26.01.2023

Die Kirchlich Regionalen Sozialdienste unterstützen Armutsbetroffene
Gemeinsam Lösungen suchen

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Die sieben Kirchlich Regionalen Sozialdienste KRSD im Aargau werden von den örtlichen Kirchgemeinden, der römisch-katholischen Kirche im Aargau und der Caritas Aargau getragen.
  • Sie unterstützen Armutsbetroffene mit Hilfe zur Selbsthilfe.
  • In Frick arbeitet die Sozialarbeiterin Steffi Kuhn als Standortleiterin des KRSD. Ihr gefällt, dass sie reagieren kann, wenn sie Handlungsbedarf sieht. Auch wenn sie dafür Eier aufschlagen und die Teigkelle schwingen muss.


In Frick stehen zwei Hügel. Auf dem einen steht die reformierte, auf dem anderen die katholische Kirche. Zwischen diesen zwei Hügeln pendelt Steffi Kuhn auf ihrem Arbeitsweg. Ihr Zuhause befindet sich nahe der reformierten Kirche, ihr Büro – die Räumlichkeiten des ökumenischen Kirchlich Regionalen Sozialdiensts KRSD Oberes Fricktal – liegt neben der katholischen Kirche, dem Pfarrhaus und der Kapelle.

Seit etwas mehr als einem Jahr leitet Steffi Kuhn den Kirchlich Regionalen Sozialdienst in Frick. | Foto: Roger Wehrli

Kontakt im Dorf

Die Standortleiterin des KRSD ist ausgebildete Sozialpädagogin und Religionspädagogin, ordinierte reformierte Diakonin und hat einen Master in Informatik. Sie wuchs in Deutschland auf, lebte in den USA, im Zürcher Oberland, in Singapur und arbeitete im Frauenhaus in Basel. Nun wohnt sie in Frick nahe bei ihrer Arbeitsstelle: «Das war ein bewusster Entscheid, denn es gefällt mir, die Menschen auch ausserhalb meiner Arbeit spontan auf der Strasse zu treffen.»

Dass sie unkompliziert ist, beweist Steffi Kuhn beim Besuch von Horizonte: Spontan fragt sie die Frauen, die im Raum neben ihrem Büro im Deutschkurs sind, ob der Fotograf Bilder von ihnen machen dürfe. Die Teilnehmerinnen am «Meeting Point», einem Caritas-Angebot, welches Frauen regelmässige Treffen und Deutschlernen ermöglicht, sind ebenso spontan einverstanden und posieren fürs Titelbild dieser Ausgabe.

Dazugehören kostet Geld

Das Motto des diesjährigen Caritas-Sonntags «Armut schliesst aus – dazugehören kostet Geld» kann Kuhn aus ihrer Erfahrung differenziert erläutern. «Armut schliesst Betroffene aus, weil sie sich oft aus Scham und Angst selbst zurückziehen», weiss sie. So tritt ein Kind vielleicht aus der Jugi aus, weil die Familie den Jahresbeitrag nicht mehr zahlen kann. Auch Zeit zu haben, sei ein entscheidender Faktor, ein Luxus, erklärt Kuhn. Wer den ganzen Tag arbeitet, um über die Runden zu kommen, hat keine Zeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und Armut kann krank machen: Häufig haben Armutsbetroffene eine hohe Franchise und gehen deswegen nicht zum Arzt. «Ein besonderes Problem sind Zahnarztkosten, solche Gesuche stelle ich fast monatlich», sagt Kuhn.

Lösungen, die etwas taugen

Die Sozialarbeiterin merkt jedoch auch an, dass der Standard in der Schweiz extrem hoch sei und die Gefahr bestehe, seine eigenen Möglichkeiten mit diesem hohen Niveau zu vergleichen. Meistens taugen auch einfachere und günstigere Lösungen. So empfiehlt Kuhn einem jungen Mann schon mal, im Wald laufen zu gehen oder einem Sportverein beizutreten, statt ihm ein Fitnessabo zu bezahlen. Oder statt Klavierstunden könne der Tochter auch ein anderes Instrument Freude machen.

«Ich muss relativ häufig und rasch entscheiden: Ist diese Anschaffung, diese Ausgabe sinnvoll und nötig?», sagt Kuhn. Mit ihrer offenen und zuversichtlichen Art hilft sie den Ratsuchenden, das Gefühl zu überwinden, dass sie keine Möglichkeiten hätten. «Mein Verständnis von Sozialberatung ist, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und die Leute zu befähigen, sich selbstständig zu organisieren.» Arm in der reichen Schweiz ist jemand, dem das Geld nur für das Nötigste reicht: «Du kannst zwar leben, dir aber nichts leisten», fasst Kuhn zusammen. Besonders betroffen davon sind «Working Poor»: «Menschen, die arbeiten, aber zu wenig verdienen, um Ende Monat etwas übrig zu haben.»

Sinnvoll unterstützen

Hilfe zur Selbsthilfe: Dank des Backkurses können Mütter ihrem Geburtstagskind einen selbstgemachten Kuchen statt teure Süssigkeiten mit in die Schule geben. | Foto: mca
Punktuell arbeitet der KRSD Oberes Fricktal mit der Sozialhilfe der Gemeinde zusammen. Der Kirchliche Sozialdienst kann dort einspringen, wo die strengen Richtlinien der Behörde keinen Spielraum lassen. Steffi Kuhn hat bei ihrer Aufgabe als Sozialarbeiterin beim KRSD mehr Entscheidungsfreiheit: «Ich erkenne den Bedarf und kann im Rahmen des Budgets selber über sinnvolle Massnahmen entscheiden», erklärt Steffi Kuhn.

Ein Beispiel: «Ein Bedarf, auf den ich von selbst nie gekommen wäre, ist das Kuchenbacken.» Die Tradition, dass man dem Kind am Geburtstag einen Kuchen mit in die Schule gibt, lernten geflüchtete Frauen erst hier kennen. So wurde sie gefragt: «Frau Kuhn, können wir lernen, wie man Kuchen backt?» Für den angekündigten Backtag meldeten sich zehn Frauen an, 15 kamen. Steffi Kuhn und ihre Assistentin kamen fast nicht nach mit Eier-Aufschlagen und Butter-schaumig-Rühren. «Ein toller Anlass!», erinnert sich Steffi Kuhn.

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