22.01.2024

«Zäme ässe schmöckt besser» in Bremgarten ist ein Erfolg
Buchstabensuppe mit einer Prise Dankbarkeit

Von Eva Meienberg

  • Beim Projekt «Zäme ässe schmöckt besser» in Bremgarten kochen Freiwillige für Gäste.
  • Unter ihnen sind Valerii, Liubov und Alla, die vergangenes Jahr aus der Ukraine geflüchtet sind.
  • Aus Dankbarkeit haben auch sie für die Mittagsgemeinschaft gekocht.

«Zäme ässe schmöckt besser» steht auf der Tafel, die in Richtung Schulhaus Promenade zeigt. Da hat sich wohl jemand einen Scherz erlaubt. Denn wer gerne in Gemeinschaft essen möchte, ist an der Gartenstrasse 1 in Bremgarten im Haus der evangelischen Gemeinde goldrichtig. Um 11.30 Uhr sind die Tische im Saal gedeckt, in der Küche steht das Essen parat. Zur Vorspeise gibt‘s Buchstabensuppe, Nüsslisalat mit Käse, Pilzen, Zwiebeln und Speck als Hauptgang und Marroni-Beerenkuchen zum Dessert.

Auch fürs kleine Portemonnaie

Die Idee für den Mittagstisch, der am ersten und dritten Donnerstag im Monat stattfindet, hat Pastoralraumleiter, Andreas Bossmeyer von Baden mitgebracht. Sie ist ganz einfach: Freiwillige Gastgeberinnen und Gastgeber laden zum Mittagessen ein. Vom Einkauf, über den Service bis zum Tischeputzen, erledigen sie alle Arbeiten, die anfallen. Die Gäste lassen sich derweil verwöhnen oder helfen mit, wies grad passt. Auswärts essen auch für Menschen mit kleinem Portemonnaie – Essen in bunt zusammengewürfelter Gesellschaft, ist das Programm. Wer kann, zahlt zehn Franken oder so viel, wie es gerade geht.

Für den leitenden Priester Uche Iheke ist auch der Mittagstisch Kirche. | Foto: Eva Meienberg

Unterdessen sind die rund vierzig Gäste eingetroffen. Der leitende Priester, Uche Iheke, begrüsst die Anwesenden und wünscht allen einen guten Appetit. Alle Generationen sind vertreten, verschiedenen Sprachen zu hören. Seit Beginn des Projekts vor einem Jahr haben Andreas Bossmeyer und sein Team auf genügend Freiwillige zählen können. Anfänglich haben zwei ausgebildete Köche mitgearbeitet. Es sei nicht einfach, Freiwillige zu finden, die sich zutrauen, für 40 bis 60 Gäste zu kochen. «Es braucht Mut, die Leitung in der Küche zu übernehmen», sagt Karen Hug. Sie ist Standortleiterin des von Caritas Aargau geführten Kirchlichen Regionalen Sozialdienstes (KRSD) Mutschellen-Reusstal und seit Beginn in der Organisationsgruppe von «Zäme ässe schmöckt besser» mit dabei.

Termine und Anmeldung

«Zäme ässe schmöckt besser» ist eine niederschwellige, unkomplizierte Begegnungsmöglichkeit für alle, jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat. Nächste Termine: ​1. Februar, 15. Februar, 7. März, 21. März, 4. April, 18. April, 2. Mai, 16. Mai, 6. Juni.​Anmeldungen sind erwünscht, jeweils bis Dienstagabend, bei Cäcilia Stutz, 079 752 90 29, caecilia.stutz@pr-bremgarten-reusstal.ch. Bitte mit Angabe, ob Fleisch oder Vegi.

Dankbare Gäste

Umso erfreulicher, dass sich Valerii, Liubov und Alla bereit erklärt haben, in naher Zukunft wieder zu kochen. Valerii ist im Februar vergangenen Jahres mit seiner Frau Liubov und seiner Schwester Alla und zwei Enkeln von der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Sie leben nun in einer Wohnung in Zufikon und besuchen zweimal in der Woche das Sprach-Café von Caritas in Wohlen. Dort haben sie vom Mittagstisch in Bremgarten erfahren. «Wir wollten uns bedanken bei den Menschen in der Schweiz für das, was sie für uns tun», sagt Alla. Darum haben sie schon zweimal für «Zäme ässe» gekocht. Valerii hat die Gelegenheit genutzt und vor dem Essen eine kleine Dankesrede an die Schweiz gehalten. Alla hat die spontane Rede ihres Bruders übersetzt. Für das feine Essen und die warmen Worte habe es Applaus gegeben, sagt Karen Hug. Das Kochen habe ihnen die Möglichkeit gegeben mitzumachen, auch wenn sie sich sprachlich noch nicht so gut ausdrücken könnten. Aus diesem Grund hat die sozial Arbeitende ein Stelleninserat für eine Köchin oder einen Koch auf der Jobbörse der Freiwilligenorganisation benevol speziell für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen ausgeschrieben.

Ein Grund, dabei zu sein

Patrick kommt mit seiner Grossmutter zum Mittagstisch, wo seine Mutter in der Küche hilft. | Foro: Eva Meienberg

Patrick sitzt neben seiner Grossmutter. Er ist zwölf Jahre alt und beim Mittagstisch dabei, weil seine Mutter heute in der Küche hilft. Er komme regelmässig her, wenn seine Mutter helfe, sonst wäre er ja allein zu Hause. Heikel sei er nicht, esse eigentlich alles. Ausser vielleicht Bohnen. Patrick gefällt das «Zäme ässe schmöckt besser». Auf die Frage, was er verändern würde, fällt ihm gar nichts ein. Rolf Ziegler ist seit einem Jahr das erste Mal wieder am Mittagstisch dabei. Er komme immer dann, wenn seine Frau am Donnerstag ausser Haus ist. Der Pensionär hat sie sich zum Vorbild genommen. Seine Frau engagiere sich in mehreren Freiwilligenprojekten, das habe ihn motiviert, beim Digi-Treff von Caritas Aargau mitzumachen. Kürzlich hat er einer Frau mit ihrem Laptop geholfen. «Da ging nichts mehr, den musste ich komplett zurücksetzen», erzählt Rolf Ziegler. Die Frau habe den Computer dringend gebraucht, um sich auf Stellen zu bewerben, da sie gerade ohne Arbeit war. Neulich sei er ihr auf der Strasse begegnet und sie habe ihm freudestrahlend von ihrer neuen Arbeit berichtet.

Alle sind willkommen

Stefica Gajic gefällt, dass hier alle Menschen willkommen sind und dass es keinen Chef gibt. | Foto: Eva Meienberg

Jetzt serviert Stefica Gajic den Kuchen. Die 75-Jährige hat vom Mittagstisch in der Lokalzeitung erfahren und sich sofort gemeldet. Ihr gefällt, dass «Zäme ässe» für alle Menschen offen ist. «Ich habe keine Ahnung, ob ich den Teller einer Universitätsprofessorin oder einem Gärtner hinstelle», sagt die ehemalige Bankangestellte. Es komme auch nicht darauf an, ob und welcher Kirche jemand angehöre. Alle seien willkommen. Sie sei hier schon vielen interessanten Menschen begegnet, denen sie manchmal auf der Strasse wieder begegne und mit ihnen einen Schwatz halte. Ausserdem seien sie ein super Freiwilligenteam, alle dürften mitentscheiden, kein Chef rede rein. Die neuen Freiwilligen würden freundlich aufgenommen und gut eingearbeitet. Gegen 14 Uhr löst sich die temporäre Tischgemeinschaft auf. Der Abwasch ist schon fast gemacht und die Tische werden wieder versorgt. Priester Uche Iheke macht den Kassensturz und ist zufrieden. Das gemeinsame Essen liege ihm am Herzen, denn das Seelsorgeteam wolle Gott zu den Menschen bringen. «Gottesdienst ist nicht nur in der Kirche. Gott ist mitten unter den Menschen, auch hier, wenn wir zusammen essen.»

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