20.12.2017

Aargauer am 40. Ranftreffen

Von Andreas C. Müller

  • Das Ranfttreffen «jublalierte» mit 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Ranftschlucht. Am dritten Adventswochenende vom 16. und 17. Dezember fand es zum 40. Mal statt.
  • Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich auch einige Aargauer Gruppen. Horizonte stapfte mit ihnen durch die Nacht.

 

«Halt, das ist nicht der richtige Weg», ruft Lena Heskamp durch die Dunkelheit den Mitgliedern ihrer Gruppe zu. Die Wegkerze am Rand weist in Richtung des Bauernhofs, aber das Leitungsteam weiss es besser. Rasch ist der richtige Weg gefunden, man stösst auf gelöschte Lichter am Rand, welche die Gruppe aus dem Fricktal wieder entzündet, damit nachfolgende Abteilungen nicht auf Abwege geraten. Auch wenn Jungwacht Blauring Schweiz bei der Organisation des alljährlichen Ranfttreffens jedes Mal eine Parforce-Leistung an den Tag legt, um die Routen von Sarnen und Sachseln nach Flüeli-Ranft auszuschildern und mit Lichtern zu markieren, bleibt ein Schuss Abenteuer. Jedenfalls deutet alles darauf hin, als hätten sich andere Teilnehmer einen Scherz erlaubt – sowie das unter Jugendlichen gern einmal gemacht wird.

Auftakt mit Gruppen-Selfie-Challenge

Die Wanderung durch die Finsternis und der dunkelgrau sich abhebende Schnee sorgen im Verlaufe des Abends ebenso für bleibende Eindrücke wie die von zahlreichen Kerzen erleuchtete Ranftschlucht, wo mit der Morgenandacht um 3 Uhr früh das Ranfttreffen seinen Höhepunkt erreicht. Gegen tausend Menschen finden sich dieses Jahr dort ein, empfangen das Friedenslicht und nehmen es mit nach Hause. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern hat es dieses Jahr sogar Gruppen aus Katalonien und Belgien.

Für 12 Jugendliche aus dem Fricktal beginnt das Abenteuer um 17 Uhr in Möhlin. Die Juseso Fricktal bietet jedes Jahr eine Gruppenreise ans Ranftreffen an. Die Kosten von je 25 Franken für die Teilnahme sowie Auslagen für die Hin- und Rückfahrt übernehmen zur Hälfte die Pfarreien. «Das kommt gut an», weiss Leiter Simon Hohler. Im Zug wird gespielt, erzählt und gelacht. Je näher die Innerschweiz rückt, desto stärker füllt sich der Zug mit Jugendlichen. Schliesslich – gegen 20 Uhr – kommt die Fricktaler Gruppe in Sachseln an und posiert für die «Gruppen-Selfie-Challenge». Damian, 16, und Severin, 17, aus Sisseln sind bereits das dritte Jahr mit dabei. Genau wie die 17-jährige Fiona aus Zuzgen freuen sie sich auf die Andacht mit den Kerzen in der Ranftschlucht. Toll sei aber auch, dass so viele junge Leute aus der ganzen Schweiz kämen, ergänzt Muriel, 15, aus Möhlin.

Mit Bruder Klaus den eigenen Lebensweg beleuchten

Nach einem ausführlichen Briefing für die Gruppenleitenden Simon Hohler und Lena Heskamp sowie einer ersten Gruppenrunde im Warmen geht’s los: Eine knappe Stunde dauert die Wanderung durch die Nacht nach Kerns, der Zwischenstation. Im Schulhaus Büchsmatt können sich die Jugendlichen aufwärmen sowie Tee und Suppe fassen. Dann folgt eine zweite Gruppenrunde, die sich mit dem Schweizer Nationalheiligen Niklaus von der Flüe befasst. Das Ranfttreffen findet 2017 zum 40. Mal statt und bildet quasi den Schlusspunkt der 600-Jahr-Feierlichkeiten rund um Bruder Klaus. Es lag also nahe, dem bekannten Mystiker und Eremiten einen besonderen Platz einzuräumen.

In einem Gruppenraum vergegenwärtigt sich die Fricktaler Gruppe anhand einer szenischen Lesung die Geschichte von Bruder Klaus. Die anschliessende Diskussion, die darauf abzielt, sich in die Situation der Protagonisten Niklaus und Dorothea hineinzuversetzen, harzt jedoch. 600 Jahre lassen sich eben nicht binnen einer viertelstündigen Instantzeitreise überwinden.

Genau aus diesem Grund habe sie diesen Teil auch anders gestaltet, erklärt später in der Ranft Céline Cleis. Die 26-Jährige Jugendarbeiterin der Wettinger Pfarreien begleitet eine Blauring-Gruppe ans Ranfttreffen. «Ich habe in der Diskussion den Schwerpunkt auf das Thema Veränderungen gelegt und gefragt: Wie hast du dich im Laufe der Zeit verändert? Was hat dich geprägt? Und was würdest du aufgeben, um dir deine Wünsche oder Visionen zu erfüllen?» Schliesslich gehe es den Organisatoren ja darum, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den eigenen Wurzeln und dem eigenen Lebensweg auseinandersetzen.

Nach der Freinacht wartet die Arbeit

Gestartet ist die Wettinger Gruppe um 17.30 Uhr in Baden. Den Weg nach Flüeli-Ranft nimmt sie ab Sachseln unter die Füsse. Die unter dem Schlagwort «Creative Line» via Rütimmattli ausgeschilderte Route bietet unterwegs Ateliers zum Thema Volkstanz und Trommeln. Das habe grossen Spass gemacht, bestätigen die Wettinger. Die Kosten für die Ranft-Erlebnisnacht übernimmt die Pfarrei. Mit etwas Unbehagen blicken jedoch die Leiterinnen Rahel Wernli und Dina Lisa Schlag dem nächsten Tag entgegen. Nach der Feier in der Schlucht und anschliessendem Morgenbrot kehrt die Gruppe erst um 7 Uhr morgens heim. Das geht an die Substanz. Für Dina Lisa Schlag reicht es kurz zum Frischmachen, bevor sie am Sonntag um 11 Uhr in Zürich an einer Hotelrezeption ihre Schicht antritt.

Ebenfalls via Sachseln ins Flüeli Ranft gefunden hat Christoph Schibli, Leiter Firmweg in Würenlos. Die Zeit bis zum Beginn der Morgenfeier um 3 Uhr morgens überbrücken «seine» 12 Jugendlichen in der Turnhalle Flüematte beim KUBB-Spiel, Klettern oder Menschentöggeli. Es geht lebhaft zu und her. Der Eingangsbereich müffelt. Überall stapeln sich Schuhe und Jacken. Brillenträgern beschlägt es beim Betreten des Gebäudes sofort die Gläser.

Ghettoblaster dröhnen und es wird gekifft

Als eine der letzten Gruppen erreichen nach 1 Uhr früh auch die Fricktaler das Flüeli-Ranft. Nach der zweiten Gruppenrunde samt Verpflegungspause im Schulhaus Büchsmatt erhalten sie keinen Einlass mehr in die Dossenhalle, wo auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der sogenannten «Action Line» unter anderem ein «Schwingtraining« gewartet hätte. Noch eine weitere Gruppe hat das Nachsehen und vertröstet sich mit Musik aus dem «Ghettoblaster». Der süsslich-herber Geruch von Marihuana liegt in der Luft.

Kleine Angriffe auf den Besinnlichkeitscharakter des mittlerweile 40-jährigen Ranfttreffens bleiben allerdings die Ausnahme. Seit Jungwacht Blauring Schweiz 1997 die Organisation des Ranfttreffens übernommen hat, konnten ein striktes Alkoholverbot durchgesetzt und entsprechende Exzesse verhindert werden, die das Ranftreffen existenziell gefährdet hatten. Mittlerweile geht es lebendig, aber friedlich zu und her. Und spätestens, wenn der Zeiger auf drei Uhr morgens vorrückt, die Fackeln entzündet sind und sich alle schweigend in die Schlucht zur Andacht hinabbegeben, stellt sich jene magische Atmosphäre ein, die vielen Jugendlichen nachhaltig in Erinnerung bleibt und dafür sorgt, dass manche über Jahre hinweg wiederkommen.

 

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