05.04.2022

Der Rosenkranz ist mehr als eine schmucke Erinnerung an die Volksfrömmigkeit
Das Leben Jesu als Gebet

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • «Das Rosenkranzgebet ist die stärkste Waffe gegen alles Böse und Unheil auf dieser Welt», schrieb der Horizonteleser Urs Bugmann an die Redaktion.
  • Sein Brief war Anlass, der Faszination für das im Volksglauben gewachsene Gebet nachzugehen. Die Tradition ist im Aargau durchaus lebendig, denn in allen Aargauer Pastoralräumen wird der Rosenkranz regelmässig gebetet.
  • Gläubige schätzen den Rosenkranz als schlichte, aber tiefgründige Meditation.

«Das Rosenkranzgebet ist in der heutigen Zeit total in Vergessenheit geraten, viele Mitbürger kennen es vermutlich nicht einmal. Völlig zu Unrecht, denn das Rosenkranzgebet ist die stärkste Waffe gegen alles Böse und Unheil auf dieser Welt», schrieb der Horizonteleser Urs Bugmann an die Redaktion. Sein Brief war Anlass, der Faszination für das Rosenkranzgebet nachzugehen.

Der Glaube in einer Hand

Die heutige Form des Rosenkranzgebetes hat sich aus frühmittelalterlichen Gebeten ent-​wickelt. Im Jahr 1569 wurde sie von Papst Pius V. offiziell festgelegt. Das lateinische «rosarium» bedeutet «Rosengarten» und wurde für Blumenkränze aus Rosen verwendet, die unter anderem Marienstatuen schmückten. Im 16. Jahrhundert tauchte der Begriff erstmals als Bezeichnung für die Gebetsschnur auf. Der deutsche Theologe Manfred Becker-Huberti schreibt: «Gerne wird der Rosenkranz der Marienfrömmigkeit zugeordnet. In Wirklichkeit ist er eine biblische Meditation des Lebens Jesu aus dem Blickwinkel […] der Gottesmutter Maria.» Der Rosenkranz sei kein Produkt der hohen Theologie, der Kirchenväter oder Päpste, sondern eine im Volksglauben gewachsene, schlichte und zugleich tief greifende Meditation, die man nur durch Einüben erlernen und schätzen lernen könne.

Marienpsalter

Die Webseite der katholischen Kirche Österreichs fasst die Geschichte des Rosenkranzes zusammen. Schon die Bussbücher des 8. Jahrhunderts hätten festgehalten, dass, wer die Psalmen weder lesen noch auswendig konnte, an ihrer Statt das Vaterunser beten könne. Vaterunser statt der Psalmen beteten auch die des Latein unkundigen Laienmönche in den Klöstern. Damit verbanden sie sich dem Chorgebet der Priestermönche. Auch das Ave Maria galt als Ersatzgebet. Für eine Reihe von 150 Ave Maria entstand in Anlehnung an die 150 Psalmen der Bibel der Name «Marienpsalter».

Trost und Meditation

Die Recherche in unserem Kanton zeigt, dass in jedem Aargauer Pastoralraum regelmässig Rosenkranzgebete stattfinden, etwa 60 Pfarreien pflegen diese Tradition. Besonders intensiv beten die Pilgerinnen und Pilger, die jeweils am Montag vor Pfingsten zu Fuss von Hornussen nach Todtmoos wallfahren. Auf der gesamten Strecke betet die Gruppe 32 Rosenkränze. Das Gehen im Gebet bewirke einen besonderen Zustand, schildert Pilgerleiter Karl Herzog: «Wenn man betet, wird man nicht müde, weil das Beten die Gedanken an die schlappen Beine verdrängt.» Eine ähnliche Wirkung beschreibt Urs Bugmann: «Die Erfahrung zeigt, dass Rosenkranzbeten hilfreich ist, um das Leben zu meistern. Es gibt einem sehr viel Kraft und lässt die Sorgen unwichtiger werden, ja es ist mir schon öfters passiert, dass sich Probleme einfach wunderbar lösten.»

Der Rosenkranz

Der Rosenkranz besteht aus einem Kreuz und 59 Perlen. Mit Hilfe der grossen und kleinen Perlen beten die Gläubigen eine Abfolge verschiedener Gebete. Ein «Vaterunser», zehn «Ave Maria» und ein «Ehre sei dem Vater» bilden ein «Gesätz». Dazu gibt es die sogenannten «Geheimnisse», die an den ersten Teil des Ave Maria angefügt werden und das Leben Jesu nachzeichnen. Traditionell sind die «freudenreichen», «schmerzhaften» und «glorreichen» Geheimnisse mit je fünf Sätzen. Diesen fünfzehn Geheimnissen hat Papst Johannes Paul II. eine vierte Fünfergruppe, die «lichtreichen» Geheimnisse, hinzugefügt.

Eine Anleitung zum Rosenkranzgebet finden Sie hier.

Rosenkranzwunder

In Medien und Literatur ist immer wieder von «Rosenkranzwundern» die Rede. Das meistzitierte ist dasjenige von Hiroshima, wo am 6. August 1945 vier rosenkranzbetende Jesuitenpatres den Atombombenabwurf überlebten und später über dieses Erlebnis berichteten. Urs Bugmann erinnert sich seinerseits an eine wunderbare Begebenheit aus seinem Dorf: «Vor dem zweiten Weltkrieg wohnte eine deutsche Familie mit mehreren Söhnen in Döttingen. Als Hitler alle Deutschen aufforderte, für das Vaterland in den Krieg zu ziehen, folgten vier von ihnen der Aufforderung. Meine Mutter erzählte, die Mutter dieser Söhne, eine sehr fromme Frau, hätte unermüdlich das Rosenkranzgebet gebetet, damit ihre Söhne wieder heimkehren mögen. Alle kamen zurück. Einen davon habe ich noch selber gekannt. Er war öfters bei uns auf dem Hof zu Besuch. Manchmal hat er von seinen Erlebnissen im Krieg erzählt, meistens mit wässrigen Augen, unglaubliche Geschichten.»

Geschnitzte Geheimnisse

In der Sebastians- und Fridolinskapelle in Mellstorf bei Wislikofen sind die traditionellen 15 Rosenkranzgeheimnisse (siehe Box) als Schnitzereien am Altar zu bewundern. Claudia Mennen, Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei, schreibt im spirituellen Impuls zur Mellstorfer Kapelle: «In kleine Gesätze verpackt, erzählt der Rosenkranz eine ganze Lebensgeschichte. Er hat aus der Geschichte Jesu ein Gebet gemacht.»

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