19.03.2020

Neu: Clowns im Gottesdienst

Von Christian Breitschmid

  • Aufmunterung in schweren Zeiten: Am vergangenen Sonntag feierten die beiden Kirchenclowninnen Lotta Lebensfroh und Fidelia in der Kirche St. Johannes in Buchs ihre Premiere als komische Interpreten der liturgischen Texte.
  • Aus Angst vor dem Coronavirus blieben viele Gläubige dem Gottesdienst fern. Lediglich 20 Anwesende kamen in den Genuss einer ganz besonderen Bibeldarstellung, die sicher lange haften bleibt.
  • «Kirchenclowns könnten eine Form sein, wieder mehr Leute in die Kirche zu holen», sagen Lotta und Fidelia, «denn in der Kirche wird zu wenig gelacht.»

 

Eben noch hatte es das volle Kirchengeläut von St. Johannes Evangelist in Buchs unmöglich gemacht, sich vor der Kirche verständlich zu begrüssen, geschweige denn, ein paar freundliche Worte zu wechseln. Als dann aber die Glocken schwiegen, wurde einem im besinnlichen Halbdunkel der denkmalgeschützten Kirche fast schmerzhaft bewusst, wie einsam man sich fühlen kann, wenn man zusammen mit knapp 20 Menschen in einem grossen Raum sitzt, der für weit mehr als das Zehnfache Platz böte.

Neues finden im alten Wasser

Der 15. März 2020 war der letzte Sonntag, der nach dem gewohnten Gottesdienstplan stattfand. Aber das wusste noch niemand, der an diesem Sonntagvormittag gespannt im Kirchenbank sass und auf den angekündigten Wortgottesdienst mit Clownerien wartete. Ja, die Coronabedrohung war in aller Munde, die Weihwasserbecken gelehrt, die Menschen mit mehr als dem gebotenen Abstand voneinander über die Kirchenbänke verteilt. Pfarreiseelsorgerin Veronika Scozzafava wies in ihrer Eröffnung darauf hin, dass sich die Gläubigen in dieser Feier an den Rand des Jakobsbrunnens setzten, um Neues zu finden im alten Wasser.

Zwei auffällig gekleidete Frauen betraten darauf hin den Raum. Veronika Scozzafava hatte sie angekündigt. Sie heissen Lotta Lebensfroh und Fidelia. Beide trugen eine leuchtend rote Nase. Die eine wirkte sehr fröhlich und munter, die andere machte einen eher unwilligen und müden Eindruck. Sie richteten sich vor dem Altar ein, packten ihren Reiseproviant aus und verpflegten sich. Jede schien interessiert an der Labung der anderen, aber keine lies die andere auch nur probieren. Es kam zum Streit und im so zur Schau gestellten Unfrieden verschwanden die beiden wieder. Die Kinder im Publikum grinsten. Sie wussten genau, was da gerade gezeigt wurde.

Sie erteilten zu dritt den Segen

Gut abgesprochen und fein aufeinander abgestimmt, wechselten sich im Folgenden die Worte der Zelebrantin mit den gespielten Szenen der beiden Clowninnen ab. Dazwischen sang und betete die Gemeinde wie in jedem Gottesdienst miteinander. Die Lesung aus dem Buch Exodus, wo das Volk Israel gegen Mose murrt, weil es in der Wüste Hunger und Durst leiden muss, gestaltetenLotta Lebensfroh und Fidelia so packend und amüsant, dass das Gefühlsbarometer abwechselnd auf Lachen und Magenknurren zeigte.

Am Ende des Gottesdienstes stand die Seelsorgerin, flankiert von den beiden breit strahlenden Clowninnen, am Altar und erteilte der Gemeinde den Segen. Dieses Bild prägte sich ein, es zauberte einem ein Lächeln ins Gesicht und man verliess die Kirche mit dem beruhigenden Gefühl, dass alles wieder gut wird.

Lockerheit, trotz schwerer Zeit

Hinten in der Sakristei besprachen Gudrun Schröder (Fidelia) und Andrea Moser (Lotta Lebensfroh) mit Veronika Scozzafava ihren gemeinsamen Auftritt. «Ich bin begeistert», meinte die Seelsorgerin. «Ich habe während der Darbietungen der Clowninnen in die Gesichter der Leute geschaut. Sie sahen alle zufrieden aus.» Es sei für sie beeindruckend gewesen, welche Lockerheit die beiden Frauen verbreitet hätten – trotz dieser schweren Zeit. «Vor einem Monat haben mich die beiden angefragt, ob sie in einem Gottesdienst bei mir auftreten dürften. Da ich selber schon einmal einen Gottesdienst mit Kirchenclowns erlebt hatte, sagte ich sofort ja.» Die epidemische Verbreitung des Coronavirus‘ hat zwar leider dazu geführt, dass der erwartete Publikumsstrom ausblieb, «aber wir waren uns einig, dass wir das durchzögen, auch wenn nur eine Person zum Gottesdienst käme.»

«Ein Clown darf grundsätzlich alles»

Für die beiden Clowninnen war das auf jeden Fall eine gelungene Premiere. Im vergangenen November habe sie ihren Lehrgang «Clownerie in der Kirche und auf der Bühne des Lebens» bei Gisela Matthiae in Salzburg abgeschlossen. Nun sind sie bereit, wo immer das gewünscht wird, Messfeiern, Gottesdienste, Religionsunterrichte, Bibelgruppen und viele andere kirchliche Veranstaltungen durch ihren Humor und ihren theologischen Hintergrund zu bereichern. Andrea Moser ist Religionspädagogin, Gudrun Schröder Katechetin. «Wenn uns jemand buchen will», erklärt Gudrun Schröder, «dann gerne unter einem Thema oder Motto. Auch für unseren Auftritt heute haben wir die Thematik des Gottesdienstes mit Veronika Scozzafava ausführlich vorbesprochen. Es ist auch ganz wichtig, die Grenzen des Möglichen vorher festzulegen. Ein Clown darf zwar grundsätzlich alles, das ist schon so. Aber unsere Freiheit hängt immer vom jeweiligen Ort und vom verantwortlichen Liturgen ab. Wir würden sicher nie eine liturgische Handlung stören, und auch den Altar würdigen wir selbstverständlich.»

«Es wird zu wenig gelacht in der Kirche»

Kennengelernt haben sich die zwei Frauen im Kurs in Salzburg. Schnell wurde ihnen klar, dass sie ihre dort erarbeiteten Clownfiguren, Lotta Lebensfroh und Fidelia, in Zukunft als Duo auftreten lassen wollten. Nach der Premiere in Buchs stehen schon weitere Termine auf dem Plan, etwa die lange Nacht der Kirchen in Erlinsbach und der Familiengottesdienst zur Vorstellung der Erstkommunikanten in Riniken – so Corona will. «Wir glauben, dass die Kirchenclownerie eine Form ist, um die Leute wieder in die Kirche zu holen», meint Andrea Moser. «Es wird überhaupt zu wenig gelacht in der Kirche. Dabei will Gott doch unsere Freude, wenn wir zusammenkommen, nicht lange Gesichter.»

 

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