21.08.2023

Badenfahrt zwischen «Himmelriich» und Erschaffung der Welt

Von Eva Meienberg

  • Unzählige Menschen geniessen derzeit die Badenfahrt, das Volksfest der Superlative.
  • Auch die Kirchen sind vor Ort und kümmern sich um die spirituellen Bedürfnisse der Gäste.
  • Der ökumenische Gottesdienst mit Gospelchor auf der Bluesbühne ist der Auftakt zum ersten Badenfahrt-Sonntag.

Das «Himmelriich» in Baden hat Apfelbäume an der Pforte und ihre Früchte sind hier göttlich. Alles ist ein bisschen anders in diesen Tagen. Denn Baden feiert seine Badenfahrt. Badenfahrt das sind temporäre Restaurants, welche die ansässigen Vereine mit viel Liebe zum Detail in freiwilliger Arbeit anfertigen.

Zehn Tage Ausnahmezustand

Zur Badenfahrt gehören auch die vielen Konzerte und Theateraufführungen. Während zehn Tagen ist das aargauische Städtchen im Ausnahmezustand. Es soll Badener geben, die Ferien nehmen für die zehn verrückten Tage. Viele Heimwehbadenerinnen kommen nach Hause und treffen dort ihre alten Freundinnen und Freunde. Seit 2017 steht der Grossanlass auf der Liste der lebendigen Traditionen des Bundesamtes für Kultur.

Beatrice Eglin ist Präsidentin der Kirchenpflege der Kirchgemeinde Baden-Ennetbaden und mitverantwortlich für das «Himmelriich». Die Festbeiz steht vis-à-vis der Stadtkirche ein bisschen im Abseits. «Ich finde es schön, dass das Himmelriich ein ruhiger Pol an der Badenfahrt ist.»

Beatrice Eglin hat gerade ihre Schicht in der Beiz beendet. Zusammen mit 220 freiwilligen Helfenden stemmen sie den Restaurationsbetrieb. Gehacktes mit Hörnli auch in vegetarischer Variante steht hier auf dem Menüplan. Sie hätten bewusst auf Musik verzichtet. Ein guter Entscheid. Musik tönt durch alle Gassen der Badener Altstadt. Die Gäste sollen sitzen können und es gemütlich haben im Himmelriich, sagt Beatrice Eglin.

Gewinn kommt wohltätigen Projekten zugute

Gemütlich hat es auch Markus Heil, Gemeindeleiter aus Wettingen. Weil gerade nicht so viel los sei, brauche es ihn heute gar nicht im Service. Die Wettinger Gemeinde hilft den Nachbarn mit drei Service-Schichten aus. Der Gewinn aus der Festbeiz kommt vollumfänglich wohltätigen Projekten zugute, etwa dem Projekt «zäme ässe». In traditionell katholischer Manier können im Himmelriich auch Schlüssel gekauft werden. Ab 100 Franken gibt’s einen.

Ökumenischer Gottesdienst bei der Badenfahrt 2023

Initianten der Festbeiz waren Cornelia Haller und das Seelsorgeteam. Die Seelsorgerin der Pfarrei Baden-Ennetbaden ist an diesem Sonntagmorgen bereits um 10 Uhr im Einsatz. Gemeinsam mit den reformierten, evangelisch-methodistischen und christkatholischen Kolleginnen und Kollegen gestaltet sie den ökumenischen Gottesdienst auf der Blues-Bühne neben dem Limmatsteg.

Veranstaltet wird der Gottesdienst von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Baden (AGCK). Am kommenden Sonntag wird der Gottesdienst auf der Blues-Bühne interreligiöser sein. Dann organisiert ihn die Arbeitsgemeinschaft interreligiöses Gebet Baden.

Mehr als 300 Menschen haben den ökumenischen Gottesdienst an diesem Morgen besucht. Organisator Rudi Neuberth von der reformierten Kirchgemeinde Baden plus ist begeistert. Grund für die zahlreichen Gäste dürfte auch der Gospelchor «Spirit of Hope» gewesen sein, der den Gottesdienst musikalisch begleitet hatte und im Anschluss daran ein Konzert gab.

Bänke und Stühle mussten in letzter Minute noch zugestellt werden, damit alle Besuchenden einen Sitzplatz fanden. Kristin Lamprecht von der reformierten Kirche hat die Anwesenden begrüsst und sich beim Organisationskomitee der Badenfahrt bedankt, dass die Kirchen sich um die spirituellen Bedürfnisse der Gäste der Badenfahrt kümmern dürfen.

«Piazza Piante» der Jugendvereine

Tatsächlich sind die ruhigen Spots in der Badener Altstatt rar und darum umso kostbarer. Am Vormittag gehört dazu sicher die «Piazza Piante». Im Kurpark haben die Jugendvereine Blauring und Jungwacht Baden, Pfadi Baregg Baden und Pfadi Hochwacht Baden eine Kinder und Jugendwelt erschaffen. Seilbahn, Kletterwand, Sirupbar, Sandkasten, Bühne. Für jedes Alter ist etwas dabei.

Gut zwei Jahre haben die Jugendlichen das Projekt geplant und umgesetzt. «Wir wollten einen Platz für Junge bauen, an dem sie für sich sein und selbst Sachen machen können», sagt Anna Angst vom Ressort Bau und Mitglied in der Pfadi Baregg Baden.

Die Tage seien lang. Gestern Nacht war um vier Uhr Schluss. Um neun Uhr war Pfadfinderin Lina Villiger, Programmverantwortliche der Piazza Piante schon wieder auf dem Platz. Das Einzige, was den Organisatorinnen sauer aufstösst, ist der Müll. Die Abfallentsorgung kommt an ihre Grenzen, an vielen Orten hat es noch Müll von der vergangenen Nacht.

Umzug bei der Badenfahrt

Die Gäste drängen sich im Schatten des Kurparkes, um den Festumzug am Mittag anzuschauen. Rund 30 Vereine stellen je eine vergangene Badenfahrt dar. Die Mottos werden neu interpretiert. 1972 hiess es: 125 Jahre Spanisch-Brötli-Bahn, 1982 war das Motto «Illusionen».

Damals zierte eine barbusige Nixe das Badenfahrt-Plakat. Vor 100 Jahren fand die erste Badenfahrt statt. Damals, nach den Wirren des Ersten Weltkrieges und dem Landesstreik, ging es vielen Menschen schlecht. Die Gemeinschaft sollte mit dem Volksfest gestärkt werden.

Grösstes Aargauer Volksfest

Diese Idee steckt auch nach all den Jahren noch hinter der Organisation des Anlasses. Unterdessen hat das grösste Aargauer Volksfest, das 2017 über eine Million Gäste hatte, eine hundertjährige Tradition, von der viele Badenerinnen und Badener seit Kindesbeinen an ein Teil sind.

Lightshow in der reformierten Kirche in Baden

Die Hitze wird fast unerträglich an diesem Augustsonntag. Da bietet es sich umso mehr an, in die reformierten Kirche Baden zu gehen. Hier gibt es die Lightshow «Neo-featuring Genesis». Die Zuschauenden liegen auf Säcken in der abgedunkelten, kühlen Kirche und schauen sich die Lichtprojektionen an den Wänden und an der Decke an: Die Erschaffung der Welt in drei Tagen. Aus dem Dunklen erwacht ein Farbspektakel. Die Show ist beeindruckend, aber wenn draussen die Badenfahrt tobt, genügte eigentlich schon der dunkle kühle Kirchenraum.

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