausbildungsstätte.

2005: Übergabe  des Töchter-Instituts an den Kanton

Schliesslich zeichnete sich um die Jahrtausendwende eine Bereinigung der Bildungslandschaft ab. 2005 übergaben deshalb die Baldegger Schwestern ihre Schulräume dem Kanton Luzern. So prangt über dem Eingang des 1903 erstellten Gebäudes zwar nach wie vor der Schriftzug «Töchter-Institut Baldegg», rechts davon aber verweist eine leuchtend rote Tafel auf die heutige Nutzung: Kantonsschule Seetal.

«Im alten Klosterteil wurden die Räume ebenfalls zusehends leerer, dafür Ressourcen frei», erinnert sich Schwester Gabrielle Meier. «Also ging es darum, etwas ins Leben zu rufen, das im Grundsatz zu uns passt und Perspektive hat.» Schwester Gabrielle Meier ergänzt: «Es brauchte auf jeden Fall den Mut, Sachen zu verwerfen, wenn es aus irgendeinem Grund nicht stimmte. Selbst wenn wir jeweils den nächsten Schritt noch nicht sahen.» Schwester Katja Müller: «Wir leben vom Glauben, dass sich der nächste Schritt zeigt. So war es immer in unserer Geschichte.» Schwester Gabrielle Meier: «Es passieren Sachen, die man nicht erwartet. Darum gilt es, offen zu sein.»

2009: Klosterherberge eröffnet

Diese innere Haltung widerspiegelt sich im Äusseren. Die 2009 eröffnete Klosterherberge im alten Klosterteil wird hauptsächlich von der 13-köpfigen «Gemeinschaft Klosterherberge» geführt. Deren Oberin ist Schwester Katja Müller: «Wir bieten schöne, offene, weite, reduzierte Räume. Das hat eine Wirkung auf die Menschen von heute.»

Die bei der Klosterherberge federführende «Gemeinschaft Klosterherberge» wohnt auch im seeseitigen Klosterteil. Ob geistliche Begleitung, Märlikafi oder Kreativ-Werkstatt: Wer sich durch das vielgestaltige Angebot der Klosterherberge liest, staunt ob der Fülle. Schwester Katja Müller: «Ja, wir können den grössten Teil des Angebots aus eigenen Kräften bewältigen. Alle Schwestern, die früher in der Schule tätig waren, orientierten sich neu, erweiterten ihr Wissen.»

«Für viele ein Stück Heimat»

«Die Klosterherberge ist ein komplexes Haus mit verschiedensten Schauplätzen. Da braucht es saubere Absprachen und ein Hand-in-Hand-Arbeiten in unserem ‚Familienbetrieb’», wissen die beiden Hauptverantwortlichen. Zum Erfolg der ersten Dekade Klosterherberge hat zudem beigetragen, dass die Schwestern stets wachsam waren bei Anfragen und Ideen. «Neues nicht gleich verwerfen, sondern zuerst überprüfen», heisst die Devise.

Überdies sind die Baldegger Schwestern weit vernetzt. Schwester Katja Müller: «Wenn ich nur an die zahlreichen Klassentreffen ehemaliger Schülerinnen hier im Haus denke.» Schliesslich wird die Beziehungsarbeit hervorgehoben, die auf Verlässlichkeit beruht. «Dadurch ist die Klosterherberge für viele Gäste ein Stück Heimat geworden.»

Fenster zum Himmel

Meier und Müller. Ganz so einfach wie mit den Namen der beiden Gesprächspartnerinnen verhält es sich auch nicht beim Blick in die Zukunft der Klosterherberge. Bis zum 5. August macht sie Sommerpause. Danach geht es weiter in kleinen Schritten und getragen vom ständigen Hinterfragen, wie es Schwester Katja Müller formuliert: «Wie können wir den Menschen von heute nahe sein, Räume für die Seele aussparen und Fenster zum Himmel offenhalten?»

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