29.09.2022

Am Sonntag, 2. Oktober feiert die katholische Kirche den Schutzengeltag
Gottesboten mit und ohne Flügel

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Am kommenden Sonntag, 2. Oktober, feiert die katholische Kirche das Schutzengelfest.
  • Weil Literatur zum Thema Engel vielfach «esoterisch» daherkommt, geriet der biblische Ursprung der Schutzengel in Vergessenheit.
  • Der Besinnungstag «Engel als Wegweiser» im Auszeithaus Beromünster am Samstag, 1. Oktober, entdeckt den Engelschatz in der Bibel bewusst wieder neu.

Immer am 2. Oktober feiert die katholische Kirche das Schutzengelfest. Der Gedenktag entstand erst im 15. Jahrhundert in Spanien und Frankreich durch die Verehrung des Erzengels Michael, welcher im Judentum zusammen mit dem Erzengel Gabriel als Fürbitter und Schutzengel des Volkes Israels gilt. Ab dem 17. Jahrhundert wurde das Schutzengelfest dann in der gesamten katholischen Kirche gefeiert, nachdem Papst Clemens X. den Gedenktag im Jahr 1670 auf auf den 2. Oktober fixiert hatte.

Engel sind Gottesboten

«Engel», von Altgriechisch «Angelos» («Bote») bezeichnet die Boten Gottes. In der Bibel finden solche himmlischen Boten etwa 300-mal Erwähnung. Besonders bekannt ist der Psalm 91 des Alten Testaments, in dem es heisst: «Gott befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.»

Besinnungstag

Auch im nächsten Jahr bietet das Auszeithaus Beromünster, in Zusammenarbeit mit dem Chorherrenstift St. Michael, am 7. Oktober 2023 einen Besinnungstag anlässlich des Schutzengeltags an. www.auszeithaus.ch

Die biblische Überlieferung der Existenz der Engel ist die Grundlage für den Glauben an die Schutzengel. Allerdings ist das Wissen um den biblischen Ursprung der Schutzengel nicht mehr selbstverständliches Allgemeingut. Wer nach Literatur zum Thema Engel sucht, findet vieles, das sich mit dem Begriff «esoterisch» bezeichnen liesse. Diese Erfahrung hat auch Jörg Gerber gemacht. Er organisiert am Samstag, 1. Oktober, einen Besinnungstag zum Thema «Engel als Wegweiser». Das Chorherrenstift St. Michael in Beromünster sowie das Auszeithaus, das auf dem Gelände des Stifts liegt, führen den Besinnungstag gemeinsam durch. Gerber betont, dass er «esoterisch» nicht negativ verstanden haben will, sondern damit lediglich den Unterschied zu den Engeln in der Bibel und der christlichen Tradition markiere. Denn die biblischen Engel gibt es in grosser Menge und Vielfalt. «Für den Besinnungstag entdecken wir diesen Schatz in der Bibel ganz bewusst.»

«Spirituelle Superstars»

Der Schutzengeltag in Beromünster findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt. Schon bei der ersten Durchführung im vergangenen Jahr nahmen etwa 20 Frauen und Männer teil. Jörg Gerber, der das Auszeithaus zusammen mit Brigitte Drescher leitet, spürte ein grosses Interesse am Thema. Besonders erinnert er sich an die Austauschrunde zu Beginn des Tages: «Jede Person hatte eine eigene Erfahrung mit Schutzengeln gemacht und berichtete davon. Das war sehr berührend.»

Eine Befragung im Jahr 2005 in Deutschland ergab, dass die Deutschen eher an Schutzengel glauben als an Gott. 66 Prozent waren überzeugt, dass es Schutzengel gibt, während nur 64 Prozent an die Existenz Gottes glaubten. Die NZZ am Sonntag schrieb in einem Artikel im Jahr 2017 gar vom «Aufstieg der einstigen Nebendarsteller aus der Bibel zu spirituellen Superstars».

Unsterblich und blitzschnell

Engel faszinieren und berühren die Menschen. In einem Artikel in der Zeitung Kirchenbote der Evangelisch-Reformierten des Kantons St. Gallen vom November 2020 sagte die Pfarrerin Annemarie Pfiffner, dass die Vorstellung der Schutzengel so weit verbreitet sei, dass sie wohl in jeder menschlichen Seele zu finden sei. Auch wenn heute viele nicht mehr an Gott glaubten oder sich schwertäten, mit Gott in eine persönliche Beziehung zu treten, so vertrauten doch viele ihrem Schutzengel: «Für mich ist das auch Glaube an Gott; eine Art ‹suchender› Glaube. Durch die Engel macht sich Gott uns bemerkbar, wird seine Liebe konkretisiert. Engel als Medium Gottes liessen uns Menschen Seine Botschaft leichter erkennen, da wir uns Engel besser vorstellen könnten als Gott, erklärte Pfiffner.

Schutzengel können Halt sein in einer unsicheren Welt, | Foto: Claudia Berchtold

Laut Annemarie Pfiffner begegnen Engel in der Bibel den Menschen zum grossen Teil in Menschengestalt, also ohne Flügel. «Alle Engelswesen sind in der jüdisch-christlichen Tradition eigenständige Wesen mit freiem Willen, geschlechtslos, unsterblich, also ohne Geburt und ohne Tod, heilig in ihrem Verhalten, erfüllt von übermenschlichem Wissen und in der Lage, sich blitzschnell überall hin zu bewegen», beschreibt Annemarie Pfiffner.

Ein Engel als Wegbegleiter

Für die Leiter des Auszeithauses und den Propst des Chorherrenstifts St. Michael war es naheliegend, vom Erzengel Michael auszugehen. Jedoch beschränken sich Jörg Gerber und seine Mitorganisatoren nicht auf ihn. Das Thema dieses Jahr lautet «Engel als Wegbegleiter». Dazu findet sich im Alten Testament, im Buch Tobit, die Geschichte des frommen Israeliten Tobit, der schwere Glaubensprüfungen erfährt. In der Not schickt Gott Tobit seinen Engel Rafael zu Hilfe. «In dieser Geschichte wirkt der Engel auf ganz verschiedene Arten», erklärt Jörg Gerber, «Er tritt in Menschengestalt auf, fast wie eine Art Coach». Mit dieser Erzählung machen die Autoren der Bibel deutlich: In Gestalt seiner Boten ist Gott uns ganz nah.

«Durch die Engel erfahren wir auf menschliche Art und Weise Gottes Nähe», hielt Pfarrerin Annemarie Pfiffner im Kirchenboten fest. Der Schutzengeltag am 2. Oktober kann uns dazu anregen, unseren Mitmenschen im Alltag aufmerksam zu begegnen und die christliche Nächstenliebe konkret zu leben. Einfach wie ein Schutzengel zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

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