06.11.2023

5. Samichlaus-Synode in Wislikofen: «Der Mann hinter dem Bart»
Der Samichlaus gibt der Liebe Gottes ein Gesicht

Von Marie-Christine Andres Schürch

  • Am vergangenen Samstag, 4. November, trafen sich Samichläuse und Schmutzli aus der ganzen Schweiz zur Samichlaus-Synode in Wislikofen.
  • Unter dem Motto «Der Mann hinter dem Bart» tauschten sich die freiwillig Engagierten aus zu Fragen rund um das Samichlausbrauchtum.
  • Der Tag bot auch die Gelegenheit zu erkennen, was den Mann hinter dem Bart ausmacht.

Bepackt mit Kisten, Koffern und Kleiderbügeln betraten 40 Männer und einige Frauen am frühen Samstagmorgen die Propstei in Wislikofen. Aus den Gepäckstücken zogen sie feine Untergewänder, Gürtel und Mäntel, wickelten Bärte aus und strichen sie glatt, schraubten Hirtenstäbe zusammen. Punkt 10 Uhr war die Verwandlung abgeschlossen: 29 Samichläuse in vollem Ornat, mit Bischofsstab und perfekt frisiertem Bart traten auf den Vorplatz der Kirche.

Der Mann hinter dem Bart ist stolz, ein Samichlaus oder Schmutzli zu sein, und er übt seine Aufgabe mit grosser Ernsthaftigkeit aus.

Einen Monat bevor sie als Samichläuse, Schmutzli oder Schminkerin zum Einsatz kommen, trafen sich Freiwillige aus Samichlausvereinen der ganzen Schweiz zum Austausch und zur Weiterbildung in der Propstei Wislikofen. Auch Samichläuse aus Deutschland, Belgien und Holland waren extra für die Samichlaus-Synode angereist.

«Heute sind wir Bischöfe»

Nachdem die Samichläuse in der Kirche Platz genommen hatten, liess Bischofsvikar Valentine Koledoye seinen Blick über die Bankreihen wandern und sagte: «Eine Synode ist ein Treffen von Bischöfen. Und nach einer kurzen Pause fügte er an: «Heute sind wir Bischöfe. Ich erkläre die fünfte Samichlaus-Synode für eröffnet.» Claudia Mennen, Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei, wandte sich an die Samichläuse: «Ihr gebt dem Samichlaus Ohren, ihr gebt ihm Augen, Mund und Hände.» Sie würdigte das freiwillige Engagement der Chläuse, Schmutzli und der Helferinnen im Hintergrund zugunsten der Kinder, Familien und des Brauchtums.

Claudia Mennen, Leiterin der Fachstelle Bildung und Propstei, und Bischofsvikar Valentine Koledoye begrüssen die Samichläuse. | Foto: Roger Wehrli

Der Mann hinter dem Bart gibt der Liebe Gottes ein Gesicht.

Der Chlaus schimpft nicht

Wieder in Zivilkleidung trafen sich die Synodenteilnehmenden nach der Feier in verschiedenen Ateliers, um einige Themen zu vertiefen. Eines der Ateliers leitete Hans Peter Rust. Er gilt in der Schweiz und darüber hinaus als Experte in Sachen Nikolausbrauchtum und ist Autor mehrerer Bücher zum Thema. Rust erörterte mit seinen Atelierteilnehmern die Frage, wie Samichlausvereine ihre Bekanntheit und den Stellenwert ihres Brauchtums steigern können. Die Diskussion zeigte:

Nikolaus von Myra

Nikolaus von Myra wurde um 260 – 270 in Patara, Lykien / Byzanz im oströmischen Reich geboren. Den heutigen Staat Türkei gab es damals noch nicht. Nikolaus war Bischof in Myra. Er kämpfte gegen das Heidentum. Heute gilt er als Erretter aus allen Notsituationen. Gestorben ist Nikolaus am 6. Dezember 336 oder 337. Im Jahr 1087 erfolgte die Translation seiner Gebeine nach Bari. Das Grab des Heiligen in der Basilica San Nicola ist ein populärer Wallfahrtsort. Nikolaus gilt als Patron der Seefahrer, Schüler, Studenten und der Kinder.

Der Mann hinter dem Bart macht sich Gedanken, wie er die Menschen erreichen kann und er probiert auch einmal etwas Neues aus.

.

Wenn auch die Details stimmen, hilft das, die Aura von Würde und Liebe zu stärken. | Foto: Roger Wehrli
«Nicht tadeln, drohen oder schimpfen, sondern geradewegs aus dem Herzen zu den Kindern sprechen ist mein Rezept», sagte ein Samichlaus aus der Ostschweiz. «Sündenregister, Rüge und Tadel sind aus dem Wortschatz des Samichlaus‘ zu streichen», erklärte auch Rust, «Der Nikolaus droht nicht. Und auch die Eltern sollten nicht mit dem Samichlaus drohen.»

Dem Mann hinter dem Bart liegen die Kinder und Familien am Herzen, er will ihnen ein stärkendes Erlebnis bieten.

Wichtig seien für einen Chlaus auch perfekte, saubere Kleidung und Utensilien, betonte Hans Peter Rust. Diese verliehen einem Samichlaus seine Aura von Würde und Freundlichkeit, die entscheidend ist. Wichtig sei aber auch, dass Samichläuse und Schmutzli ihr Brauchtum erklären können: «Wenn von Kindern und Erwachsenen Fragen kommen, muss der Samichlaus parat sein», erklärte der Experte.

Die Runde bewies: Der Mann hinter dem Bart kennt die Legende vom heiligen Nikolaus und erzählt sie gerne weiter.

Die Situation annehmen, wie sie ist

Samichläuse aus mehreren Kantonen sowie aus Deutschland, Belgien und Holland nahmen an der Samichlaus-Synode teil. | Foto: Roger Wehrli
Unterdessen hüpften einen Stock tiefer zwölf Männer fröhlich durch die Alte Sakristei. Die Stühle hatten sie beiseitegeschoben, die Ärmel hochgekrempelt. Im Atelier von This Wachter vom Improvisations-Theater-Ensemble «improphil» ging es darum, in die Rolle des Samichlaus zu finden. Mit einfachen Übungen weckte der Atelierleiter die Lust am Rollenspiel. Ziel sei, «den Samichlaus in den Körper zu bringen», erklärte This Wachter den Anwesenden. Diese liessen sich auf die Herausforderung ein und schlichen wie Einbrecher, schwebten wie Gespenster oder eilten wie ein gehetzter Banker durch den Raum. This Wachter gab Tipps, die dem Samichlaus in unerwarteten Situationen helfen, in seiner Rolle zu bleiben. Der wichtigste Tipp: Nicht stressen lassen, die Situation annehmen, wie sie ist und «mitspielen». Die spontane Spielfreude der Samichläuse und Schmutzli brachte die liebenswerteste Eigenschaft des Mannes hinter dem Bart zum Vorschein:

Der Mann hinter dem Bart ist innerlich Kind geblieben.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Abonnieren Sie unseren Newsletter. Er erscheint alternierend zur Printausgabe alle zwei Wochen – immer mit den aktuellsten Horizonte-Geschichten und oftmals spannenden Verlosungen.