08.07.2019

Zirkusgottesdienst: Jubiläum mit Wermutstropfen

Von Vera Rüttimann

  • Am vergangenen Sonntag, 7. Juli, wurden im Chapiteau des Zirkus Knie in Luzern anlässlich des jährlichen Zirkusgottesdienstes gleich drei Höhepunkte gefeiert: 100 Jahre Circus Knie, 20 Jahre Philipp Neri-Stiftung und die Taufe von Maycol Knie Junior.
  • Was viele nicht wissen: Die Seelsorge für Zirkusleute und Schausteller wird nicht von den Kirchen finanziert.

Als sich um 10.30 Uhr  der rote Samtvorhang öffnet, sitzen über 2000 Menschen im Zelt. Unter feierlichen Klängen ziehen nicht nur Fahnenträger verschiedener Markthändlersektionen, Zirkusseelsorger Adrian Bolzern, sein Vorgänger Ernst Heller und Pfarrer Boris Schüssel ein, sondern auch 103 Ministranten, die zum 100-Jahr-Jubiläum des Zirkus Knie eigens aufgeboten werden konnten.

Prinzessin Stephanie von Monaco unter den Gästen

Den Besuchern wird nicht nur ein visuell überwältigendes Schauspiel geboten, auch musikalisch gibt es Ungewöhnliches zu hören. Als Geschenk an den Zirkus Knie und an die Philipp Neri-Stiftung treten mit dem Chor Bruder Klaus Oberwil Zug (Leitung. Armon Caviezel) und dem Kirchenchor Concordia Ausserdomleschg (Leitung: Rico Caviezel) gleich zwei Grosformationen auf. Über 100 Sängerinnen, Sänger und Musiker führen die Messe für Chor, Streichorchester Klarinetten und Hackbrett «Singed und juchzed» von Peter Roth auf. Selbst Prinzessin Stephanie von Monaco, die von vielen unerkannt neben Marie-José Knie sitzt, staunt da.

Die Taufe von Maycol Junior, dem Sohn von Géraldine Knie und ihrem Mann Maycol, wird von Pressefotografen eifrig festgehalten. Macol Junior gewinnt sofort die Herzen der Zirkusbesucher.

Würdigung der Philipp Neri-Stiftung

Im Zirkusgottesdienst wird an diesem Tag auch die Arbeit der Philipp-Neri-Stiftung gewürdigt. Diese Stiftung wurde vor 20 Jahren vom ehemaligen Zirkuspfarrer Ernst Heller ins Leben gerufen. Sie folgt den Spuren des in Florenz geborenen und im Jahr 1595 in Rom verstorbenen Priesters und Heiligen Philipp Neri, der als «Gaukler Gottes» bekannt ist. Das Ziel: Finanzielle Hilfe leisten für in Not geratene Artisten, Schausteller und Marktfahrer.

Im Jubiläumsjahr tourt Adrian Bolzern mit einem Zirkuswagen in einer «Roadshow» durch die Schweiz. «Die Resonanz seitens der Leute war bislang gross und die Tour konnte zur Bekanntheit der Stiftung beitragen», sagt Adrian Bolzern.

Fehlendes Engagement der Kirchen stösst auf Unverständnis

Was nur wenige wissen: Die Arbeit von Zirkuspfarrer Adrian Bolzern wird von der Kirche bislang nicht finanziert. Der Aargauer sagt: «Viele Zirkusfamilien, die das erfahren, können das nicht nachvollziehen.» Auf Unverständnis stosse er diesbezüglich auch bei Kollegen, wenn er sie an Zirusseelsorge-Kongressen treffe.

Luc Humbel, der als Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz für die staatsrechtlichen Bereiche der Kirche verantwortlich ist, kennt diesen Sachverhalt. Er sagt: «Die Zirkusseelsorge, wie sie von Adrian Bolzern geleistet wird, deckt nach meiner Kenntnis die Deutschschweiz und gewisse Betriebe im nahen süddeutschen Bereich ab. Ausgehend davon handelt es sich dabei weder um eine Aufgabe der Landeskirche Aargau noch um eine solche des Bistums Basel. Zuständig wäre somit die Dienststelle Migratio der Schweizerischen Bischofskonferenz. Dort ist beispielsweie auch die Seelsorge für Fahrende verankret. Auf diesen Umstand habe ich Adrian schon mehrfach hingewiesen. Mir ist nicht bekannt, ob Migratio bereits einmal mit einem solchen Gesuch angegangen wurde».

Existenzprobleme der Schausteller

Die Arbeit der Zirkus-Seelsorge ist jedoch nötiger denn je, wie Adrian Bolzern auch an diesem Sonntag mehrfach betont. Im Gespräch mit Horizonte spricht er von «immer mehr Existenzproblemen unter Artisten und Schaustellern» Der Aargauer Zirkus Nock, der in diesem Jahr aufgeben musste, nennt er als trauriges Beispiel. Immer höhere Platzkosten, die starke Konkurrenz und verändertes Freizeitverhalten führen laut Bolzern zu verschärfteren Arbeitsbedingungen.

Der umtriebige Priester nennt einige Beispiele, wie die Philipp Neri-Stiftung in jüngster Zeit helfen konnte: Einem Schausteller wurden Krankenkassenbeiträge, die er nicht leisten konnte, bezahlt; einem Chilbi-Mitarbeiter, dessen Motorrad kaputt ging, erhielt von der Stiftung ein Darlehen für ein neues Fahrzeug; ein Schausteller verlor auf der Autobahn seinen Anhänger, der sich überschlug und schrottreif war. Schlecht versichert, konnte er sich kein neues Gefährt leisten. Auch hier half die Stiftung finanziell aus.

Ein Angebot, das ankommt

Der Zirkusgottesdienst, an dem sich die Philipp-Neri-Stiftung in Erinnerung gerufen hat, gehört bei vielen Familien jedenfalls zu einer festen Tradition, die sie pflegen. Als die Besucher aus dem Zelt strömen, leuchten die Augen begeistert. Aus verschiedenen Wortfetzen ist zu entnehmen, wie sehr die humorvolle Art von Adrian Bolzern ankommt. Armon Caviezel sagt zudem: «Ich finde diesen Gottesdienst eine gute Sache, weil die Kirche auf die Strasse geht und in ein Zelt kommt. Sie spricht dadurch eine ganz andere Kientel an als sonst.»

Für Matthias Mutter, der schon dem deutschen Pater Heinzpeter Schönig, Ernst Heller und nun Adrian Bolzern organisatorisch bei diesem Gottesdienst unter die Arme griff, gehört dieser Anlass zu einem «persönlichen Jahreshöhepunkt».

Heidy Erni wiederum, die in der Administration der Philipp Neri-Stiftung arbeitet, zeigt sich beeindruckt «über die vielen Menschen, die sich bei diesen Anlass helfend engagieren». Auch die Immenseerin sagt: «Dieser Gottesdienst geht zu den Leuten und holt sie emotional ab. Sie kommen in den Genuss einer einzigartigen Atmosphäre».

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